"Ich ziehe montags immer einen frischen Kittel an. Hallo."
Christine Rohde eilt in ihr Labor am Leibniz-Institut DSMZ in Braunschweig. Sie öffnet einen Kühlschrank aus Edelstahl und präsentiert allerlei Fläschchen mit Phagenlösungen. Auf ihnen ruhen große Hoffnungen im Kampf gegen multiresistente Keime. Denn Phagen sind Viren, die Bakterien töten können. Dabei ist jeder Phage auf eine bestimmte Bakterienart spezialisiert und schädigt nur diese.
"Der Phage findet sein Bakterium und dockt dort an der Zelloberfläche an. Dann vermehrt er sich in der Bakterienzelle. Erst schießt er seine Nukleinsäure, sein Erbmaterial aus dem Kopf in die Bakterienzelle hinein, und dort wird die Bakterienzelle regelrecht umprogrammiert, im Hinblick auf die Phagenproduktion."
Phagen töten Bakterien
Statt sich selber zu vermehren, produziert das Bakterium nun massenhaft Phagen - solange, bis es platzt. So wird eine wahre Phagenarmee freigesetzt, die dann weitere Bakterien attackiert, bis keine mehr übrig sind. Im Projekt "Phage4Cure" haben die Mikrobiologen in einer Art Casting passende Phagen gegen den Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa gesucht, ein Bakterium, das schwere Lungenentzündungen oder eine Sepsis auslösen kann und gegen das kaum ein Antibiotikum mehr hilft.
"Wir hatten die schwierige Herausforderung, aus einem großen Pool von Phagen gegen das Bakterium Pseudomonas aeruginosa drei Stück auszuwählen, die die Besten sind. Das heißt, die hocheffizient sind, schnell arbeiten und die den bakteriellen Wirt wirklich umbringen. Und die auch noch synergistisch, das heißt kooperativ, arbeiten und damit zu einem hohen Prozentsatz der Erfolgswahrscheinlichkeit führen."
Drei Bakterien-Killer entdeckt
Das Phagen-Casting war erfolgreich. Einen effizienten Bakterienkiller fanden die Forscher in ihrer Institutssammlung, die anderen beiden im Wasser einer Kläranlage. Zusammen leisten die drei Phagen zumindest in Petrischalen ganze Arbeit – und fressen Löcher und Schneisen in die türkis- bis moosgrünen Schichten aus Pseudomonas-aeruginosa-Bakterien. In den Experimenten vernichtete das Phagentrio so unterschiedlichste Stämme des gefährlichen Keims. Genanalysen zeigten zudem, dass die ausgewählten Phagen keine unerwünschten Bakteriengene an Bord hatten, etwa solche, die Antibiotikaresistenzen fördern könnten oder Baupläne für Giftstoffe enthalten.
"Wir hatten circa 70 verschiedene Phagen im Spektrum und konkret auch circa 160 Patientenisolate aus der Lunge, aus ganz Europa. Und so haben wir ein sehr großes Spektrum testen können, und das war sehr gut. Und so muss man immer vorgehen, bei jeder Phagenanwendung."
Klinische Studie geplant
Der Weg zum Medikament ist aber noch weit. Um eine großtechnische Herstellung der Phagen kümmern sich gerade Forscher am benachbarten Fraunhofer-Institut für Toxikologische und Experimentelle Medizin. Sie schätzen, dass Mitte 2020 ein pharmazeutisch reiner Phagenwirkstoff zur Verfügung stehen könnte, der sich dann in einer klinischen Studie an der Berliner Charité beweisen soll. Am Ende des Projekts könnte aber nicht nur ein Mittel gegen den Keim Pseudomonas aeruginosa stehen, sondern auch ein modellhaftes Zulassungsverfahren für Phagen-Cocktails gegen andere gefährliche Bakterienarten.
"Das heißt, wir nehmen uns ganz streng zur Aufgabe, die WHO-gelisteten Keime ganz streng abzuarbeiten, so dass es dann jederzeit möglich ist, mit den Phagen weiter zu arbeiten und in die Prozesstechnologie zu gehen."