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Missbrauch im Erzbistum Freiburg
Mehr als 250 Priester könnten Täter sein – Vorwürfe gegen früheren Erzbischof Zollitsch

Der Bericht über sexuellen Missbrauch im Erzbistum Freiburg belastet den früheren Erzbischof Zollitsch. Der Vorwurf: Verschleierung und Vertuschung. Zudem ist sowohl die Zahl der Opfer, als auch die der Täter größer als ursprünglich gedacht.

    Der Co-Autor des Berichts der Aufarbeitungskommission, Eugen Endress, spricht bei einer Pressekonferenz der Erzdiözese Freiburg zum Umgang mit Missbrauch.
    Im Erzbistum Freiburg wurden mehr sexuelle Übergriffe vertuscht als bisher angenommen. (picture alliance / dpa / Silas Stein)
    Die Autoren des Berichts einer Aufarbeitungskommission, die Juristen Endress und Villwock, warfen Zollitsch Versagen vor. Das sei bis hin zum bewussten Verschleiern und Vertuschen gegangen, sagten sie in Freiburg. Zollitsch habe während seiner Amtszeit das Kirchenrecht komplett ignoriert. Auf eigentlich verpflichtende Meldungen von Missbrauchsfällen nach Rom habe Zollitsch komplett verzichtet. Ähnlich schweres Versagen legen sie auch dessen Vorgänger Saier zu Last.
    Zollitsch, der frühere Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, hatte bereits schwerwiegende Fehler und persönliche Schuld eingeräumt. Nach Angaben eines Sprechers will er sich zum Abschlussbericht nicht äußern. Der Freiburger Erzbischof Burger zeigte sich erschüttert. Das Versagen seiner Vorgänger mache ihn fassungslos. Der Vatikan müsse kirchenrechtliche Schritte gegen Zollitsch prüfen, so Burger.

    "Vertuschung und Missbrauch"

    Dem Bericht zufolge sind im Erzbistum Freiburg mehr Menschen von sexuellem Missbrauch durch Geistliche betroffen als bisher offiziell bekannt. Es werde nun von 540 Betroffenen ausgegangen, sagte der Vorsitzende der Aufarbeitungskommission, Striet, in Freiburg. Das sind rund hundert mehr als bisher bekannt. Es gebe zudem mehr als 250 beschuldigte Kleriker. Bisher war von 190 Beschuldigten die Rede.
    Die Kommission legte ihren Bericht über sexuellen Missbrauch im Erzbistum heute vor. Die Untersuchung einer unabhängigen Arbeitsgruppe soll aufzeigen, wie Vertuschung und Missbrauch in dem Erzbistum möglich waren. Dafür werden 24 Fälle beispielhaft dargestellt. Die sogenannte AG Aktenanalyse mit vier externen Fachleuten aus Justiz und Kriminalpolizei arbeitet seit 2019.

    Betroffenenbeirat: Täter wurden systematisch geschützt

    Der Bericht löste beim Betroffenenbeirat Entsetzen aus. Die Untersuchung dokumentiere schwarz auf weiß, dass der Kirche missbrauchte Kinder und verletzte Kinderseelen über Jahrzehnte gleichgültig gewesen sein, teilte der Beirat des Erzbistums in einer Stellungnahme mit. Dagegen seien die Täter grausamster Verbrechen systematisch geschützt worden. Der Betroffenenbeirat forderte die Kirche auf, positive Darstellungen zum Lebenswerk des belasteten früheren Erzbischofs Zollitsch zu unterlassen.

    Forensiker: Aufarbeitung durch Staat nötig

    Mit Blick auf das Thema Missbrauch in den Kirchen kritisierte der Forensiker Harald Dreßing im Deutschlandfunk die Aufarbeitung im Allgemeinen: Alle Aktivitäten der katholischen Kirche nach Veröffentlichung der MHG-Studie zur sexuellen Gewalt an Kindern seien unzureichend.
    Die MHG-Studie entstand an den Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen und trägt den Titel: "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz". Dreßing forderte stattdessen: Nötig sei eine Aufarbeitung durch den Staat.
    Diese Nachricht wurde am 18.04.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.