Bienek: Sie sind sozusagen Romancier und Dramatiker. Was glauben Sie, was für Eigenschaften muss ein Romancier und was für Eigenschaften müsste ein Dramatiker haben?
Elias Canetti: Ich würde zuerst sagen Neugier, Empörung, Stolz, ganz verborgen Erbarmen, Raschheit im Erfassen, und für den Romancier auch unendliche Geduld in der Verarbeitung.
Er muss sich allem – und ich nehme hier beide zusammen –, er muss sich allem entziehen, was Macht hat. Der einfachste, der dümmste oder schlechteste Mensch muss ihn so nah angehen und faszinieren, wie der komplizierteste, der klügste, der beste. Um die ungeheure Vielfalt des Vorhandenen zu spüren und zu fassen, darf er sich keiner der üblichen Klassifizierungen und Gruppierungen verschreiben. Er muss misstrauisch und vertrauensvoll sein und beide Haltungen auf die Spitze treiben können. Bei allem, was zugleich mit ihm lebt, braucht er Kontraste, Spannungen zu anderen. So ist es gut, wenn er sich in Literaturen abgelegener oder vergangener Kulturen umtut, allem, was fern genug ist, was ihn vielleicht erst erschreckt oder befremdet. Wer ausschließlich in seiner eigenen Zeit befangen ist, kann ihr nichts hinzufügen.
Bienek: Herr Canetti, man hat immer das Gefühl bei Ihnen, Sie visieren immer das Ganze an, das Große. Ich denke dabei an Ihr großes philosophisch-soziologisches Werk "Masse und Macht", das ist ja auch ein so gewaltiges, großes Unternehmen gewesen.
Canetti: Das ist schon richtig, vielleicht ... Aber ich kann wirklich nicht anders. Ich hatte mir schon jung vorgenommen, nie ein Buch zu veröffentlichen, das nicht Anspruch auf Bestand hat. Darum veröffentliche ich wenig und zögere lang, bevor ich mich jetzt entschließe. Ich möchte meine Leser ernst nehmen. Mein größter Wunsch wäre es, noch in 100 Jahren gelesen zu werden. Das mag heute lächerlich klingen, mir ist es ganz ernst damit. Übrigens hat dieser Wunsch auch große praktische Vorteile: Man legt viel strengere Maßstäbe an alles an. Damit es besteht, muss es besonders gut sein, und das kann doch gewiss nicht schaden.
Elias Canetti: Ich würde zuerst sagen Neugier, Empörung, Stolz, ganz verborgen Erbarmen, Raschheit im Erfassen, und für den Romancier auch unendliche Geduld in der Verarbeitung.
Er muss sich allem – und ich nehme hier beide zusammen –, er muss sich allem entziehen, was Macht hat. Der einfachste, der dümmste oder schlechteste Mensch muss ihn so nah angehen und faszinieren, wie der komplizierteste, der klügste, der beste. Um die ungeheure Vielfalt des Vorhandenen zu spüren und zu fassen, darf er sich keiner der üblichen Klassifizierungen und Gruppierungen verschreiben. Er muss misstrauisch und vertrauensvoll sein und beide Haltungen auf die Spitze treiben können. Bei allem, was zugleich mit ihm lebt, braucht er Kontraste, Spannungen zu anderen. So ist es gut, wenn er sich in Literaturen abgelegener oder vergangener Kulturen umtut, allem, was fern genug ist, was ihn vielleicht erst erschreckt oder befremdet. Wer ausschließlich in seiner eigenen Zeit befangen ist, kann ihr nichts hinzufügen.
Bienek: Herr Canetti, man hat immer das Gefühl bei Ihnen, Sie visieren immer das Ganze an, das Große. Ich denke dabei an Ihr großes philosophisch-soziologisches Werk "Masse und Macht", das ist ja auch ein so gewaltiges, großes Unternehmen gewesen.
Canetti: Das ist schon richtig, vielleicht ... Aber ich kann wirklich nicht anders. Ich hatte mir schon jung vorgenommen, nie ein Buch zu veröffentlichen, das nicht Anspruch auf Bestand hat. Darum veröffentliche ich wenig und zögere lang, bevor ich mich jetzt entschließe. Ich möchte meine Leser ernst nehmen. Mein größter Wunsch wäre es, noch in 100 Jahren gelesen zu werden. Das mag heute lächerlich klingen, mir ist es ganz ernst damit. Übrigens hat dieser Wunsch auch große praktische Vorteile: Man legt viel strengere Maßstäbe an alles an. Damit es besteht, muss es besonders gut sein, und das kann doch gewiss nicht schaden.