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Mehr Geist für Mainz

Der Präsident der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz ist zwar Physiker, seit einiger Zeit sind ihm aber die Geisteswissenschaften besonders ans Herz gewachsen. Mit 1,2 Millionen Euro will die Hochschule ihr Angebot bei den "weichen Fächern" aufpolieren. "Pro Geistes- und Sozialwissenschaften" heißt die Initiative, die vor allem in der Lehre Verbesserungen bringen soll.

Von Christoph Gehring |
    "Wer also nicht nachweisen kann, dass er sich mit allerkleinsten Nanopartikelchen beschäftigt, hat zur Zeit gerade ein Legitimationsdefizit."

    So wie Thomas Hengartner, Professor für Volkskunde an der Universität Hamburg, sehen viele Geisteswissenschaftler ihre Fächer: Unterfinanziert, marginalisiert und von den Bologna-Reformen gegängelt. Dagegen setzt die Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz nun viel Geld: Mehr als zehn Millionen Euro sollen in den nächsten Jahren ausgegeben werden, um die sechs geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Mainzer Uni zu stärken, an denen derzeit drangvolle Enge herrscht: Wer hier beispielsweise Anglistik oder Amerikanistik studieren will, muss sich darauf einstellen, dass er seine Dozenten nicht allzu oft zu Gesicht bekommt: 230 Studierende muss jede Lehrkraft - vom Professor bis zum wissenschaftlichen Mitarbeiter - rein rechnerisch betreuen. Und in den anderen geisteswissenschaftlichen Fächern in Mainz sieht es kaum besser aus: Zu wenige Dozenten müssen zu viele Studierende betreuen, für persönliche Gespräche und auch die Forschung bleibt deswegen kaum oder gar keine Zeit. Das, so hat es der Senat der Universität beschlossen, soll sich ändern. Und zwar mit dem Projekt "Pro Geistes- und Sozialwissenschaften".

    "Worum es uns in dem Projekt wirklich geht ist, dass wir in einem Bereich, der anders als die Naturwissenschaften und die Medizin sehr stark belastet ist in der Lehre, dass wir da ein bisschen unterstützen müssen, um Freiräume zu schaffen, damit dann auch in diesen Bereichen noch stärker gearbeitet werden kann in der Forschung, noch stärker gearbeitet werden kann hin auf Drittmitteleinwerbung, stärker gearbeitet werden kann hin auf junge Leute, auf Nachwuchsförderung."

    Der Mainzer Uni-Präsident Georg Krausch ist von Hause aus zwar Physiker, aber seit Neuestem sind die Geisteswissenschaften sein Anliegen: 1,2 Millionen Euro stellt die Uni Mainz für 40 bis 50 zusätzliche geisteswissenschaftliche Promotionsstipendien zur Verfügung, die Bibliotheken sollen aufgerüstet werden und 40 zusätzliche Stellen in den geisteswissenschaftlichen Fachbereichen den Druck auf die Lehrenden lindern. Denn die sehen sich nicht nur einer kaum mehr handhabbaren Zahl von Studierenden gegenüber, sondern seit der Einführung der modularisierten Bachelor- und Master-Studiengänge auch zusätzlichen Lehrverpflichtungen. Trotzdem verteidigt Professor Mechthild Dreyer, die Dekanin der Philosophischen Fakultät in Mainz, die Bologna-Reformen, die viele ihrer Kollegen aus den Geisteswissenschaften für das Ende allen akademischen Anspruchs halten. Ja, sagt Mechthild Dreyer, Bologna schränke manche Freiheiten ein, biete den Studierenden dafür aber mehr von der dringend nötigen Orientierung:

    "Meine eigene Disziplin, die Philosophie, ist natürlich gewohnt, in einem sehr großen Freiraum zu studieren. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist aber, dass Bologna auch dazu hilft, Strukturen zu finden, in denen man sich als Studierender besser bewegen kann. Von daher kann man eigentlich nicht von einem Leiden nur sprechen, es ist zugleich auch eine große Chance dagewesen. Ich sehe das etwas ausgewogener als nur Leiden."

    Geld alleine, glaubt Mechthild Dreyer, werde das latente Leiden an überfüllten Vorlesungen und Seminaren und an fehlender Zeit für die Forschung bei den Geisteswissenschaften nicht beheben können. Bei "Pro Geistes- und Sozialwissenschaften" gehe es auch um die grundlegenden Strukturen des Universitätsbetriebs:

    "Ein Teil der Projekte hat ja nicht primär mit Geld zu tun, sondern es geht auch um die Frage, sich einfach mal Strukturen anzugucken, ob man nicht auch an einigen Strukturen einiges so verbessern kann, dass es effizienter ist. Ein Vorteil wird sicherlich sein, dass wir Lehrformen entwickeln können, die genau dem Rechnung tragen. Das wird das eine sein. Das Zweite ist, dass Studierende auch besser als bisher in Forschungskontexte eingebunden werden, Forschung auch früher kennenlernen und ich denke auch, drittens, im Blick auf zukünftige Berufsfelder schnellere Kontakte in mögliche Berufsfelder hinein."

    Allerdings ist das Geld, das sie in Mainz in die Stärkung der Geisteswissenschaften stecken wollen, endlich: Es stammt aus dem Sondervermögen "Wissenschaft und Zukunft II", das die rheinland-pfälzische Landesregierung vor anderthalb Jahren angelegt hat. Und dieses Sondervermögen wird spätestens 2014 aufgezehrt sein. Wenn es schlecht läuft, dann ist danach wieder alles beim alten, war das schöne Projekt "Pro Geistes- und Sozialwissenschaften" nicht viel mehr als ein Strohfeuer - auch wenn Uni-Präsident Georg Krausch das Wort nicht mag und auf das Prinzip Hoffnung setzt:

    "Also von Strohfeuer würde ich nicht reden angesichts einer Finanzierungssicherheit von fünf Jahren - das ist ja schon mal was in den heutigen Zeiten. Und dann müssen wir hoffen, dass der Landtag uns auch dann weitere Mittel zur Verfügung stellt."