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Medizinstudium in Neuruppin
Praxisnah direkt für den Patienten

Ein böser Spruch besagt, dass jeder das Medizinstudium schafft, der auch ein Telefonbuch auswendig lernen kann. An der privaten Medizinischen Hochschule "Theodor Fontane" ist genau das nicht das Ziel - Praxisbezug gibt es hier umgehend. Und es soll auch etwas gegen den Fachärztemangel auf dem Land unternommen werden - mit vielen Vorteilen für Studierende.

Von Wolfgang Heidelk |
    Das Gebäude der Medizinischen Hochschule, aufgenommen am 22.07.2015 auf dem Gelände der Ruppiner Kliniken in Neuruppin (Brandenburg).
    Medizinische Hochschule "Theodor Fontane" (picture alliance / ZB / Bernd Settnik)
    Studierende aus dem dritten Semester sitzen auf einer Bank vor dem Hauptgebäude der Ruppiner Kliniken. Letzte Absprache für die Rundtour, die sie gleich mit den Neuen veranstalten wollen. Bianca Kleinmanns verteilt weiße Umschläge mit Quizaufgaben.
    "Wir machen hier eine kleine Klinik-Ralley für die Neuen, damit die das Gelände kennenlernen, auf spielerische Art und Weise. Einmal bei der Patho, danach sind wir am O-Haus, wo wir immer Uni haben, dann bei der Wäscherei, wo wir unsere Kittel bekommen."
    Was die Neuen als Erstes mitbekommen: Die Voraussetzungen für ein praxisnahes Studium könnten kaum besser sein. Der Campus liegt auf dem weitläufigen Gelände inmitten der Ruppiner Kliniken in Neuruppin. Und die Hochschule hat enge Kontakte zu einer Reihe von anderen Krankenhäusern und Lehrpraxen. Fachschaftssprecher Philipp Schorn aus dem dritten Semester:
    "Wir haben schon im zweiten Semester sofort einen Praxistag, wo die Leute an die praktische Arbeit als Arzt herangeführt werden. Es gibt viele von meinen Kommilitonen, die im zweiten Semester schon Patienten im Rahmen ihrer Möglichkeiten komplett untersucht haben. Und das ist ja in den allgemeinmedizinischen Praxen, die das haben, was häufig ist an Erkrankungen. Genau das, was der Bund eigentlich möchte. Wir haben es hier schon."
    Soziale Kompetenzen sollen gefördert werden
    Praxisbezug – das heißt für Dekan Professor Edmund Neugebauer auch: soziale Kompetenzen fördern, die ein gutes Verhältnis zwischen Arzt und Patienten begünstigen.
    "Es klingt ja ein bisschen böse, wenn ich sage: Wenn man Telefonbücher auswendig lernen kann, dann schafft man auch ein Medizinstudium. Das ist bei uns anders. Bei uns wird man zur Kommunikation in Anführungszeichen "erzogen", also im Sinne von: Wir bringen den Studierenden bei, wie man mit Patienten redet."
    Neben dem Lernen in kleinen Gruppen, fallbezogenen Diskussionen und interdisziplinären Seminaren sind es auch die Lektionen direkt am Krankenbett, die den Studierenden weiterhelfen, etwa bei einem Patienten mit Gelbsucht.
    "Dass sich die Haut gelb verfärbt und die Augen auch gelb werden, ein bisschen. Konnten wir alles direkt beim Patienten sehen. Und das ist extrem viel wert, weil man dadurch sich Sachen viel besser merkt und viel motivierter wird."
    Finanziert von Kliniken und Kommunen
    Ragna Iwers beginnt gerade ihr fünftes Semester. Sie gehört zum ersten Jahrgang an der erst 2014 gegründeten Medizinischen Hochschule Brandenburg MHB. Wenn sie jetzt allerdings den Wunsch hätte, sich – wie andernorts üblich – schon während des Studiums mit einem Promotionsthema zu beschäftigen, müsste sie dafür den Kontakt zu einer anderen Hochschule suchen. Denn die MHB hat kein Promotionsrecht.
    Dafür fehle ihr noch ein überzeugendes Forschungskonzept, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium in Brandenburg. Was aber der Hochschule bislang vor allem fehlt, das ist das Geld für die Forschung. Getragen wird die private Hochschule von Kliniken und Kommunen. Ihr Ziel ist es, dem Ärztemangel im Land Brandenburg entgegenzuwirken – auch das eine Parallele zum kürzlich beschlossenen Masterplan Medizinstudium 2020, der den Mangel an Landärzten mindern soll.
    Direkte Anbindung an Krankenhäuser
    Um ihre Ausbildung zu finanzieren, können die Studierenden vor Studienbeginn Darlehensverträge mit einer der Trägerkliniken abschließen. Damit verpflichten sich die künftigen Mediziner, ihre Facharztausbildung an eben der Klinik zu absolvieren. Patrick Scheel aus Berlin hat sich für das Krankenhaus in Treuenbrietzen bei Potsdam entschieden.
    "Für mich hat das den Vorteil, dass ich langfristig mit meiner Freundin gemeinsam planen kann, wo werden wir später mal wohnen. Wir möchten aus Berlin wegziehen. Und das Schöne ist natürlich: Ich weiß, das Krankenhaus gibt mir die Sicherheit, dass ich den Facharzt in der Fachrichtung machen kann, wo ich es möchte."
    Patrick Scheel ist einer von 48 Studierenden, die an der MHB gerade ins erste Semester starten. 700 hatten sich beworben. Und das, obwohl die staatliche Anerkennung für die Hochschule vom Land Brandenburg zunächst nur befristet bis 2021 erteilt wurde.