David Julius und Ardem Patapoutian werden ausgezeichnet für die Entdeckung von Rezeptoren für Temperatur und Druck. Die Fähigkeit Hitze, Kälte und Berührungen zu spüren, ist für uns das alltäglichste der Welt und doch eine Fähigkeit, die überlebenswichtig ist. Wie genau die Wahrnehmung funktioniert, war lange nicht bekannt. Die diesjährigen Nobelpreis-Gewinner haben die verantwortlichen Rezeptoren und ihre Funktion entschlüsselt.
Was haben die beiden erforscht?
David Julius fand mit Hilfe von Capsaicin die Sensoren, die in den Nervenenden der Haut dafür zuständig sind, Hitze wahrzunehmen. Capsaicin ist der Stoff, der die Schärfe der Chili ausmacht. Ardem Patapoutian entdeckte durch die Untersuchung drucksensitiver Zellen die Rezeptoren, die mechanische Reize in der Haut und in den inneren Organen erspüren. Die Arbeit der beiden Forscher legte die Grundlage für viele Entdeckungen, die zum Verständnis beigetragen haben, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen und mit ihr interagieren.
Die Idee, das Gespür für Hitze mit Hilfe von Chilli zu untersuchen, kam David Julius bereits Ende der 1990er-Jahre. Schon lange war bekannt gewesen, dass Capsacain genau jene Nervenzellen aktiviert, die Schmerz wahrnehmen können. Julius gelang es, das dafür verantwortliche Gen zu identifizieren. Außerdem identifizierte er das Protein, das von ihm kodiert wird: TRPV1 - ein Ionenkanal, der Nervenzellen die Fähigkeit verleiht, Wärme zu spüren. Die Temperaturen, die ihn aktivieren, sind so hoch, dass sie als schmerzhaft wahrgenommen werden. Seine Entdeckung war der Startschuss für die Identifizierung zahlreicher weiterer temperatursensitiver Proteine.
Auf der Suche nach dem, was Berührungen spürbar macht, gelang Ardem Patapoutian eine wichtige Entdeckung in der Petrischale: Zellen, die auf einen Stups durch eine feine Glasspitze mit elektrischen Signalen reagierten. Wie David Julius auf der Suche nach dem Capsacain-Rezeptor zuvor, gelang es auch Patapoutian ein einzelnes Gen zu identifizieren, das den Zellen ihre besondere Eigenschaft verlieh. Die Wissenschaftler benannten den zugehörigen Rezeptor nach dem griechischen Wort für Druck, Piezo1. Es folgte die Entdeckung eines zweiten Druckrezeptors Piezo2.
Beide Druckrezeptoren übernehmen im Körper wichtige regulatorische Funktionen, etwa beim Erhalt des Blutdrucks, in der Blasenkontrolle oder bei der Atmung. Piezo2 spielt für den Tastsinn eine wichtige Rolle und ist beteiligt an dem, was Wissenschaftler Propriozeption nennen: das intuitive Wissen über die Haltung und Bewegung des Körpers.
Welche Bedeutung haben die Forschungsergebnisse?
Wie spüren wir Kälte und Wärme? Wie fühlen wir Berührungen? Und woher wissen wir, was unser Körper gerade tut? Mit ihrer Arbeit haben die beiden Forscher eine Grundlage geschaffen zu verstehen, wie unsere Sinne funktionieren.
Wissen, das in der laufenden Forschung auch dazu beiträgt, Behandlungen für zahlreiche Erkrankungen zu entwickeln, von chronischen Schmerzen bis Bluthochdruck. "Wenn man die Grundlagen nicht versteht, hat man keine Chance, zu klinischen Anwendungen zu kommen", sagte die Neurowissenschaftlerin Manuela Schmidt im Dlf. Die Entdeckungen der Nobel-Laureaten habe neue Wege eröffnet.
Wer sind David Julius und Ardem Patapoutian
David Julius ist US-amerikanischer Sinnesphysiologe und Professor an der University of California in San Francisco. Geboren 1955 im New Yorker Stadtteil Brooklyn ging Julius nach dem Schulabschluss an das Massachusetts Institute of Technology - eigentlich mit Medizin als Ziel. Dann gefiel ihm die Forschungsarbeit im Labor so sehr, dass er seine Doktorarbeit in Biologie schrieb - an der University of California in Berkeley. Für ein paar Jahre kehrte er anschließend noch einmal in seine Heimatstadt New York zurück, bevor er 1990 an die UCSF ging, wo der bereits vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler heute sein eigenes nach ihm benanntes Labor hat.
Arden Patapoutian wurde 1967 in Beirut geboren. Seine Kindheit war vom libanesischen Bürgerkrieg geprägt. Er studierte an der Amerikanische Universität in Beirut, bevor er 1986 in die USA kam und dort die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm. Inzwischen ist er Professor für Neurowissenschaften am Scripps Research Institute in La Jolla. Wissenschaftler zu sein, beschreibt er als ein unglaubliches Privileg: "Die intellektuelle Nahrung, das reichhaltige Universum von Mitstreitern, die schönen Orte auf der Welt, an die mich die Wissenschaft geführt hat, die Wunder und Geheimnisse des menschlichen Körpers - welche Freude, welches Glück."
Der Neurobiologe Jörg Grandl kennt beide Nobelpreisträger persönlich und hat viele Jahre im Labor von Ardem Patapoutian gearbeitet: "Was beide auszeichnet, ist die Fähigkeit früh aufzugeben", sagte er im Dlf. Die beiden Neurowissenschaftler hätten ein gutes Gespür dafür, wann es Zeit wäre umzudenken und einen anderen Ansatz zu verfolgen. Das hätte das Feld sehr beflügelt. Seine Zeit im Labor von Ardem Patapoutian wäre eine der schönsten seines Lebens gewesen.