Hinweis
Der in diesem Artikel genannte Arzt sowie die Methode wurden Jahre später als Betrug enttarnt. Folgende Artikel beinhalten den aktuellen Stand:
Vor fünfeinhalb Jahren hat Paolo Macchiarini die erste im Labor gewachsene Luftröhre transplantiert. Der Professor für regenerative Medizin, der heute am Stockholmer Karolinska Institut arbeitet, hatte damals mit seinem Team eine Spenderluftröhre von ihren Zellen befreit, sodass nur noch ein Gerüst aus Fasern übrig blieb. Dieses hatte er dann mit den Stammzellen der Frau besiedelt, für die die neue Luftröhre bestimmt war. Die Patientin erholte sich schnell nach dem Eingriff und führt heute ein ganz normales Leben. Der Transplantation voraus ging jahrelange Forschungsarbeit des Teams um Paolo Macchiarini.
Mittlerweile haben die Mediziner schon mehrere dieser künstlichen Luftröhren transplantiert. Ein Spenderorgan ist nun inzwischen nicht mehr nötig, das Gerüst stellen die Wissenschaftler aus biokompatiblen Kunststofffasern her.
Von der Luft- zur Speiseröhre
Nun wagt sich Paolo Macchiarini mit der gleichen Methode an das nächste Organ heran: die Speiseröhre.
"Mit unserer Methode könnten all die Krankheiten behandelt werden, bei denen oftmals die komplette Speiseröhre entfernt werden muss. Zum Beispiel Erwachsene mit Speiseröhrenkrebs oder Kinder mit Fehlbildungen der Speiseröhre könnten von dieser Behandlung sehr profitieren."
Beim Speiseröhrenkrebs können befallene Stellen zwar durch Gewebe aus dem Magen oder Dickdarm ersetzt werden, doch das sind komplizierte Eingriffe, die manche Patienten nicht überleben. Auch die Transplantation einer fremden Speiseröhre ist schwierig, weil danach Abstoßungsreaktionen auftreten können.
Der Mediziner sieht die Lösung im Tissue Engineering: Organe, die im Labor entstehen. Einen ersten Schritt zu einer künstlichen Speiseröhre haben die Forscher nun gemacht, im Tierversuch mit Ratten.
"Wir haben die dreidimensionale Struktur der Ratten-Speiseröhre genau untersucht, wie die Fasern angeordnet sind. Dann verwendeten wir ein mathematisches Modell, mit dem wir genau berechnen konnten, wie viele Zellen wir von der Speiseröhre entfernen müssen, um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern. Und schließlich testeten wir, ob das dann entstandene Gerüst der Speiseröhre den mechanischen Anforderungen standhält."
Es hielt stand. Das mathematische Modell hatten die Mediziner bei der Luftröhre noch nicht eingesetzt, damals entfernten sie noch alle Zellen vom Gerüst. Jetzt mussten sie nur eine teilweise von Zellen befreite Speiseröhre einer Spender-Ratte mit Stammzellen aus dem Knochenmark einer Empfängerratte besiedeln. Dadurch waren die Lücken im Gerüst bereits nach etwa zwei Wochen geschlossen. Die Forscher entfernten dann einen Teil der Speiseröhre der Empfänger-Ratte und setzten dafür ein 1,5 Zentimeter langes Stück der neu gewachsenen Speiseröhre ein.
"Die Ratten haben danach gefressen und getrunken. Es schien ihnen gut zu gehen."
Im Tierversuch erfolgreich
Etwa 40 Transplantationen an Ratten hat das internationale Forscherteam bislang durchgeführt, sagt Macchiarini:
"Das Transplantat hat sich perfekt in den Körper integriert, wir konnten keine Nebenwirkungen feststellen wie Entzündungs- oder Abstoßungsreaktionen."
Längere Stücke der Speiseröhre zu transplantieren wäre theoretisch möglich gewesen, so Macchiarini, aber den damit verbunden Eingriff hätten die Ratten aufgrund ihrer geringen Größe wohl nicht überlebt.
Jetzt sollen Versuche an größeren Tieren folgen, etwa an Schweinen. Und bereits nächstes Jahr sollen auch keine Spenderorgane mehr nötig sein, sondern das Gerüst soll dann aus biokompatiblen Kunststofffasern bestehen, wie bei der Luftröhre.
"Wir haben auch bereits damit begonnen, die Speiseröhren von Menschen von deren Zellen zu befreien. Die Ergebnisse sind noch vorläufig, aber recht ähnlich zu denen bei den Ratten. Wenn alles gut läuft, dann könnten wir die erste künstliche Speiseröhre beim Menschen innerhalb der nächsten vier Jahre transplantieren."