"Wer überzieht die Suppenlöffel mit kostbarem Pelzwerk? Das Meretlein", schreibt Max Ernst über eines von Meret Oppenheims Objekten. Max Ernst spielt hier auf Oppenheims Vornamen an. Sie verdankt ihn einer Figur in Gottfried Kellers "Grünem Heinrich", dem "Meretlein", einem eigenwilligen, der Natur verbundenen kleinen Mädchen, das als Hexe verteufelt und von bösen Erziehern zu Tode gequält wurde. Ganz so schlimm ist es Meret Oppenheim nun wirklich nicht ergangen, wenn sie auch - trotz oder wegen des raschen Ruhms ihres Objektes "Das Frühstück in Pelz" nach ihrer Zeit mit den Surrealisten in Paris einer langjährigen Melancholie und Schaffenskrise verfallen war. Sie war klug genug, so Werner Spies im Katalog zu Meret Oppenheims "Retrospektive", nach ihrem großen Erfolg mit "Das Frühstück in Pelz", der zu einer Ikone des Surrealismus' gewordenen Felltasse, "die Welt nicht mit Pelz zu überziehen".
Maßgeblich für die durchschlagende Wirkung der mit Fell bezogenen Tasse waren verschiedene Momente. Sie irritierte durch ihre widersprüchliche Botschaft: ein Gebrauchsgegenstand, die Tasse, die hygienischen Anforderungen Rechnung tragen soll, wird mit einem "wilden" Accessoire, dem Fell einer chinesischen Gazelle überzogen. In einer bedeutenden surrealistischen Ausstellung in New York wird sie präsentiert. Das "wilde Gedeck" wird von den Kritikern, geschult an den Vorlieben der Surrealisten, mit seinem Pelzwerk sofort in einem erotischen Kontext lokalisiert, zumal noch, da es sich bei der Künstlerin um eine schöne junge Frau handelt. Werner Spies, der selbst beim Anblick des Objekts "einen pelzigen Geschmack im Kopf und Mund" zu spüren vermeint, betont die Einzigartigkeit der Geste. "Das Frühstück in Pelz" sei jenseits aller seriellen Programmatik zu sehen: Mit seiner Absage an den profanen Gebrauch steht die Tasse in schroffem Gegensatz zum Formbegriff des Bauhauses, der auf Funktionalität Wert legt. Oppenheim, mehrfach um ein Multiple der Tasse gebeten, hat dies stets verweigert und stattdessen ein ironisches "Souvenir" des "Frühstücks" produziert: eine Collage auf Papier, bestehend aus einem mit Brokat und Fellimitation beklebten Andenkenbildchen, das eine Tasse zeigt.
Meret Oppenheim, die Zeit ihres Lebens ihre intellektuelle und künstlerische Unabhängigkeit gegenüber ihren frühen surrealistischen Weggefährten betonte, hat ein vielfältiges Werk hinterlassen. Metamorphosen, Verkleidungen, Maskeraden sind es, die sie interessieren, und sie erfindet mitunter wunderbare, vor Witz sprühende und zu Spekulationen anregende Titel für ihre Objekte und Gemälde. Da gibt es des "Malers Znüni", eine gemalte Scheibe Brot, die, als wären es Senf oder Ketchup, mit wie aus der Tube gedrückten Ölfarbensträngen bestückt ist, oder "Eine Minute ohne Gefahr", eine "Holzhexe, ein Auge offen, das andere zu", einen "Striptease am Waldesrand", "Maskierte Blumen" oder eine Tuschzeichnung, betitelt "Ach schlecht, ich esse Kummer aus Büchsen". Wiederkehrend sind Tiermotive, besonders Schmetterlinge und Schlangen. Aber auch Wolken und Nebel oder Architektonisches wie die Säule sind in ihrem Werk zu finden und immer wieder kommt es zu einer Begegnung von geometrischen Formen mit Naturphänomenen.
Schon früh hat Meret Oppenheim ein Traumtagebuch geführt, einiges fließt - transformiert zu fremdartigen Denkbildern - in ihre Gemälde und Objekte ein, erscheint in der ästhetischen und gedanklichen Übersetzung. Im Katalog, der neben Essays eine umfangreiche Dokumentation enthält, die Werkgruppen und wiederkehrende Motive beschreibt, wird manchmal in den beigesellten Bildbeschreibungen hin und wieder allzu "symbolisch" gedeutet. Oppenheim war zwar eine interessierte Leserin der C. G. Jungschen Tiefenpsychologie, aber wollte keineswegs ihre Werke als eine Bebilderung Jungscher Theorien gelesen wissen.
Oppenheim entzieht sich konsequent den Zuordnungen, wie ein wieder abgedrucktes Interview mit Valie Export aus den 70er Jahren zeigt: "Sie verwenden viel Holz, Metall, Muscheln, Stein für Ihre Objekte - warum, glauben Sie, gerade diese Materialien? Was macht sie für Ihre Arbeit brauchbar?" wird Oppenheim gefragt und sie antwortet: "Ich liebe die natürlichen Materialien. Aber alles was der Mensch macht, ist Natur, auch Plastik, auch die Atombombe." Provokativ wie diese Sicht auf die Natur hat wohl seinerzeit auch der Berner Brunnen auf die Einwohner gewirkt "Der Brunnen könnte auf einem der nächtlichen Plätze Kafkas stehen", beschreibt Matthias Frehner, der heutige Leiter des Berner Kunstmuseums die tiefgreifende, ästhetische Irritation, die Oppenheims Werk auch noch Ende des Jahrhunderts auszulösen vermochte.
Meret Oppenheim: Retrospektive. "mit ganz enorm wenig viel" Hrsg. v. Therese Bhattacharya-Stettler und Matthias Frehner. Hatje cantz. 39.80 Euro 360 S., 312 Abb.
Maßgeblich für die durchschlagende Wirkung der mit Fell bezogenen Tasse waren verschiedene Momente. Sie irritierte durch ihre widersprüchliche Botschaft: ein Gebrauchsgegenstand, die Tasse, die hygienischen Anforderungen Rechnung tragen soll, wird mit einem "wilden" Accessoire, dem Fell einer chinesischen Gazelle überzogen. In einer bedeutenden surrealistischen Ausstellung in New York wird sie präsentiert. Das "wilde Gedeck" wird von den Kritikern, geschult an den Vorlieben der Surrealisten, mit seinem Pelzwerk sofort in einem erotischen Kontext lokalisiert, zumal noch, da es sich bei der Künstlerin um eine schöne junge Frau handelt. Werner Spies, der selbst beim Anblick des Objekts "einen pelzigen Geschmack im Kopf und Mund" zu spüren vermeint, betont die Einzigartigkeit der Geste. "Das Frühstück in Pelz" sei jenseits aller seriellen Programmatik zu sehen: Mit seiner Absage an den profanen Gebrauch steht die Tasse in schroffem Gegensatz zum Formbegriff des Bauhauses, der auf Funktionalität Wert legt. Oppenheim, mehrfach um ein Multiple der Tasse gebeten, hat dies stets verweigert und stattdessen ein ironisches "Souvenir" des "Frühstücks" produziert: eine Collage auf Papier, bestehend aus einem mit Brokat und Fellimitation beklebten Andenkenbildchen, das eine Tasse zeigt.
Meret Oppenheim, die Zeit ihres Lebens ihre intellektuelle und künstlerische Unabhängigkeit gegenüber ihren frühen surrealistischen Weggefährten betonte, hat ein vielfältiges Werk hinterlassen. Metamorphosen, Verkleidungen, Maskeraden sind es, die sie interessieren, und sie erfindet mitunter wunderbare, vor Witz sprühende und zu Spekulationen anregende Titel für ihre Objekte und Gemälde. Da gibt es des "Malers Znüni", eine gemalte Scheibe Brot, die, als wären es Senf oder Ketchup, mit wie aus der Tube gedrückten Ölfarbensträngen bestückt ist, oder "Eine Minute ohne Gefahr", eine "Holzhexe, ein Auge offen, das andere zu", einen "Striptease am Waldesrand", "Maskierte Blumen" oder eine Tuschzeichnung, betitelt "Ach schlecht, ich esse Kummer aus Büchsen". Wiederkehrend sind Tiermotive, besonders Schmetterlinge und Schlangen. Aber auch Wolken und Nebel oder Architektonisches wie die Säule sind in ihrem Werk zu finden und immer wieder kommt es zu einer Begegnung von geometrischen Formen mit Naturphänomenen.
Schon früh hat Meret Oppenheim ein Traumtagebuch geführt, einiges fließt - transformiert zu fremdartigen Denkbildern - in ihre Gemälde und Objekte ein, erscheint in der ästhetischen und gedanklichen Übersetzung. Im Katalog, der neben Essays eine umfangreiche Dokumentation enthält, die Werkgruppen und wiederkehrende Motive beschreibt, wird manchmal in den beigesellten Bildbeschreibungen hin und wieder allzu "symbolisch" gedeutet. Oppenheim war zwar eine interessierte Leserin der C. G. Jungschen Tiefenpsychologie, aber wollte keineswegs ihre Werke als eine Bebilderung Jungscher Theorien gelesen wissen.
Oppenheim entzieht sich konsequent den Zuordnungen, wie ein wieder abgedrucktes Interview mit Valie Export aus den 70er Jahren zeigt: "Sie verwenden viel Holz, Metall, Muscheln, Stein für Ihre Objekte - warum, glauben Sie, gerade diese Materialien? Was macht sie für Ihre Arbeit brauchbar?" wird Oppenheim gefragt und sie antwortet: "Ich liebe die natürlichen Materialien. Aber alles was der Mensch macht, ist Natur, auch Plastik, auch die Atombombe." Provokativ wie diese Sicht auf die Natur hat wohl seinerzeit auch der Berner Brunnen auf die Einwohner gewirkt "Der Brunnen könnte auf einem der nächtlichen Plätze Kafkas stehen", beschreibt Matthias Frehner, der heutige Leiter des Berner Kunstmuseums die tiefgreifende, ästhetische Irritation, die Oppenheims Werk auch noch Ende des Jahrhunderts auszulösen vermochte.
Meret Oppenheim: Retrospektive. "mit ganz enorm wenig viel" Hrsg. v. Therese Bhattacharya-Stettler und Matthias Frehner. Hatje cantz. 39.80 Euro 360 S., 312 Abb.