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Mehr Leitungen für mehr Energie

Nach dem Klimagipfel von Doha kann sich Deutschland wieder auf die eigene Energiewende konzentrieren – und hier gibt es eine Menge zu tun. Die Deutsche Energieagentur hat heute Morgen gewarnt: Die Stromnetze müssen deutlich ausgebaut werden, sonst klappt die Wende nicht.

Von Anja Nehls |
    Früher gab es Aufkleber: "Warum Atomkraft, bei uns kommt der Strom aus der Steckdose". Heute haben wir die Energiewende beschlossen, die Atomkraft wird bis 2022 abgeschafft, aber was nützt der schönste Ökostrom, wenn er eben nicht aus der Steckdose kommt.

    Die Energiewende stellt nämlich an die Stromnetze mit ihren Leitungen ganz neue Anforderungen, sagt Stephan Kohler von der Deutschen Energieagentur.

    "Photovoltaikanlagen, Windkraftwerke, aber auch Biogasanlagen, also Blockheizkraftwerke – und diese Anlagen werden sehr dezentral zugebaut. Also jeder baut auf seinem Einfamilienhaus, aber auch auf landwirtschaftlichen Nutzflächen werden Photovoltaikanlagen, Windenergieanlagen gebaut und dafür ist die heutige Netzstruktur nicht ausgebaut."

    Die Deutsche Energieagentur hat jetzt eine Studie zu dem Thema angelegt. Je nachdem, wie schnell der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben wird, werden dabei rund 135 bis knapp 200.000 km neue Leitungen gebraucht.

    "Weil das bisherige Modell war ja so: Großkraftwerke, Kohlekraftwerke, Atomkraftwerke, Erdgaskraftwerke produzieren Strom, liefern zum Kunden und jetzt drehen wir es praktisch um. Wir produzieren in der Fläche Strom und deshalb müssen die Netze angepasst werden."

    Das betrifft sowohl die Verteilnetze für Hochspannung, aber besonders die für Mittel und Niederspannung von ungefähr 230 Volt bis 30 Kilovolt. Um zum Beispiel den mit Windenergie erzeugten Strom aus Norddeutschland nach Süddeutschland zu bringen, werden 4000 km neue Hochspannungsleitungen gebraucht. Den Löwenanteil machen aber Erdkabel aus. Angst vor monatelangen Erdarbeiten muss aber niemand haben, meint Stephan Kohler:

    "Weil die Erdkabel liegen heute schon im Boden, die müssen verstärkt werden, die müssen natürlich auch im ländlichen Bereich weiter ausgebaut werden, aber ich denke, die Akzeptanz ist sehr groß, weil wir sehen die Kabel nicht, sie liegen unter der Erde. Es ist also eine, wie ich denke, sehr moderate Infrastruktur, die wir zubauen müssen."

    Gefordert sind an dieser Stelle circa 900 Netzbetreiber deutschlandweit. Die Großen wie RWE, E.ON oder Vattenfall genauso wie die kleineren, die Stadtwerke oder Energiegenossenschaften. Allein mit dem Ausbau der Netze ist es allerdings nicht getan. Die Deutsche Energieagentur, die sich für Energieeffizienz und erneuerbare Energien einsetzte, fordert auch intelligentere Netze:

    "Dass dann die Waschmaschinen laufen, die Kühlschränke kühlen und die Gefriertruhen laufen, wenn die Photovoltaikanlage auf dem Dach Strom erzeugt, also dass man die Nachfrage an die Erzeugung anpasst, was nicht heißt, dass man in Zukunft nur noch Fernsehen schauen darf, wenn die Sonne scheint, aber es gibt eben sehr viele Lebenszyklus unabhängige Stromverbrauche, die kann man entsprechend steuern und damit eben das Netz intelligent machen."

    Der Ausbau oder eben die Umrüstung der Stromleitungen kostet die Netzbetreiber viel Geld. Für Betreiber, in denen eine solche Investition wegen fehlender Renditemöglichkeiten nicht lohnt, fordert die Deutsche Energieagentur bessere Rahmenbedingungen und Finanzierungsanreize. Bis 2030 müsse für den Ausbau der Stromnetze mit Investitionen zwischen knapp 30 und 45 Milliarden Euro gerechnet werden.