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Medizintechnik
Herz schlägt Strom für Schrittmacher

Etwa zehn Jahre nach dem Einsetzen eines Herzschrittmachers müssen die Patienten erneut operiert werden. Grund: Die Batterie ist erschöpft. US-Forscher berichten nun, wie sie Schrittmacher mit der Kraft des Herzens selbst antreiben wollen.

Von Volkart Wildermuth | 21.01.2014
    Das anatomische Modell eines menschlichen Herzens.
    Das Ziel der Wissenschaftler: die kontinuierliche Bewegung des Herzens nutzen, um Energie für den Schrittmacher zu erzeugen. (dpa / Emily Wabitsch)
    Eigentlich ist der Austausch eines Schrittmachers kein Problem, eine Routineoperation unter lokaler Betäubung. Aber bei etwa einem Prozent der Patienten entwickelt sich danach eine Infektion, berichtet Oberarzt Dr. Björn Peters vom Deutschen Herzzentrum Berlin.
    "Dann muss man in der Regel nicht nur den Schrittmacher, sondern alle Kabel auch herausziehen und das ist bei Patienten, die solche Schrittmacher relativ lange haben, doch ein richtig großes Problem."
    Kein Wunder, dass viele Forscher nach alternativen Energiequellen zu konventionellen Batterien suchen. In den 70ern wurden sogar Plutoniumbatterien implantiert, die jahrzehntelang Energie durch radioaktiven Zerfall liefern können. Einige laufen noch heute, aber das Verfahren hat sich nicht durchgesetzt. Und Methoden, bei denen Temperaturunterschiede oder die chemische Energie des Blutzuckers genutzt werden, sind über das Versuchsstadium nicht hinausgekommen. Der Materialforscher Prof. John Rogers von der Universität von Illinois verfolgt einen anderen Ansatz.
    "Wir wollen die mechanische Energie in der kontinuierlichen Bewegung von Organen wie der Lunge, dem Zwerchfell oder dem Herzen nutzen."
    Es gibt sogenannte keramische Piezoelemente, die eine mechanische Verformung in elektrische Spannung umwandeln. Sie sind aber meist starr und brüchig, wenig geeignet für den Einsatz im Körper.
    "Es ist uns gelungen, die Piezoelemente als ultradünne Schicht von einem starren Grundkörper abzuschälen und dann auf einen Film zu übertragen, ohne sie zu zersplittern oder sonst zu beeinträchtigen. Das war schon eine echte Herausforderung in der Materialbearbeitung."
    Das Piezoelement hat John Rogers zusammen mit einem Gleichrichter und einer winzigen Batterie in einen biokompatiblen Plastikfilm eingebettet. Dieser Film muss extrem flexibel sein, denn das Herz ist eine sehr empfindliche Energiequelle.
    "Das Herz schlägt sehr regelmäßig. Aber wenn man zu viel Druck auf seine Oberfläche ausübt, dann löst das irreguläre Herzschläge aus."
    Also genau das Problem, dass ein Herzschrittmacher beheben soll. Um seinen Energieumwandler zu testen, hat sich John Rogers an Herzchirurgen aus Arizona gewandt. Sie haben die dünnen Filme mit ein paar Stichen an die Lungen, Zwerchfelle und Herzen von Kühen, Schweinen und Schafen genäht. Erstes Ergebnis: Der Film bewegt sich mit dem Herzschlag mit, ohne ihn zu stören. Ergebnis Nummer zwei: Je nach Position und Orientierung auf dem Herzen entsteht unterschiedlich viel elektrische Energie.
    "Wir können Energie im Mikrowatt-Bereich erzeugen. Das reicht aus um moderne, energieeffiziente Schrittmacher zu betreiben."
    Damit ist klar: Im Prinzip ist es möglich, die Energie des Herzens selbst zu nutzen, um einen Schrittmacher zu betreiben. Zumindest für ein paar Stunden. Die Laborexperimente weisen darauf hin, dass die dünnen Filme auch über Jahre eine Batterie aufladen könnten. Das müssen im nächsten Schritt aber auch langfristige Tierversuche bestätigen. In Berlin ist Björn Peters gespannt auf die Ergebnisse. Er erinnert aber an einen indirekten Vorteil des Batteriewechsels: die Patienten erhalten dabei alle zehn Jahre die jeweils modernste Gerätegeneration.
    "Früher waren Schrittmacher ganz einfache Taktgeber, heutzutage sind das kleine Minicomputer, die ganz viele neue Funktionen haben, und natürlich würden die Patientin, die solche Schrittmacher für ein Leben implantiert bekommen, von zukünftigen technologischen Entwicklung nicht mehr profitieren können."