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Medizinstudium
"Medizinischer Doktor" statt Promotion?

Der Vorwurf lautet: Flachforscher! Gemeint ist, dass die Promotion von Medizinstudierenden angeblich nicht so anspruchsvoll ist, wie die anderer Studiengänge. Dagegen wehrt sich die Fakultät der Uni Freiburg. Die Dekanin der Medizin will sich für mehr Qualität einsetzen.

Von Anja Braun |
    Ein Stethoskop und eine Brille liegen auf einem Arztkittel.
    Die meisten Ärzte tragen einen Doktortitel - aber ist der Titel gleichwertig zu anderen Promotionen? (dpa / picture-alliance / Arno Burgi)
    Mit Seminaren zum wissenschaftlichen Arbeiten und Kolloquien versuchen die Universitäten heute den promovierenden Medizinern Unterstützung zu geben. Dadurch sollen auch sie nun anspruchsvollere Doktorarbeiten abliefern können.
    "Aber das Angebot ist häufig auch nicht ausreichend. Es gibt eine Menge Studien, die zeigen, dass sich medizinische Doktoranden extrem schlecht auf die Promotion vorbereitet fühlen. Da sieht man, dass die Nachfrage nach solchen Kursen schon recht groß ist", sagt Doron Stein.
    Er promoviert an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg. Außerdem engagiert er sich in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) dafür, dass die Doktoranden in der Medizin besser betreut werden. Schließlich hänge auch davon die Qualität einer Doktorarbeit ab:
    "Medizinstudierende werden ja auch nicht als Wissenschaftler geboren und müssen sich präzises und selbstreflektiertes Arbeiten im Laufe der Promotion erst aneignen. Wenn sie dabei vom Doktorvater, der Mutter oder eben den Betreuern keine Hilfestellung bekommen, kann das natürlich dazu führen, dass sie während der Datenerhebung Fehler machen und die Ergebnisse unabsichtlich verfälscht werden."
    Doch eine gute Betreuung garantiert keine anspruchsvolle Promotion. Der Ruf der Flachforscher kommt schließlich auch daher, dass medizinische Doktorarbeiten in recht kurzer Zeit - neben dem Studium - angefertigt werden. Wissenschaftsorganisationen klagen, dass diese Promotionen oft nicht mal dem Standard einer Magister- oder Masterarbeit in anderen Fächern entsprechen.
    Gegen Türschild-Dissertationen
    Das ärgert vor allem die Univertreter – zum Beispiel die Dekanin der medizinischen Fakultät der Universität Freiburg, Professorin Kerstin Krieglstein. Sie fordert, künftig keine Türschild-Dissertationen mehr anzunehmen und zitiert aus einer Studie der deutschen Forschungsgemeinschaft:
    "Ein Drittel der Studis in einem Fach sollten promovieren. Die aktuellen Zahlen sind höher: also 50 bis 80% promovieren aktuell in der Medizin und wenn wir das auf die üblichen Qualitätskriterien von 30% als Auswahlgrenze reduzieren würden, hätten wir automatisch den Anteil derer, die sehr sehr gute Dissertationen anfertigen würden."
    Der Wissenschaftsrat schlägt dagegen vor, dass alle Medizinstudierenden im Studium eine wissenschaftliche Arbeit ablegen sollen, die dann zum Titel "medizinischer Doktor" führt. Nur diejenigen, die noch tiefer in die Forschung einsteigen wollten, könnten dann nach Studienabschluss noch den PhD – also die EU-weit anerkannte Promotion draufsetzen. Das Problem mit der schwankenden Qualität der medizinischen Doktorarbeit ist längst auch über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. So wird die deutsche medizinische Promotion in den EU-Förderprogrammen nicht als gleichwertig mit Promotionen anderer Fächer gewertet. Medizin-Doktoranden wie der Mannheimer Doron Stein sind damit von den Fördermitteln des European Research Council ausgeschlossen:
    "Das ERC schert mit dieser Entscheidung alle medizinischen Doktoranden über einen Kamm und man könnte beispielsweise doch die Entscheidung über diese Post-Doc-Stipendien von der individuellen Qualität der bisher geleisteten Arbeit des Bewerbers abhängig machen."
    Der Haken: Medizinstudierende promovieren parallel zum Studium
    Auch Medizin-Dekanin Krieglstein ist empört, dass damit nicht nur die Flachforscher, sondern zugleich auch die besten unter den Medizin-Doktoranden gestraft würden. Deshalb ist ihr Ziel:
    "Den medizinischen Doktorgrad auf dieses Niveau zu bringen, wie es allgemein anerkannt werden kann. Und eine- auch durch viele Kriterien belegte - vergleichbare Einschätzung und Differenzierung wie andere Doktorgrade erhalten kann."
    Für die EU-weite Förderorganisation ERC ist eine Promotion aber nur dann gleichwertig, wenn sie nach dem eigentlichen Studium angefertigt wird. Das widerspricht der gängigen Praxis in Deutschland, wo Medizinstudierende in der Regel schon neben dem Studium promovieren. Krieglsteins Fazit lautet deshalb:
    "Wir müssen die wissenschaftliche Arbeit partiell zumindest nach den Studienabschluss verlegen, dort anfertigen und das muss man natürlich dann durch eine gute Kombination mit anderen Aufgaben sowie zum Beispiel mit der Weiterbildung leisten."