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Mehr als nur Nachhilfe

Englisch-Nachhilfe für die 17-jährige Hades Wadi und ihre 16-jährige Freundin Sneshana Konz bei Elisabeth Sigmund-Wilson. Die 66-Jährige ist seit zwei Jahren Rentnerin, aber Ruhestand ist für sie nicht gleichbedeutend mit Nichtstun. Trotz zahlreicher Hobbys hat sie nach einer Aufgabe gesucht - und wurde schnell fündig. Beim Fürther Zentrum Aktiver Bürger ist sie Bildungspatin: eine ehrenamtliche Helferin, die sich um die schulische oder berufliche Entwicklung junger Menschen kümmert. Etwa 20 Stunden im Monat bringt sie dafür auf - und das tut sie gerne.

Von Oliver Tubenauer | 14.07.2007
    "Ich denke, da ist so viel Potenzial in diesen Mädchen - es ist Wahnsinn, ich bin begeistert. Wenn's immer heißt, oh, Ausland, Iran, Irak - es ist hervorragend, wie diese Kinder oder Jugendlichen sich engagieren, wie die lernen wollen, wie die vorwärts kommen wollen, und das macht mir einfach Spaß, denen dabei zu helfen. Und Englisch kann ich halt gut und da hat sich das so ergeben."

    Den Großteil ihres Lebens hatte Elisabeth Sigmund-Wilson mit der englischen Sprache zu tun. Mit 19 ging sie als Au-Pair-Mädchen nach England, später arbeitete sie in Fürth für die US-Armee, heiratete einen Amerikaner und war schließlich bei Grundig für den Außenhandel zuständig. Dabei wollte sie ursprünglich Lehrerin werden. Als Bildungspatin kann sie das zum Teil nachholen, doch es ist nicht ihr Hauptmotiv. Vielmehr weiß sie aus eigener Erfahrung, wie schwer man es als junger Mensch haben kann, wenn man im Ausland lebt und die Sprache nicht beherrscht.

    Für diese persönliche Erfahrung hat der Koordinator des Bildungspaten-Projekts Jochen Sahr konkrete Zahlen aus Fürth:

    "Es ist leider so, dass Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor die Personengruppe ist, die im Bildungssystem am schlechtesten dasteht. Ich hatte mir vor kurzem für eine Fachtagung die aktuellen Zahlen geholt, und ich fand es dann erschreckend zu sehen, dass nur 5,9 Prozent der ausländischen Schüler einen mittleren Bildungsabschluss oder Abitur haben. Das heißt 94 Prozent haben den Hauptschulabschluss - maximal. Und wie es danach mit der Ausbildungssituation aussieht, haben wir in den vergangenen Jahren leider leidvoll erfahren müssen."

    Hades und Sneshana wollen zur Verbesserung dieser Statistik beitragen. Hades wurde im Iran geboren, kam mit sechs Jahren nach Deutschland - Sneshanas Mutter ist Russin. Die beiden wollen zunächst den Qualifizierenden Hauptschulabschluss erreichen und dann weiterführende Schulen besuchen. - Hades hat zwar noch kein konkretes Bildungsziel, aber sie hat sich schon mal gute Voraussetzungen geschaffen - denn ihre Noten haben sich deutlich verbessert:

    " Äh, jetzt gut, jetzt passt es eigentlich. Aber damals war ich sehr unzufrieden. Aber jetzt bin ich stolz auf mich. Ich möchte meine Mittlere Reife erwerben und dann mal weiterschauen. Ich bin mir nicht sicher. Also meine Mama möchte, dass ich auf die Fachhochschule gehe. Ich möchte es eigentlich auch. Aber in zwei Jahren, vielleicht denke ich da anders." "

    Bildungspate zu sein bedeutet aber nicht zwangsläufig, Nachhilfeunterricht zu geben. Die Paten leisten in unterschiedlichen Situationen Unterstützung. Beim Verfassen von Bewerbungen zum Beispiel, bei Behördengängen oder bei Fahrten zu Vorstellungsgesprächen. Auch Elisabeth Sigmund Wilson kümmert sich nicht nur um Schüler. Zu ihren Schützlingen zählt auch die 25-jährige Julia Ponomarewa. Sie ist nach Deutschland gekommen, weil ihr Mann hier als Maschinenbauingenieur arbeitet. Sie selbst war zur Untätigkeit verdammt - denn ihr russischer Universitätsabschluss wurde nicht anerkannt. Elisabeth Sigmund-Wilson half ihr zunächst ihr Deutsch zu verbessern. Und jetzt hat sie Julia eine Praktikumsstelle in ihrer alten Firma verschafft:

    "Es war so, nachdem ich meinen Integrationskurs beendet habe, konnte ich überhaupt keine Beschäftigung für mich finden. Und das war so schade, alles was ich gelernt hatte, zu verlieren. Und ich hatte so viel Freizeit, in der ich überhaupt nichts gemacht habe. Und ich konnte auch nichts machen. Dann habe ich Frau Wilson gebeten, mir zu helfen, nachdem wir schon viel, viel gemacht haben, haben wir endlich diesen Platz hier gefunden. Und seit einer Woche bin ich schon hier."

    Julia Ponomarewa will zum Wintersemester noch einmal Betriebswirtschaft studieren. Dieses Mal in Deutschland. Noch hofft sie, dass zumindest ein Teil ihres russischen Studiums doch noch anerkannt wird. Elisabeth Sigmund-Wilson wird sie bei den Gesprächen mit den Prüfungsämtern begleiten.