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Kommentar zur Finanzpolitik
Die Bundesregierung setzt die falschen Prioritäten

Mehrwertsteuer in der Gastronomie rauf, Kürzungen beim Elterngeld für finanzstarke Paare später. Die Ampel-Regierung sei dabei, Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen, meint Gregor Lischka. Doch sie sei dabei nicht konsequent.

Ein Kommentar von Gregor Lischka |
Servicekraft in einer Bar bereitet im Restaurantbereich die Tische vor.
Die Gastronomie wird die erhöhte Mehrwertsteuer wohl an die Kundschaft weitergeben (picture alliance / dpa / Marcus Brandt)
Für die Bundesregierung geht es ab jetzt um Erbsenzählerei. Dafür hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gesorgt. Dutzende Milliarden Euro aus Corona-Hilfen können nicht einfach in einen Klimafonds umgewidmet werden. Heißt: Statt mit großen Beträgen hin und her zu jonglieren, muss die Bundesregierung wohl auf absehbare Zeit erstmal Erbsen zählen und jede noch so kleine Ausgabe auf den Prüfstand stellen.

Fast schon Peanuts

Dass die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants und Cafés wieder auf 19 Prozent steigen soll, wirkt vor diesem Hintergrund auch fast schon folgerichtig. Rund drei Milliarden Euro jährlich könnte der Staat dadurch zusätzlich einnehmen – das sind zwar im Vergleich zu anderen Summen der vergangenen Jahre fast schon Peanuts. Aber immerhin! Gleichzeitig haben sich die Ampel-Parteien darauf geeinigt, dass beim Elterngeld für wohlhabende Paare doch nicht so schnell gespart werden soll, wie mal ursprünglich gedacht. Die Bundesregierung setzt also Prioritäten – nur leider die falschen.
In der Gastronomie sind die Preise ohnehin schon stark gestiegen. Nirgendwo sonst hat die Inflation so starke Spuren hinterlassen wie bei den Preisen für Lebensmittel. Für viele Menschen ist der Besuch beim Lieblingsitaliener gefühlt ohnehin schon zu einer Art Luxustrip geworden. Dahinter steht auch ein grundsätzliches Problem: Der private Konsum schwächelt in Deutschland und zieht die Wirtschaftsleistung mit sich in die Rezession. In der Wirtschaft herrscht also ohnehin schon Flaute – und die Bundesregierung hat nichts Besseres zu tun, als einer gebeutelten Branche noch mehr Wind aus den Segeln zu nehmen.

Beim Elterngeld nicht so konsequent

Wäre man zynisch, könnte man den Gastronomen zurufen: um die potenzielle Kundschaft finanzstarker Familien immerhin müssen sie sich keine Sorgen machen. Beim Elterngeld ist die Bundesregierung nämlich nicht so konsequent. Eigentlich war geplant, Eltern mit einem zu versteuernden Einkommen von 150.000 Euro oder mehr im kommenden Jahr das Elterngeld zu streichen.
Übersetzt heißt das: Man hätte Geld eingespart – und zwar bei Leuten, die ohnehin genug davon haben. Die Regelung soll jetzt langsamer kommen und auch erst bei höheren Einkommensgrenzen greifen. Schade - bis zu 500 Millionen Euro jährliche Einsparungen wären da schon in den nächsten Jahren drin gewesen. 500 Millionen Euro mehr oder weniger – das wirkt in einem Bundeshaushalt mit einem Gesamtvolumen fast 500 Milliarden Euro natürlich wie Erbsenzählerei – aber wir wissen ja: genau darauf kommt es jetzt nun mal an.