Archiv

Mego
Mehr als nur ein Laptop-Label

Es gehört zu den größten und einflussreichsten Labels für aktuelle elektronische Sounds: Dieses Jahr feiert das österreichische Label Mego seinen 20. Geburtstag. Wir gehen auf eine musikalische Zeitreise und blicken auf schwierige, seltsame, aber auch eingängige Abenteuer von Mego zurück.

Von Raphael Smarzoch | 19.10.2015
    Ein DJ an einem Mischpult in einem Club.
    Das österreichische Label Mego wird in diesem Jahr 20 Jahre alt. (picture alliance / dpa / Franco Bianco)
    "Wir haben alle in der lokalen Techno-Szene angefangen, die uns sehr genervt hat. Wir wollten etwas Anderes machen. Und es gab keine Plattform dafür. Also riefen wir unser eigenes Label ins Leben", sagt Peter Rehberg.
    Das war 1995. Zusammen mit Ramon Bauer und Andi Pieper gründet Peter Rehberg in Wien das Label Mego. Die erste Veröffentlichung: die "Fridge Tracks", elektronisch manipulierte Aufnahmen von Kühlschränken.
    "Die akademisch experimentelle Musik nimmt sich viel zu ernst. Das macht sie langweilig. Wir mögen experimentelle Musik, haben aber keinen akademischen Background, obwohl wir akademische Konzepte durchaus verstehen. Wir haben nicht absichtlich versucht, lustig zu sein. Es ist aber wichtig, seinen Humor nicht zu verlieren, ansonsten wird man prätentiös."
    Label vereint unterschiedliche Genres
    Diese Haltung kultiviert Peter Rehberg auch heute noch. Das zeigt sich in seiner kuratorischen Tätigkeit: Mego setzt nicht auf einen ganz bestimmten Sound, sondern steht für eine Vielzahl unterschiedlicher Klänge, Herangehensweisen und Konzepte. Das Label vereint Lärm-Experimente mit Popnummern, Hochglanz-Elektronik mit Lo-Fi-Tüfteleien, Analoges und Digitales. Zu den Verkaufsschlagern zählt das 2001 veröffentlichte Album "Endless Summer" von Christian Fennesz.
    Romantische Sehnsuchtselektronik, die auch heute noch immer nachgeahmt wird. Eine musikalische Pionierarbeit, zu der auch Peter Rehbergs Album "Get Out" zählt, das er unter dem Pseudonym Pita einspielte.
    Entstanden sind beide Alben auf einem Laptop. Heutzutage ist das nichts Besonderes mehr. Doch damals begannen die mobilen Rechenkisten immer populärer zu werden. Ein Paradigmenwechsel setzte ein: weg von großen Audiosystemen hin zu kleinen Programmen, mit denen sich sehr komplexe Eingriffe realisieren ließen. Musiksoftware wurde entwickelt, die es erlaubte, komplizierte Klangbearbeitungen vorzunehmen, Klänge in Echtzeit zu manipulieren oder mit elektronischen Sounds zu improvisieren.
    "Als wir anfingen, Konzerte mit Laptops zu spielen, ist das einfach so passiert. Wir haben uns nicht überlegt, die Welt mit unseren Laptops zu erobern. Diese Werkzeuge waren verfügbar, sie waren verhältnismäßig bezahlbar und wurden sehr leistungsfähig, sodass man mit ihnen mehr Sachen machen konnte."
    Pionier auf digitalen Vertriebswegen
    Von einem Laptop-Sound möchte Peter Rehberg trotzdem nicht sprechen. Er hört es auch nicht gerne, wenn Mego als Laptop-Label bezeichnet wird. Dass es eine Affinität für die neuen Medien der 90er Jahre gegeben hat, zeigt sich aber nicht nur in der Produktionsweise der Musik. Mego war eines der ersten Labels, das digitale Vertriebswege und elektronisches Netzwerkdenken zum festen Bestandteil seiner Arbeit machte und sich damit ein internationales Renommee aufbaute.
    Mittlerweile ist Mego zu einem großen Archiv avanciert, das aus unterschiedlichen Sublabels besteht, sogenannten Editionen, deswegen auch die Namensänderung in Editions Mego. Sie werden von anderen Musikern kuratiert, etwa dem Elektroniker John Elliot, der unter der Rubrik Spectrum Spools, Synthesizer-Experimente zusammenstellt. Die Recollection GRM Reihe versammelt vergriffene historische Aufnahmen aus den berühmten Pariser GRM-Klanglaboren. Klassiker der Avantgarde treffen auf zeitgenössische musikalische Entwürfe. Vielleicht liegt in dieser Gegenüberstellung das Geheimnis von Mego: eine Verschmelzung von Tradition und Zukunftsforschung, die aktuelle Trends ignoriert und mit jeder Veröffentlichung ein neues musikalisches Abenteuer verspricht.