Eine Situation, wie sie im Arbeitsalltag von Prof. Arya Nabavi nicht untypisch ist: Der Chirurg steht am OP-Tisch, das Skalpell in der Hand – und würde das 3D-Röntgenbild, das ihm ein Monitor gerade anzeigt, gern ein wenig drehen, um es an den aktuellen Blickwinkel anzupassen. Aber:
"Es ist eine Herausforderung, weil wir natürlich mit unseren Händen beschäftigt sind. Wir arbeiten, operieren damit."
Die Folge: Öfter als ihm lieb ist muss sich Nabavi, Neurochirurg am International Neuroscience Institute Hannover, während der Operation der Computerbedienung widmen.
"Dazu müssen wir häufig unsere Instrumente aus der Hand lassen. Man operiert - und guckt - und operiert weiter. Es wäre natürlich schöner, wenn man unmittelbar weiter operieren könnte."
Ein Wunsch, der bald in Erfüllung gehen könnte - daran jedenfalls arbeitet das Team von Rainer Malaka, Professor für digitale Medien an der Universität Bremen.
"In diesem Rahmen haben wir ein Projekt gemacht mit Studenten, die einfach mal exploriert haben: Was gibt es für andere Möglichkeiten als die bisherigen, sodass Chirurgen während der Operation auf 3D-Daten zugreifen können."
Prototyp Bodentaster
Warum die Rechner nicht per Fuß ansteuern, fragten sich Student Lars Ohlrogge und seine Kommilitonen - und entwickelten drei verschiedene Prototypen. Konzept eins: ein Areal aus vier Fußtastern, ähnlich wie Bodenschalter für Stehlampen.
"Es ist in Form eines Steuerkreuzes angeordnet. Hier haben wir Schichtbilder eines Schädels. Von links nach rechts kann ich jetzt durch die Schichten navigieren: Wenn ich nach rechts drücke, lande ich irgendwann am Hinterkopf und links beim Gesicht."
Vorteil: leicht zu erlernen. Zahlenwerte lassen sich einfach einstellen: dreimal den rechten Fußtaster gedrückt, und das Bild ist um drei Stufen vergrößert, dreimal den linken, und die Aufnahme ist wieder in Normalgröße. Nachteil: Das Gerät beansprucht viel Platz, und einen Cursor gezielt über den Monitor zu bewegen, ist eher umständlich.
Die Computermaus für den Fuß
Das funktioniert besser mit Konzept zwei, der Fußmaus. Bei ihr ist eine normale optische Computermaus in eine Styroporsohle integriert, die unter dem Schuh befestigt wird.
"Indem ich mit meinem Fuß die Fußmaus bewege, steuere ich die Bilder. Wenn ich nach oben gehe, komme ich in die hinteren Schichten. Wenn ich meinen Fuß nach hinten bewege und den Cursor nach unten bewegen, komme ich in die vorderen Schichten."
Vorteil: intuitive Bedienung, ähnlich wie bei einer gewöhnlichen Maus. Nachteil: Die Steuerung ist nicht sehr präzise, und der optische Sensor verdreckt leicht, etwa durch Blut auf dem Boden des OP-Saals. Kein Problem für das dritte Konzept, die Einlegesohle.
Steuerung über eine Einlegsohle
"Wir haben eine Fußsohle mit kraftempfindlichen Widerständen drin, wo man durch Druckausübung Signale erzeugen kann, sodass man durch Gewichtsverlagerung 3D-Daten steuern kann. Diese Sohle kommt in den Schuh. Ich verlagere das Gewicht auf die rechte Seite meines Fußes, dann dreht sich das Bild nach rechts. Ich drücke nach oben - das Bild rotiert nach oben."
Vorteil: platzsparend und relativ schnell zu erlernen. Nachteil: Kann gezielte Bewegungen noch nicht unterscheiden von unwillkürlichen, wenn der Chirurg einfach nur sein Gewicht verlagert, um eine bequemere Haltung einzunehmen. Und welcher Ansatz ist der beste – Bodentaster, Fußmaus oder Einlegesohle? Um das herauszufinden, haben 26 Experten die Konzepte getestet – allerdings noch nicht im OP, sondern nur im Büro. Einer der Probanden: Neurochirurg Nabavi aus Hannover.
"Am vielversprechendsten sehe ich die Möglichkeit der Einlegesohle. Fußtasten haben wir schon sehr viele, da brauche ich nicht noch mehr. Als ich das ausprobiert hatte, fand ich die Einlegesohle eigentlich am intuitivsten. Ich denke, das könnte durchaus bei vielen Anklang finden."
Technik muss noch verfeinert werden
Noch aber ist die Technik nicht einsatzreif. Das Team von Rainer Malaka muss sie noch deutlich verfeinern.
"Dann wäre der nächste Schritt: zu gucken, dass man das wirklich steril hinkriegt. Und dann im OP testet, wo ein Chirurg tatsächlich mit 3D-Computerdaten interagieren will, und dann das wirklich nutzt in einer Situation. Im Prinzip haben wir den Vorteil, dass wir eigentlich Standard-Schnittstellen benutzen. Das heißt wir können andocken an die Systeme, die es schon im OP gibt. Da wäre ich ganz optimistisch, dass man so was auch tatsächlich in Produkte kriegt."
Also: Sollten die klinischen Studien gelingen, meint Malaka, müsste sich die Technik eigentlich problemlos in die Praxis umsetzen lassen.