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Mehr Verkehr auf der Schiene

Mehr Verkehr auf die Schiene - das war eines der Hauptziele der Bahnreform, die vor zehn Jahren eingeleitet wurde. Die Bahn sollte fit gemacht werden für den Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern, mit Flugzeugen, Autos bzw. LKW und Schiffen. Dass die Reform der Bahn noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigt die aktuelle Meldung: Die Deutsche Bahn will Fahrkartenschalter auf dem Land schließen - nun auch bestätigt von der Pressestelle. Laut "Westfalen-Blatt" soll die Zahl der Schalter von 700 auf 440 verringert werden. Die Sparpolitik der Bahn geht also weiter, genauso wie andere Projekte zur Förderung des Schienenverkehrs. Zehn Jahre Bahnreform - was ist bisher passiert? Der Verkhrsclub Deutschland hat eine erste Bilanz gezogen.

Von Dieter Nürnberger |
    Vor zehn Jahren sollte aus der einstigen so oft titulierten Behördenbahn ein modernes Dienstleistungsunternehmen werden. Das Ziel war eindeutig und einfach formuliert: Mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Der Verkehrsclub Deutschland, kurz: VCD, hat diese Reform von Anfang an unterstützt. Vor allem auch unter Umweltaspekten – ein Mehr an attraktivem Schienenverkehr würde Luftschadstoff- und auch Lärmbelastungen des Straßenverkehrs, so die Hoffnung, reduzieren helfen. Zehn Jahre danach fällt jedoch die Umweltbilanz der Bahnreform bescheiden aus. Denn im Verkehrsbereich allgemein konnten die Emissionswerte in Deutschland nicht reduziert werden. Das liege, so Heidi Tischmann, die Verkehrsreferentin des VCD, vor allem an der weiteren Ungleichbehandlung der Bahn durch den Gesetzgeber:

    Das liegt einmal daran, dass innerhalb der Verkehrsträger die Bahn nach wie vor benachteiligt ist. Gegenüber der Luftfahrt, der Schifffahrt und vor allem gegenüber der Straße. Die Bahn muss zum großen Teil selber für die Kosten der Bahntrassen aufkommen, das ist bei der Straße nicht der Fall. Auch steuerlich ist die Bahn benachteiligt, was die Ökosteuer und andere Steuern angeht.

    Vor zehn Jahren habe der Bund die Reform angeschoben, doch seitdem wurde nicht mehr nachgesteuert - die Bahnreform praktisch sich selbst überlassen. Dabei besteht eindeutig Handlungsbedarf, sagt der VCD, denn beispielsweise beim Straßengüterfernverkehr gehen die Prognosen davon aus, dass bis 2015 dieser Sektor um rund 65 Prozent wachsen wird. Der Umweltvorteil der Bahn müsse dabei mehr herausgestellt werden, so Jan Werner, der Bahnreformexperte des Verkehrsclubs:

    Die Bahn hat einen Umweltvorteil. Dieser ist jedoch nicht vom Himmel gefallen, man muss ihn weiterhin erkämpfen. Das heißt, da, wo die öffentliche Hand als Besteller auftritt, muss sie Umweltschutzvorgaben machen. Gerade, was die Lautstärke von Zügen und auch die Emissionen angeht. Damit die Bahn auch in Zukunft ihren Umweltvorteil behalten kann. Aber natürlich kann der Umweltvorteil auch nur dann zum Tragen kommen, wenn die Züge auch voll sind. Und da müssen dann auch innovative Konzepte gemacht werden, die Bahnfahren nicht zur Last, sondern zur Lust machen.

    Lust auf Bahnfahren und auch attraktive Angebote für Spediteure würden allerdings nur verwirklicht, wenn eine einfache und transparente Preisgestaltung gelte. Nicht so, wie bei der letztendlich gescheiterten Preisreform, die für Aufsehen und Verärgerung sorgte. Zudem müsse eine Verteuerung auch des Straßengüterverkehrs erwogen werden, das Scheitern der LKW-Maut habe da bestimmt nicht geholfen. Heidi Tischmann:

    Das war der erste Schritt in die richtige Richtung. Doch leider ist es im August 2003 nicht dazu gekommen, sie einzuführen, sondern sie wird wohl frühestens 2006 erhoben werden. Dann wird es sicherlich auch eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene geben. Der VCD kritisiert aber, dass die geplante LKW-Maut zu niedrig ist, und wir wollen auch, dass sie ausgeweitet wird. Auf alle LKW, auch schon ab 3,5 Tonnen und auch auf das gesamte Straßennetz.

    Die Bahnreform ist noch nicht zu Ende. Gerade auf der organisatorischen Ebene werden weitere Entscheidungen folgen, damit auch mehr Wettbewerb bei den Betreibern der Bahn möglich werde. Das heißt, mehr konkurrierende Anbieter müssen her, sagt Bahnreform-Fachmann Jan Werner:

    Wenn das System Bahn dauerhaft funktionieren soll, dann kann es nicht anders sein, dass das Eigentum an der Infrastruktur in staatlicher Hand bleibt. Die Verkehrsleistung aber von verschiedenen Konkurrenten – privaten und/oder auch öffentlichen Unternehmen – geleistet wird. Es gibt eine sehr negative Erfahrung in Großbritannien, man sollte es nicht so machen, dass die Infrastruktur privatisiert wird, sondern nur der Verkehr auf der Infrastruktur. Das hat dann wiederum auch in Großbritannien funktioniert. Und die Trennung von Netz und Betrieb, die ja hierzulande oft als unmöglich an die Wand gemalt wird, wird längst in skandinavischen Staaten mit Erfolg praktiziert.

    Die Verantwortung für die Infrastruktur würde nach den Vorstellungen des VCD beim Staat bleiben, für die Betreiber aber würde der gute alte Grundsatz gelten: Konkurrenz belebt das Geschäft. Und dies käme wohl der Umwelt zugute.