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Mehr Platz für Huhn, Maus und Meerschweinchen

Tierschutz. - Die neue Tierversuchsrichtlinie der EU ist seit Anfang September in Kraft. Ihr Ziel: Forschung und Tierschutz besser miteinander zu vereinbaren. Und dabei spielen auch die Haltungsbedingungen von Versuchstieren eine große Rolle. Denn wie gut ein Tier untergebracht ist, kann mit darüber entscheiden, wie brauchbar die Studienergebnisse sind.

Von Marieke Degen |
    "Das ist eine Legegruppe, das sind also Hennen mit drei Hähnen."

    Das Tierhaus am Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin. Stefanie Banneke späht durch ein Bullauge ins Hühnergehege. 25 Hennen und drei Hähne leben hier auf 22 Quadratmetern, ein paar dösen auf den Sitzstangen, andere scharren im Streu. Die Tiere sollen befruchtete Eier legen, für Versuchszwecke. Das Gehege ist extra auf die Bedürfnisse der Tiere abgestimmt.

    "Auch mit Einstreu, mit Tränken, mit ausreichenden Fütterungseinrichtungen, mit Sitzstangen, damit sie ihre Rangordnung auch in der Sitzhöhe ausdrücken können."

    Stefanie Banneke ist Tierärztin. Sie leitet das Tierhaus, und sie weiß, wie viel von den Haltungsbedingungen der Versuchstiere abhängt: Nur wenn sich die Tiere wohl fühlen, bekommen die Forscher brauchbare Studienergebnisse.

    "Weil ich ja eine Frage habe, die ich in einem Tierversuch beantwortet haben möchte, und einen bestimmten Einflussfaktor untersucht haben möchte. Und wenn ich Tiere habe, die aufgrund unerkannter Einflüsse anders reagieren, kann ich das nicht feststellen. Unter Umständen merke ich das noch nicht mal."

    Durch die neue europäische Tierversuchsrichtlinie sollen die Haltungsbedingungen in ganz Europa auf den neuesten Stand gebracht werden. Die Richtlinie schreibt vor, dass sozial lebende Tiere wie Hühner grundsätzlich auch in Gruppen gehalten werden sollen, und nur in Ausnahmefällen einzeln in Käfigen. Außerdem müssen sich die Tiere in ihrem Gehege beschäftigen können: Hühner zum Beispiel müssen scharren und im Staub baden können. Mäuse bauen gerne Nester; sie brauchen also Baumaterial in ihrem Käfig. Und: Jedes Versuchstier soll mehr Platz bekommen.

    "Für die Hühner hat sich zum Beispiel die Höhe der Käfige [geändert], die müssen jetzt mindestens 75 Zentimeter hoch sein, das waren nach der alten EU-Richtlinie 45, das ist also ein ganz wesentlicher Unterschied. Auch ein Huhn möchte sich mal recken und strecken können, das heißt, sie werden dann auch ein bisschen größer und sie müssen dann auch mal ein bisschen Platz nach oben haben um so kurz einen Flatterversuch machen zu können, ohne gleich an die Käfigdecke zu stoßen."

    Auch die Fläche des Käfigs muss größer werden. Bislang hat ein Quadratmeter ausgereicht. In Zukunft muss ein Käfig zwei Quadratmeter groß sein. Für die Tiere bedeutet das mehr Bewegungsfreiheit. Doch für Forscher wird es schwieriger, die Tierversuche umzusetzen. Denn der Platz in einem Versuchstierhaus ist knapp. Banneke:

    "Hühner bilden Antikörper, also Abwehrstoffe gegen Krankheitserreger sowohl im Blut als auch im Ei. Und wenn ich gucken will, bildet das Huhn diese Antikörper auch im Ei, vergleiche ich diesen Antikörperspiegel im Blut und im Ei. Ich muss also genau wissen, welches Ei zu welchem Huhn gehört. Ich kann dann auf dieser Fläche von zwei Quadratmetern nur zwei Tiere halten, ein weißes und ein braunes. Weil ich die Eier dann zuordnen kann."

    Wenn man für so einen Versuch acht Hühner braucht, ergibt das eine Gesamtfläche von acht Quadratmetern. Das war früher ganz anders.

    "Wir durften die ja in kleinen Käfigen halten. Also ein Quadratmeter etwa, plus Nest und so weiter. Und da durften wir dann zwei Tiere darin halten, so dass wir mit deutlich weniger Fläche auskamen."

    Weil man mehr Platz für einen Versuch einplanen müsse, könne man nicht mehr so viele Studien gleichzeitig machen. Die Forscher müssen sich also auf längere Wartezeiten einrichten. Banneke:

    "Die Leute, die Versuche machen wollen, müssen sich nach der Kapazität richten und die sinkt zwangsläufig. Ab dem Moment, wo die Belegdichte sinkt, brauche ich mehr Platz, kann weniger parallel machen, das heißt, jeder einzelne Versuch wird teurer."

    Es sind Ausgaben, die sich aber lohnen, davon ist Stefanie Banneke überzeugt. Durch die besseren Haltungsbedingungen werde nämlich letztendlich die Qualität der Studien erhöht. Und das europaweit.

    "Durch die Verbesserung der Haltungsbedingungen insgesamt, und da ist ja ein größerer Käfig oder mehr Material nur ein Aspekt, bekomme ich Ergebnisse, die aussagekräftiger und belastbarer sind, die wiederholbar sind und weniger durch Zufälle beeinflusst."

    Und das bedeutet auch, das weniger Studien gemacht werden müssen - und die Zahl der Versuchstiere auf lange Sicht sinkt.