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Mehr Privates, weniger politische Statements

Eher sanfte Töne schlägt Kettcar auf dem gerade erschienenen vierten Album "Zwischen den Runden" an. Es geht in ihren Songs um privates Glück, um Liebe und Freundschaft. Ganz wollte die Hamburger Indie-Rock-Band allerdings auch diesmal nicht auf Gesellschaftskritik verzichten.

Von Uli Kniep |
    Willkommen "Im Club" – in diesem neuen Song von ihrem vierten Album wenden sich Kettcar an Menschen wie du und ich, bestätigt Sänger Marcus Wiebusch:

    "Bei dem Song 'Im Club' geht es darum, dass ganz egal, ob man
    im Großen oder Kleinen scheitert, ob man unglücklich verliebt ist oder der große Plan zerfällt, dass man sich immer und immer wieder bewusst macht, dass man nichts Besonderes ist, dass das alles schon 1000 millionenfach vorher genauso anderen Menschen passiert ist. Du bist nichts besonderes, ich bin nichts Besonderes. Wir alle scheitern und darum geht es."

    Tröstlich zu wissen, dass man mit seinen Niederlagen und Rückschlägen nicht allein ist. Es sind solche Zeilen und Töne, die den Erfolg der Band erklären.

    Im Gegensatz zu der vorigen CD mit Namen "Sylt" finden sich auf dem neuen Werk überraschend viele positive Stimmungen und weniger politische Statements. Diesmal dominieren eher privates Glück, aber auch Probleme, die aus Liebe, Freundschaft und deren Vergänglichkeit erwachsen. Kettcar schlagen über weite Strecken eher entsprechend sanfte Töne an – eine Konsequenz auch aus der zwischenzeitlichen Zusammenarbeit des Quintetts mit den Streichern der Neuen Philharmonie Frankfurt, mit denen die Band im Jahr 2009 einige Konzerte gab. So gibt "Zwischen den Runden" neben den treibenden Songs auch Gelegenheit zum Luftholen – ganz im Sinne des Albumnamens, wie Reimer Bustorff erklärt:

    "Das neue Album heißt 'Zwischen den Runden', was ich sehr passend fand, weil man einerseits das so interpretieren kann, dass es zwischen den Runden eines Boxkampfes ist und man sich hinsetzt, durchatmet, um dann wieder in den Kampf zu gehen, der vielleicht das Leben ist. Andererseits könnte 'Zwischen den Runden' auch das gesellige Beisammensitzen in der Kneipe sein und die Zeit zwischen den Lokalrunden sein, wo Geschichten erzählt werden, wo sich ausgetauscht wird."

    Oft wurde die Band zu der sogenannten "Hamburger Schule" gezählt. Mit einer Einsortierung in diese Schublade aber sind Kettcar nicht einverstanden. Die Fünf bezeichnen ihre Musik als "deutschsprachigen Indie-Rock oder Gitarrenpop". "Zwischen den Runden" bestätigt diese Selbsteinschätzung. Auch wenn der Titel "Schrilles buntes Hamburg" in Sachen Tempo auf dem neuen Kettcar Album eher die Ausnahme ist.

    Ganz wollten die Band auch diesmal nicht auf Gesellschaftskritik verzichten: In diesem Song wird zwar die Hansestadt beim Namen genannt, doch geht es den Hamburgern hier um eine allgemein feststellbare bedenkliche Entwicklung in der Kulturpolitik: Kunst um der Kunst willen hat immer weniger Platz im öffentlichen Raum – immer häufiger dagegen wird nach dem Profit gefragt. Für junge aufstrebende Künstler schwinden die Möglichkeiten sich auszuprobieren und sich zu präsentieren. Dazu Sänger Marcus Wiebusch:

    ""Es geht in dem Text ja auch um die relative, bittere Erkenntnis, dass Kunst halt immer verwertet werden muss und dass es genug Verwertungslogiken innerhalb des Kunst- und Kulturbetriebes und um die Rolle des Künstlers und da hab ich gedacht, es passt gut, wenn wir es ruppig verpacken."

    Kettcar haben schon zu Beginn ihrer Karriere die Konsequenzen gezogen und einen eigenen Weg zur Vermarktung ihrer Kunst eingeschlagen: Da sich für ihr erstes Album "Du und wie viel von deinen Freunden" keine Plattenfirma fand, gründeten die Musiker 2002 zusammen mit Thees Uhlmann von Tomte ihr eigenes Label Grand Hotel van Cleef. So bleibt ihnen größte künstlerische Freiheit, die sie auch auf "Zwischen den Runden" ausgelebt haben. Und Kettcar unterstreichen mit dieser CD und diesen Texten ihre Sonderstellung in der deutschen Musikszene, auch wenn sie die Pole Position noch nicht übernommen haben.