Die Meldung kam am Freitag Morgen: US-Spezialeinheiten haben den jemenitischen Al-Kaida-Prediger Anwar al-Aulaqi im Jemen getötet. Noch am Tag zuvor hatte Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh in einem Interview gewarnt: Wenn er sich zurückziehe, werde das Terrornetzwerk Al Kaida an seine Stelle treten. Wird der Tod Aulaqis Saleh stärken, weil er sich dem Westen gegenüber als Stabilitätsfaktor präsentieren kann? Die Menschen im Jemen scheinen solche Spekulationen wenig zu interessieren.
Hunderttausende gingen gestern in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa wieder auf die Straße. Seit mehr als drei Jahrzehnten lenkt Saleh die Geschicke des Landes, seit acht Monaten fordern Menschen seinen Rücktritt. Yehia al-Matari war in Sanaa mit dabei:
"Wir wollen raus aus der Unterdrückung, aus der Ungerechtigkeit und aus der Diktatur. Jeder soll wissen, dass es kein Zurück gibt. Entweder wir siegen oder wir sterben als Märtyrer."
Seit einem Anschlag auf seinen Regierungssitz in Sanaa im Mai, bei dem Saleh schwer verletzt wurde, ließ der Präsident sich in Saudi-Arabien behandeln. Seit seiner Rückkehr am vergangenen Wochenende fordern sogar täglich Demonstranten auf den Straßen von Sanaa, Taiz und anderen Städten seinen Rücktritt.
Freiheit, Freiheit, rufen diese Frauen und lassen sich auch nicht dadurch abschrecken, dass Salehs Sicherheitskräfte brutal gegen Demonstranten vorgehen. Shafiga Said, Mitglied des oppositionellen Nationalrats, ist in erster Reihe dabei.
"Wir haben genug von diesem Präsidenten, von seinen Entscheidungen, von seinen Lügen. Das ist jetzt eine Revolution des Volkes, eine Revolution der Jugend, eine friedliche Revolution, und sie wird friedlich bleiben, bis dieser Präsident endlich weg ist."
Für Präsident Saleh werden die Demonstranten nur von Kräften missbraucht, die den Jemen destabilisieren wollen: Terroristen, Stammesführer, ausländische Agenten. In einer Fernsehansprache nach seiner Rückkehr aus Saudi-Arabien lud er wie schon so oft in den vergangenen Monaten die Opposition zu Gesprächen über einen friedlichen Übergang ein.
"Die jemenitische Verfassung garantiert allen Bürger das Recht, zu demonstrieren, aber friedlich und nicht mit Gewalt und Terrorismus wie bei dem Anschlag auf den Präsidentenpalast und bei Angriffen auf unsere Garnisonen. Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Lasst uns reden, ohne Blut zu vergießen."
Die Realität sieht anders aus. Allein in den vergangenen zwei Wochen wurden landesweit mehr als 170 Demonstranten getötet. Die Lippenbekenntnisse ihres Präsidenten prallen an den Menschen ab. Ihre Reaktion auf Salehs Fernsehansprache ist eindeutig.
"Ali Abdullah Saaleh hat in seiner Rede nichts Neues gebracht, wir hören nur Versprechungen und Drohungen. Er spricht von Wahlen und einer friedlichen Übergabe der Macht, aber er hat das Volk 33 Jahre lang um die Macht betrogen."
Dabei liegen seit Monaten Kompromissvorschläge auf dem Tisch. Der Golfkooperationsrat, in dem neben dem Jemen auch Länder wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate vertreten sind, hat einen detaillierten Plan zur friedlichen Beilegung des Konflikts vorgelegt. Danach soll eine Regierung der Nationalen Einheit unter Führung der Opposition gebildet werden. Saleh soll die Macht an seinen Vizepräsidenten abgeben. 60 Tage nach Salehs Rücktritt sollen Neuwahlen stattfinden. Anfang Mai waren in der saudischen Hauptstadt Riad sogar schon die Feierlichkeiten für die Unterzeichnung der Initiative vorbereitet, als Saaleh seine Unterschrift im letzten Moment verweigerte.
Auch internationaler Druck aus den USA und von der Europäischen Union scheinen Saleh nicht zum Einlenken bringen zu können.
Auf die Frage, was die jemenitische Revolution von anderen in der arabischen Welt unterscheidet, verweist der jemenitische Blogger Bassem Sabry auf die besondere Geschichte des Landes. Inzwischen würden regierungsfeindliche Stämme und politische Parteien im Land den Aufstand nutzen, um ihre eigenen Interessen gegen Präsident Saleh durchzusetzen. Bassem Sabry:
"Ein bemerkenswertes Kennzeichen der jemenitischen Revolution ist, dass die politische Opposition gegen Saleh die Kontrolle über die Proteste gewonnen hat oder zumindest sie maßgeblich beeinflusst. Es ist also keine weitgehend führerlose Revolution gegen ein Regime, sondern es wird mehr und mehr zu einem Kampf von unterschiedlichen Fraktionen, von zwei verfeindeten politischen Kräften."
Schon vor Beginn der Proteste galt der Jemen als Kandidat für einen "fallen state”, einen nichtregierbaren Staat. Die Zentralregierung hatte nur die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa und einige wenige Regionen des Landes, während andere Regionen von Stämmen und zum Teil auch von Kämpfern der so genannten "Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel" kontrolliert wurden. So verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Stammesauseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen einerseits und gewaltsamen Konflikten bei Demonstrationen.
Der jemenitische Arzt und Blogger Hamza al-Shargabi hält diese Unübersichtlichkeit und nicht zuletzt die Fixierung der öffentlichen Wahrnehmung des Jemen auf den Zusammenhang mit dem Terrorismus für den Grund, warum der ausländische Druck auf Präsident Saleh bisher eher zurückhaltend ausfällt.
"Jemen ist nur der Hinterhof Saudi-Arabiens, ein Nest für Terroristen, von wo aus Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel die Welt in Angst und Schrecken versetzt und um sich bombt. Das ist absurd! Und niemand will wirklich hinhören, darüber hinaus gehen oder hinaus sehen. Niemand diskutiert über den Jemen als Land an sich, sondern immer nur im Zusammenhang von Antiterroraktivitäten."
Linktipp:
Der arabische Aufstand - Sammelportal
Hunderttausende gingen gestern in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa wieder auf die Straße. Seit mehr als drei Jahrzehnten lenkt Saleh die Geschicke des Landes, seit acht Monaten fordern Menschen seinen Rücktritt. Yehia al-Matari war in Sanaa mit dabei:
"Wir wollen raus aus der Unterdrückung, aus der Ungerechtigkeit und aus der Diktatur. Jeder soll wissen, dass es kein Zurück gibt. Entweder wir siegen oder wir sterben als Märtyrer."
Seit einem Anschlag auf seinen Regierungssitz in Sanaa im Mai, bei dem Saleh schwer verletzt wurde, ließ der Präsident sich in Saudi-Arabien behandeln. Seit seiner Rückkehr am vergangenen Wochenende fordern sogar täglich Demonstranten auf den Straßen von Sanaa, Taiz und anderen Städten seinen Rücktritt.
Freiheit, Freiheit, rufen diese Frauen und lassen sich auch nicht dadurch abschrecken, dass Salehs Sicherheitskräfte brutal gegen Demonstranten vorgehen. Shafiga Said, Mitglied des oppositionellen Nationalrats, ist in erster Reihe dabei.
"Wir haben genug von diesem Präsidenten, von seinen Entscheidungen, von seinen Lügen. Das ist jetzt eine Revolution des Volkes, eine Revolution der Jugend, eine friedliche Revolution, und sie wird friedlich bleiben, bis dieser Präsident endlich weg ist."
Für Präsident Saleh werden die Demonstranten nur von Kräften missbraucht, die den Jemen destabilisieren wollen: Terroristen, Stammesführer, ausländische Agenten. In einer Fernsehansprache nach seiner Rückkehr aus Saudi-Arabien lud er wie schon so oft in den vergangenen Monaten die Opposition zu Gesprächen über einen friedlichen Übergang ein.
"Die jemenitische Verfassung garantiert allen Bürger das Recht, zu demonstrieren, aber friedlich und nicht mit Gewalt und Terrorismus wie bei dem Anschlag auf den Präsidentenpalast und bei Angriffen auf unsere Garnisonen. Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Lasst uns reden, ohne Blut zu vergießen."
Die Realität sieht anders aus. Allein in den vergangenen zwei Wochen wurden landesweit mehr als 170 Demonstranten getötet. Die Lippenbekenntnisse ihres Präsidenten prallen an den Menschen ab. Ihre Reaktion auf Salehs Fernsehansprache ist eindeutig.
"Ali Abdullah Saaleh hat in seiner Rede nichts Neues gebracht, wir hören nur Versprechungen und Drohungen. Er spricht von Wahlen und einer friedlichen Übergabe der Macht, aber er hat das Volk 33 Jahre lang um die Macht betrogen."
Dabei liegen seit Monaten Kompromissvorschläge auf dem Tisch. Der Golfkooperationsrat, in dem neben dem Jemen auch Länder wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate vertreten sind, hat einen detaillierten Plan zur friedlichen Beilegung des Konflikts vorgelegt. Danach soll eine Regierung der Nationalen Einheit unter Führung der Opposition gebildet werden. Saleh soll die Macht an seinen Vizepräsidenten abgeben. 60 Tage nach Salehs Rücktritt sollen Neuwahlen stattfinden. Anfang Mai waren in der saudischen Hauptstadt Riad sogar schon die Feierlichkeiten für die Unterzeichnung der Initiative vorbereitet, als Saaleh seine Unterschrift im letzten Moment verweigerte.
Auch internationaler Druck aus den USA und von der Europäischen Union scheinen Saleh nicht zum Einlenken bringen zu können.
Auf die Frage, was die jemenitische Revolution von anderen in der arabischen Welt unterscheidet, verweist der jemenitische Blogger Bassem Sabry auf die besondere Geschichte des Landes. Inzwischen würden regierungsfeindliche Stämme und politische Parteien im Land den Aufstand nutzen, um ihre eigenen Interessen gegen Präsident Saleh durchzusetzen. Bassem Sabry:
"Ein bemerkenswertes Kennzeichen der jemenitischen Revolution ist, dass die politische Opposition gegen Saleh die Kontrolle über die Proteste gewonnen hat oder zumindest sie maßgeblich beeinflusst. Es ist also keine weitgehend führerlose Revolution gegen ein Regime, sondern es wird mehr und mehr zu einem Kampf von unterschiedlichen Fraktionen, von zwei verfeindeten politischen Kräften."
Schon vor Beginn der Proteste galt der Jemen als Kandidat für einen "fallen state”, einen nichtregierbaren Staat. Die Zentralregierung hatte nur die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa und einige wenige Regionen des Landes, während andere Regionen von Stämmen und zum Teil auch von Kämpfern der so genannten "Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel" kontrolliert wurden. So verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Stammesauseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen einerseits und gewaltsamen Konflikten bei Demonstrationen.
Der jemenitische Arzt und Blogger Hamza al-Shargabi hält diese Unübersichtlichkeit und nicht zuletzt die Fixierung der öffentlichen Wahrnehmung des Jemen auf den Zusammenhang mit dem Terrorismus für den Grund, warum der ausländische Druck auf Präsident Saleh bisher eher zurückhaltend ausfällt.
"Jemen ist nur der Hinterhof Saudi-Arabiens, ein Nest für Terroristen, von wo aus Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel die Welt in Angst und Schrecken versetzt und um sich bombt. Das ist absurd! Und niemand will wirklich hinhören, darüber hinaus gehen oder hinaus sehen. Niemand diskutiert über den Jemen als Land an sich, sondern immer nur im Zusammenhang von Antiterroraktivitäten."
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