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Medizintechnik 2.0
Wundheilung mit kalten Plasmen

Ein sogenanntes Plasma wird auch als der vierte Aggregatszustand bezeichnet. Auf der Erde kommen natürliche Plasmen beispielsweise in Blitzen vor, künstlich erzeugte beim elektrischen Schweißen. Seit einigen Jahren können Forscher aber auch kalte Plasmen erzeugen. Für die Medizin sind diese vor allem bei der Wundheilung interessant.

Von Jochen Steiner |
    Aus einem Plasmastift dringt ein nadeldünner, blau-violett leuchtender Plasmastrahl, der auf eine Hand gehalten wird.
    Sogenannte Plasmastifte können chronische Wunden von Mikroorganismen befreien und letztendlich zur Heilung führen. (Foto: picture alliance / ZB - Stefan Sauer)
    Er sieht aus wie ein überdimensionaler Textmarker, silberfarben, und ist durch ein Kabel und einen Schlauch mit einem Kasten verbunden, der so groß ist wie ein Schuhkarton. Professor Thomas von Woedtke nimmt den Riesenstift in die Hand und drückt am Kasten einen grünen Kippschalter.
    "Und mit dem Startknopf wird der Gasfluss in Gang gesetzt. Das ist das Edelgas Argon, was hier durchströmt und man hört jetzt diesen leichten Pfeifton. Das heißt, es wird eine hochfrequente Wechselspannung in diesen Stiftkopf eingekoppelt und die führt dazu, dass aus dem Argongas ein Plasma wird."
    Die Energiezufuhr durch die Wechselspannung sorgt dafür, dass sich aus einigen Gasmolekülen Elektronen herauslösen. Das dann elektrisch geladene Argon verbindet sich an der Stiftspitze mit der Umgebungsluft und ein feiner, bläulich leuchtender Strahl strömt aus dem Stift. Ein sogenanntes kaltes Plasma, nicht wärmer als der menschliche Körper. Das Plasma ist eine Mischung unterschiedlicher Verbindungen, unter anderem sind reaktive Sauerstoff- und Stickstoff-Spezies darunter, auch UV-Strahlung ist enthalten. Das macht den Plasma-Stift ungeeignet zum Schreiben, aber interessant für die Medizin.
    "Und dieser gesamte Cocktail, vor allem ultraviolette Strahlung und diese reaktiven Spezies machen dann die biologische Wirksamkeit des Plasmas aus."
    Bereits als Medizinprodukt zugelassen
    Von Woedtke und seine Kollegen vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald haben vor ein paar Jahren einen Prototyp des Stiftes gebaut. Mittlerweile ist der Plasma-Pen als Medizinprodukt zugelassen und wird von einem Unternehmen vertrieben. Da mit Plasmen schon seit geraumer Zeit Oberflächen von störenden Mikroorganismen befreit werden, kamen Plasmamediziner auf die Idee, das auch beim Menschen zu versuchen.
    "Wir haben das Problem der chronischen Wunden, der sogenannten offenen Beine und andere chronische Wunden, die sich eben dadurch auszeichnen, dass sie eben nicht heilen. Und ein Aspekt dieser Nichtheilung ist, dass diese Wunden kontaminiert oder infiziert sind mit Mikroorganismen. Und wir konnten zeigen, oder die, die in der plasmamedizinischen Forschung tätig sind, dass wir sowohl durch den antiseptischen Effekt, also das heißt die Inaktivierung, die Abtötung der Mikroorganismen, als auch zusätzlich durch die Stimulation der Regenration dieses zerstörten oder verletzten Gewebes, eine Verbesserung, eine Unterstützung, eine Beschleunigung der Wundheilung erreichen können."
    Vormals dauerhafte Wunden verheilen oft wieder
    Je nach Größe der Wunde bewegt der Dermatologe den Plasma-Pen für einige Sekunden bis zu wenigen Minuten über die betroffene Stelle, ohne diese zu berühren. Dies Behandlung wird mehrmals pro Woche wiederholt, mehrere Wochen bis Monate lang. Einige Dermatologen setzen den Stift bereits ein, immer zusammen mit bereits etablierten Verfahren wie Wundauflagen und einer Wundreinigung. In etwa 80 Prozent der Fälle verheilten die vormals dauerhaften Wunden wieder, doch noch sind es Einzelfall-Berichte, so von Woedtke. Weitere Studien müssten folgen. Nebenwirkungen bei der Plasma-Behandlung traten bislang nicht auf. Jedoch:
    "Es gibt aufgrund des leichten UV-Anteils in dem Plasma die Möglichkeit, dass sich Erytheme bilden, also leichte Hautrötung im Sinne des Sonnenbrandes."
    Auch Professor Steffen Emmert von der Uniklinik Göttingen hält diese Plasma-Anwendungen für sicher. Der Dermatologe forscht seit acht Jahren im Bereich der Plasmamedizin. Er ist Mitautor einer Studie, die zur Zulassung eines dem Plasma-Pen sehr ähnlichen Gerätes führte. Demnach können solche Apparate, die kalte Plasmen erzeugen, die Keimzahl in einer Wunde reduzieren. Außerdem gebe es Hinweise darauf, dass die Wunde schneller heile und der Wundschmerz geringer sei.
    Aber nicht nur bei Wunden oder Hautausschlägen sehen die Mediziner Einsatzmöglichkeiten. Bei der Krebsbehandlung etwa könnte nach einer Tumorentfernung das umliegende Gewebe von zurückgebliebenen Krebszellen befreit werden. In der Petrischale funktioniere das bereits, so Thomas von Woedtke, aber hier sei die Forschung noch am Anfang. Und in der Zahnmedizin könnten Plasmen bei Entzündung helfen oder bei Wurzelbehandlungen eine desinfizierende Wirkung entfalten.