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Mehr Deutsch-Schüler dank Tokio Hotel

Deutsche Pop- und Rockbands sorgen bei französischen Teenagern für Herzklopfen und mehr Spaß am Deutschunterricht. Nach einem Tiefstand vor zwei Jahren wächst plötzlich das Interesse der Schüler an der Sprache des Nachbarlandes. Deutschlandfunk-Korrespondent Burkhard Birke hat eine Schule in Paris besucht und zugehört, wie gern dort in diesen Tagen Deutsch gelernt wird.

    Diese Sprache ist international. Obwohl bei genauem Hinhören war dieser Schrei aus den Teenagerkehlen von Camille und Sarah deutsch! Die beiden Schülerinnen des Collège Maurice Outrillo im Norden von Paris sind begeisterte Deutschschüler geworden und das hat seinen Grund.

    "Am Anfang habe ich Deutsch nicht gemocht und gern Tokio Hotel. Jetzt liebe ich Deutsch!"

    So sehr, dass der Erfolg nicht lange auf sich warten ließ:
    "Meine Noten sind besser geworden."

    Selbst das größte Ausspracheproblem für Franzosen kann überwunden und der Buchstabe "H" gehaucht werden.

    "Die Motivation ist da, und ich kann mit vorstellen, dass die Schülerinnen, die in der 9. Klasse jetzt Deutsch als zweite Fremdsprache nehmen, dass es für sie vielleicht mitgewirkt hat in ihrer Entscheidung!"

    So freut sich Lionel Seureau. Als Deutschlehrer gehört, oder müsste man sagen gehörte er zu einer bedrohten Spezies! Denn jahrelang sank das Interesse an der Sprache Goethes. Mit nur 11,5 Prozent Anteil in der Sekundarstufe war vor zwei Jahren der absolute Tiefpunkt erreicht! Seither steigen die Zahlen wieder: auf mehr als 20 Prozent im letzten Jahr laut französischem Bildungsministerium.

    "Dieses Jahr haben wir eine zweite sechste Klasse eröffnen müssen – so viel Schüler sind es."

    Im Ministerium führt man das natürlich lieber auf den ‚plan relance’, die Deutsch- und allgemeine Fremdsprachen-Förderinitiative als auf die schrille Pop-Musik der Jungs aus Magdeburg und andere Musiker zurück. Aus dem Mund der Betroffenen freilich kling das anders:

    "Ich liebe Deutsch. Ich höre…Ramstein … Killerpilze … alle Bands, Bushido…"

    "Alle Bands, wenn es ist Deutsch, es ist gut."

    So viel Enthusiasmus muss man nutzen, dachte sich Lionel Seurau.

    "Mit Schülerinnen, die Interesse zeigen, haben wir ein Lied der Gruppe übersetzt und gelernt. Man muss schon sagen, die Jungs sind sehr dagegen, mögen das überhaupt nicht. Das ist natürlich ein bisschen schwierig."

    Deshalb hat Lionel Seurau auch seinen Unterricht nicht völlig umgestellt. Aber aktuelle Trends, Themen der Jugendlichen im anderen Land aufgreifen, weckt die Neugier an der anderen Kultur und Sprache:

    "Ich fand das vom Text her nicht so doof, muss ich ehrlich sagen. Das war durchaus brauchbar für den Unterricht. Nicht zu umgangssprachlich und vom Inhalt her fand ich es interessant."

    "Unsere Programmarbeit zielt natürlich auch darauf, durch den kulturellen Wert, für die deutsche Sprache zu gewinnen. Ich denke, meine Kollegen haben immer damit zu tun, Vorurteile, die es gibt von den Eltern, die überliefert sind aus Büchern aus Literatur immer wieder neu zur Prüfung zu bringen und da trägt natürlich eine Gruppe wie Tokio Hotel dazu bei, dass man es wieder neu thematisieren kann," gibt sich Sabine Belz, beim Goethe-Institut Paris zuständig für Programmarbeit, ganz pragmatisch. Ob sie sich insgeheim wünscht, dass der Erfolg der Band noch lange anhält?