Tobias Löffler studiert Medizin in Tübingen und setzt sich als Bundeskoordinator für medizinische Ausbildung der Bundesvertretung der Medizinstudierenden für ein faires Auswahlverfahren ein. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte er gehofft, dass die Abiturnote bei der Auswahl der Medizinstudierenden an Gewicht verliert: "Nur weil man ein gutes Abitur hat, ist man ja noch lange nicht geeignet, Arzt zu werden oder eben geeignet für ein Medizinstudium",sagt Löffler.
Die Richter hatten die Abiturnote als Auswahlkriterium gar nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Nur die Praxis einiger Hochschulen, sie als einzige Grundlage für ihre Auswahl zu nehmen, kritisierte das Verfassungsgericht.
Erfolgreiches Studieren hängt nicht nur von der Abi-Note ab
Auch Martina Kadmon, Präsidiumsmitglied im Medizinischen Fakultätentag und Gründungsdekanin der Universität Augsburg, betont die Bedeutung der Abiturnote bei der Zulassung zum Medizinstudium. Sie hat dazu geforscht, welche Auswahlkriterien einen Einfluss auf den späteren Studienerfolg haben.
"Wir haben in den letzten 15, 16 Jahren eine Reihe an Studien durchgeführt und haben eigentlich gesehen, dass die Abiturnote nach wie vor ein guter Prädiktor ist. Aber es ist eben nicht so, dass es der einzige gute Prädiktor ist, sondern es gibt eben zumindest unter den Studierfähigkeitstests auch gute Prädiktoren, die etwas anderes ausdrücken als die Abiturnote", sagt Kadmon.
Bisher wurden Medizinstudienplatzbewerber über drei Quoten ausgewählt. 20 Prozent der Plätze wurden nur über die Abiturnote vergeben. 60 Prozent der Studierenden durften die Hochschulen nach eigenen Kriterien auswählen. Häufig griffen die Universitäten auch hier auf die Abiturnote zurück. 20 Prozent der Plätze gingen an Bewerber, die auf ihren Studienplatz gewartet hatten. Zuletzt waren dies häufig über sieben Jahre.
Lange Wartezeiten verhindern Studienabschluß
Genau diese lange Wartezeit hatte das Verfassungsgericht unter anderem kritisiert. "Die Abbrecherquote und Studienerfolgsquote ist in dieser Wartezeitenquote einfach am schlechtesten", gibt auch Tobias Löffler zu Bedenken.
Das liege nicht unbedingt daran, dass diese Studierenden prinzipiell schlechter seien. Aber mit dem Alter ändern sich Lebensumstände und diese machten es häufig schwierig, das zeitintensive Medizinstudium zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.
Das sahen auch die Landesregierungen so. Im neuen Staatsvertrag wird die Wartezeitenquote daher komplett abgeschafft. Ersetzt wird sie durch die sogenannte zusätzliche Eignungsquote, die jedoch nur noch zehn Prozent der Studienplätze ausmacht. Martina Kadmon dazu: "Diese zusätzliche Eignungsquote wird ausgestaltet durch einen Test, weil das eben neben dem Abitur auch wirklich Eignung ausdrückt. Und das zweite Kriterium, was viele nutzen werden, ist eine medizinnahe Berufsausbildung."
Neue Auswahlkriterien müssen hinzugezogen werden
Auch das Auswahlverfahren der Hochschulen wird reformiert. Weiterhin werden über diese Quote 60 Prozent der Studienplätze vergeben. Doch die Abiturnote darf hier in Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Die Hochschulen müssen noch zwei weitere, schulnotenunabhängige Kriterien bei ihrer Auswahl hinzuziehen.
"Also was auch neu ist in der ADH-Quote, ist ein verbindlicher Studierfähigkeitstest. Und weitere Kriterien sind bei den meisten Fakultäten die berufliche Qualifikation. Einfach weil man davon ausgeht, wenn man eine berufliche Vorbildung im Medizin-nahen Bereich hat, dass das auch eine gewisse Vorhersage zulässt über die Leistungen und den Erfolg im Studium. Aber es gibt auch Freiwilligendienste, also soziales Engagement in Form von Freiwilligendiensten, sind eine Möglichkeit, ebenfalls zusätzliche Kriterien, das ist eine Option."
Hier wird in Zukunft auf eine bessere Vergleichbarkeit der Abiturnote zwischen den Bundesländern geachtet. Eine mathematische Formel soll helfen, das unterschiedliche Niveau der Abiturnoten in Zukunft auszugleichen. Sie wird gerade noch ausgearbeitet. Die Auswahlverfahren der Hochschulen müssen insgesamt besser vergleichbar werden. Studienplatzanwärter, die bei der Bewerbung die entsprechende Universität besonders weit oben auf ihre Wunsch-Uni-Liste gesetzt haben, dürfen in Zukunft durch die Universität nicht mehr bevorzugt werden.
Über den Abiturschnitt werden in Zukunft sogar 30 statt wie bisher 20 Prozent der Studienplätze vergeben. Eine Erhöhung, auf die insbesondere der Freistaat Bayern gedrungen hatte. Bei Tobias Löffler stößt das auf Unverständnis.
"Letzten Endes wurde die Chance vertan, ein wirklich fortschrittliches und neues Zulassungsverfahren zu kreieren."