Die Uniklinik in Greifswald. Eine Frau sitzt auf einem Zahnarztstuhl. Ihre Jeans hat sie ausgezogen.
"So, wir machen jetzt erst mal den Verband ab, gucken uns mal an, wie die Wunde aussieht. Das ist eine Wunde am Oberschenkel, die ist entstanden, nachdem eine Reihe von Fremdkörpern dort eingedrungen war."
Die Wunde ist riesig und klafft auseinander. Hans-Robert Metelmann greift zu einer Art Zahnarztbohrer - nur dass an dessen Spitze kein Bohrer sitzt, sondern eine Düse, aus der mit einem durchdringenden Pfeifton eine winzige blaue Flamme schießt, handwarm. Es handelt sich um kaltes Plasma, also um ein Gas, das mit Hilfe von Energie in ein Gemisch aus geladenen Teilchen verwandelt wurde. Das Plasma ist sehr energiegeladen und sehr reaktionsfreudig.
"Hier geht es in erster Linie um viele Bakterien, die dort vorhanden sein können. Pilze, die zu einer schweren Infektion führen können. Und wir wollen mit Plasma diese schwere Infektion beherrschen, indem wir die Pilze und Bakterien abtöten. Dafür, liebe Patientin - das sieht heute gut aus. Ich glaube, die Wundheilung hier kommt sehr gut vorwärts. Da, wo wir schon etwas vernähen konnten, sieht alles perfekt aus. Das Gewebestück, das wir noch nicht vernäht haben, da wenden wir jetzt noch einmal Plasma an."
Der Chirurg führt die Flamme in kreisenden Bewegungen über die Wunde. Das Plasma, erklärt er, wirkt dabei gleich zweifach. Erstens: Es tötet Bakterien und Pilze ab, die die Wunde besiedeln und schlimmstenfalls zu einer Sepsis führen könnten. Zweitens regt es das Wachstum von Zellen an, sodass sich die Wunde wieder verschließen kann. Die Patientin bleibt dabei ganz ruhig, Schmerzen hat sie keine.
Methode bislang sicher und verträglich
Hans-Robert Metelmann, Facharzt für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie, ist ein Pionier der Plasmamedizin. Er forscht schon seit Jahren auf dem Gebiet. Im Moment behandelt er eine Handvoll Patienten mit großen, infizierten Wunden, allerdings im Rahmen von Studien. Die Methode scheint bislang sicher und verträglich.
"Nebenwirkungen im Sinne von Entzündungen, Irritationen, Juckreiz haben wir noch in keinem Fall beobachtet."
Allerdings: Wenn das Zellwachstum angeregt wird, dann besteht immer auch das Risiko, dass auch einzelne Tumorzellen angeregt werden und sich vermehren. Das müsste man im Auge behalten - auch wenn es im Moment noch keine Anhaltspunkte dafür gibt.
"Wenn wir in die weltweiten Kasuistiken hineinblicken und in die klinischen Studien - Kasuistiken sind einfach Fallberichte - dann haben wir da etwa 500. Und die über viele Jahre beobachtet, und auch dort haben wir noch nicht festgestellt, dass irgendwelche Krebserkrankungen aufgetreten seien.
Behandlung von Hautkrankheiten und -infektionen
Die Plasmamedizin kommt in Deutschland langsam im klinischen Alltag an. Sie wird vor allem zur Behandlung von Hautkrankheiten und -infektionen eingesetzt. Und es gibt noch weitere potenzielle Anwendungsgebiete: Zahnärzte wollen erforschen, ob sich Karies mit Plasma bekämpfen lässt. Und das Team um Hans-Robert Metelmann hat entdeckt, dass der Strahl sogar Tumorzellen lahmlegen kann. Doch bis das Plasma routinemäßig bei Tumorpatienten angewandt werden kann, ist es noch ein weiter Weg - es fehlt an großen klinischen Studien.
"Erst danach können wir gerade auch in der Onkologie zu Aussagen kommen: Was hilft es? Vielleicht hilft es ganz anders oder gar nicht. Diese Aussagen haben wir noch nicht. Das ist ein wichtiges Anliegen im Augenblick."
Vor einem Jahr wurde deshalb das Nationale Zentrum für Plasmamedizin gegründet, das die Forschung in Deutschland koordinieren soll. Genauso wichtig, sagt Hans-Robert Metelmann, sei die Weiterbildung. Ärzte müssen lernen, das Plasma richtig anzuwenden. An der Uni Greifswald soll es dazu spezielle Lehrveranstaltungen geben.
"Gute Besserung! Danke, Herr Professor."
Behandlung braucht Zeit
Die Frau mit der Wunde am Oberschenkel hat es für heute geschafft.
"Und dann decken wir das mit einem trockenen Verband anschließend ab. Fadenabdeckung an dieser kleinen Stelle, das machen wir Mittwoch oder Donnerstag."
Die Behandlung mit Plasma braucht ihre Zeit. Zweimal pro Woche muss die Patientin in die Klinik kommen, und das über Monate. Immerhin zeigt die Behandlung erste Erfolge: Ein Teil der Wunde konnte schon wieder sauber vernäht werden.