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Mehr Lehrer, Psychologen und Sozialarbeiter für die Schulen

Am Rande des Schülertages in Thüringen war der Amoklauf an der amerikanischen Grundschule Thema. Neben Schülervertretern plädierte auch die Direktorin des Erfurter Gutenberggymnasiums für mehr Personal.

Von Blanka Weber |
    Die neuen Schülervertreter des Landes werden gewählt. Christoph Zimmermann ist mittlerweile Student. Bislang hat der 19-Jährige als Sprecher die Landesschüler vertreten und kurzzeitig auch die Bundesschülerkonferenz geleitet. Die Ereignisse an der Grundschule in den USA, sagt er, zeigten, dass dort jemand über Jahre allein gelassen wurde:

    "Das ist ein Kind, das seit den jüngsten Jahren ausgegrenzt war, keine sozialen Kontakte hatte. Das heißt, es war bekannt und da muss man klar entgegen wirken. Und da muss man auch die Menschen sensibilisieren, das auch zu tun. Das müssen wir auch den Schülern sagen, dass das unheimlich wichtig ist."

    Für Christoph Zimmermann ist der Amoklauf an der US-amerikanischen Grundschule am Rande des Schülertages ein Thema. Die Schulkultur müsse besser werden:

    "Ich kann auch nur meinen Kolleginnen und Kollegen den Schülervertretern raten, vor allem, wenn dann etwas Zeit verstrichen ist, nicht auf den Zug aufzuspringen und zu sagen: Wir brauchen schärfere Sicherheitsvorkehrungen, wir brauchen schärfere Waffengesetze, das löst das Problem in der Wurzel nicht. Wir müssen den Raum Schule als sozialen Raum verstehen und müssen auch wieder ein Miteinander schaffen und kein Dasein des Wegguckens. Das ist das Entscheidende."

    Auch Mohammed-Reza Rejai ist Schülersprecher, er vertritt Schleswig-Holstein. Der 18-Jährige sieht es ähnlich:

    "Dass es meiner Meinung keinen Sinn macht, dass man die Waffengesetze verändert. Die sind in Deutschland stark genug. Es sind ja nicht die Waffen, die die Menschen töten. Es sind die Menschen, die die Waffen betätigen. Und die Menschen sollten wahrgenommen haben, dass die Lehrer nicht nur da sind, dass sie 45 Minuten vorne stehen und den Lehrplan vorne abreden."

    Was im Umkehrschluss bedeutet, dass es nicht nur sensible Lehrer geben muss, sondern auch genügend. Christiane Alt, Direktorin am Erfurter Gutenberggymnasium fordert auch zehn Jahre nach dem Amoklauf an ihrer Schule, dass es mehr Personal geben müsse, nicht nur Lehrer:

    "Und dass wir Schulsozialarbeiter oder Freizeitpädagogen oder einen Schulpsychologen hätten um ganz einfach diesen zweiten wichtigen Teil in unserem Erziehungsauftrag nicht nur allein auf die Schultern unserer Lehrer legen. Weil das können sie alles allein nicht schaffen."

    32 Schulpsychologen gibt es landesweit in Thüringen, nicht in den Schulen, sondern - angesiedelt an den Schulämtern, um schnell eingreifen zu können, sagt der zuständige Minister – wohl wissend, dass genau dieses Personal gebraucht wird – ebenso die Schulsozialarbeiter. Knapp 100 Vollzeitstellen gibt es landesweit, zu wenig, das weiß auch Christoph Matschie:

    "Die Lehrer allein können viele Probleme an den Schulen nicht bewältigen. Sie brauchen Unterstützung, brauchen auch Schulsozialarbeiter und brauchen auch schulpsychologische Unterstützung. Es ist nun einmal so, die Gesellschaft ist komplizierter geworden, schwieriger. Die Kinder haben mit ganz anderen Problemen zu tun und deshalb kann man heute Schule nicht mehr organisieren wie vor 50 Jahren."

    Für Harald Dörig, Jurist und Richter, gibt es da – im Gegensatz zu den beiden Schülersprechern - noch ein anderes Problem: nämlich das Lagern von Schusswaffen in Privathaushalten. Er forderte - damals als Elternvertreter des Schulfördervereins vom Gutenberg-Gymnasium - ebenso wie heute – eine Verschärfung des Waffengesetzes.

    "Wir waren dann doch enttäuscht, dass der Deutsche Bundestag zwar einige kleinere Änderungen am Waffenrecht vorgenommen hat, aber diese grundlegende Ursache für viele Straftaten nicht beseitigt hat, nämlich die Möglichkeit als Sportschütze privat zu Hause die Waffen zu lagern."

    Denn auch der Schüler und Sportschütze Robert Steinhäuser, der für den Amoklauf 2002 in Erfurt Verantwortung trägt, hatte zu Hause Zugang zu Waffen. Eine starke Waffen- und Sportschützenlobby habe eine schärfere Gesetzgebung bislang verhindert, so Harald Dörig.

    "Und auch nach der schrecklichen Erfahrung in Winnenden hat man dies nicht geändert. Man hat immer kleine Reformen durchgeführt, aber sozusagen nicht die Ursache beseitigt, diese Lagerung von Waffen in Privathaushalten."