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Mein Afrika, dein Afrika

Das Foreign-Affairs-Festival in Berlin erinnert an die koloniale deutsche Vergangenheit. Die Berliner Andcompany zeigt dort "Black Bismarck previsited", eine Performance über die Kongo-Konferenz, bei der die europäischen Kolonialmächte Afrika unter sich aufteilten.

Von Oliver Kranz |
    Drei Herren mit lustig beklebten Tropenhelmen nehmen an einem schwarzen Konferenztisch Platz. Sie sehen aus wie ein Karnevalskomitee, doch das Thema ist ernst. Es geht um die Kongo-Konferenz zu der Reichskanzler Otto von Bismarck 1884 nach Berlin eingeladen hatte.

    "Karschnia: Diese Konferenz ist im Rest der Welt, insbesondere in Afrika, nur als Berlin-Konferenz bekannt. Deswegen ist Bismarck bis heute der vielleicht bekannteste deutsche Politiker in Afrika. Es gibt doch eine Redewendung in Kamerun, wurde uns erzählt, da sagt man gern: ich habe noch etwas mit Bismarck zu besprechen, wenn man mal austreten muss. Und wir haben heute auch etwas mit Bismarck zu besprechen."

    Alexander Karschnia sitzt am Konferenztisch in der Mitte. Er verliest Texte, in denen die Andcompany ihre Position zum Kolonialismus beschreibt. Die beiden anderen Akteure assistieren ihm dabei. Das Stück "Black Bismarck" soll erst im nächsten Jahr Premiere haben, weil es aber so gut zum Thema des Foreign-Affairs-Festivals passt, bietet die Gruppe vorab schon ein Lecture-Konzert an – also einen Vortrag mit Musik.

    "Als 'dark continent' hat Siegmund Freud auch das Unbewusste bezeichnet, das Unbewusste der Frau, ihr Es, das ist eine Art inneres Ausland. Es ist Afrika in Europa. Wie eine Illustration von Freuds Fantasie haben wir diesen Song heraus gegraben aus dem Jahr 1983 von Ingrid Peters, vermutlich keine Nachfahrin von Carl Peters, dem Kolonisatoren."

    So wird das Thema in weiten Assoziationsbögen umkreist. Für die Andcompany ist die Kolonialzeit kein abgeschlossenes Kapitel. Sie wirkt weiter bis in die Gegenwart.

    "Ausgangspunkt für uns, weshalb wir diese Arbeit machen wollten, war, dass wir das Gefühl hatten, dass im allgemeinen Bewusstsein die deutsche Kolonialzeit verharmlost wird. Es gibt einen merkwürdigen Konsens, dass man denkt, es war nur kurz und es war nicht so schlimm. Wenn man genau hinschaut, war es eigentlich sehr schlimm. … Es war ein ganzer Kolonialkrieg, der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts."

    … was aber nicht heißt, dass die Andcompany dem Publikum mit der Moralkeule kommt. Karschnia und seine Mitstreiter wollen sich spielerisch mit dem Thema auseinandersetzen. Deshalb tragen sie auch die karnevalesken Tropenhelme.

    "Wir möchten schon eine Art Re-Enactment der Konferenz machen. Allerdings wird diese Konferenz völlig aus dem Ruder laufen. … Es ist schon zum Lachen diese Vorstellung, dass sich Europäer zusammensetzen und zanken, wem welcher Zipfel von Afrika gehört. Da muss man natürlich versuchen, die Komik dieser Situation herauszuholen."

    Beim Lecture Konzert, das gestern zu sehen war, gab es noch keine gespielten Szenen, dafür aber Fotos von Feriendörfern, die in den 20er Jahren in Brandenburg errichtet wurden.

    "1925 wurde das erste gegründet, mit dem Namen Neu-Afrika, von einem Afrika-Heimkehrer namens Robert Preußer. Er war Mitglied der kaiserlichen Schutztruppen und nach dem Verlust der Kolonien hat er also dieses Feriendorf gegründet in Ahrensdorf, direkt am Lübbesee. In der Mitte steht ein großes Palaverhaus, da können Großstädter entspannen. Er hat gesagt, sein Ziel sei es, das Afrika-Gefühl in Deutschland aufrecht zu erhalten."

    … was letztlich natürlich ein politisches Ziel war. Bis in die Nazizeit hinein gab es in Deutschland Interessengruppen, die sich für eine Rückeroberung der Kolonien einsetzten. Die Andcompany macht diese Zusammenhänge bewusst - in einem schrägen Mix aus Entertainment und dem Zusammentragen von historischen Fakten.