Mein Name ist Serdar Somuncu, ich bin Schauspieler und mein Klassiker ist "Paris Texas" von Wim Wenders.
"Paris? Können wir da hin fahren?"
Es geht aus der Sicht eines kleinen Jungen um seine Eltern: ein Mann und eine Frau, die sich vor längerer Zeit verlassen haben.
"Du erinnerst Dich doch wohl an deinen kleinen Jungen? Hunter. Seit Du verschwunden bist lebt er bei Ann und mir."
Und sie beschließen die Mutter wieder zu suchen. Und die Mutter ist gespielt wunderbar von Nastassja Kinski und der Vater von Harry Dean Stanton, einem wunderbaren Schauspieler, und irgendwann finden die beiden die Mutter, die in einer Peepshow arbeitet, wo sie hinter einer Glasscheibe tanzt für Leute, die Geld bezahlen.
"Und was tun sie sonst noch? - Nichts, eigentlich. Ach so und uns ist nicht erlaubt, die Kunden auch noch außerhalb zu sehen. - Wo denn dann? Gehen Sie zu ihnen nach Hause?"
Der Vater nimmt Kontakt zu ihr auf, gibt sich als Freier, als Kunde aus und telefoniert durch die Scheibe mit ihr und sie spürt anhand der Fragen, die er stellt und im Gespräch, dass es ihr ehemaliger Mann ist.
"Er fing an sich alles Mögliche einzubilden. - Zum Beispiel? - Er stellte sich vor, dass sie hinter seinem Rücken andere Männer trifft. Er kam von der Arbeit nach Hause und verdächtigte sie, den ganzen Tag mit einem anderen zugebracht zu haben. Er schrie sie an und zerschlug den ganzen Wohnwagen. - Den Wohnwagen? - Ja, sie lebten in einem großen Wohnwagen."
Und das ist so bewegend, das ist eine acht Minuten lange Szene, wahnsinnig gut gespielt, toll gedreht und mich berührt sie immer wieder, dass ich diesen Film zu einem meiner großen Klassiker erklärt habe. Ich mag Filme, in denen sehr wenig gesprochen wird.
"Ich kann auch stumm sein, wenn ich will. Vielleicht wäre es besser, wenn wir beide bis zum Ende unserer Reise die Schnauze hielten. Weißt Du?"
Dieser Film ist ein Film, der sehr stark von der Atmosphäre lebt. Es ist ein für mich unglaublich emotionaler Film, in dem ich auch immer wieder Szenen sehe, über die ich schlicht und einfach weinen kann.
"Ob Du mich sehen könntest, wenn Du da drin das Licht ausmachst?"
Es geht um das Gefühl des Suchens, der Sehnsucht, des Verlassenwerdens und dann Wiederfindens und dann um die Enttäuschung im Wiederfinden. Und ich finde, das hat viel mehr als nur diese Roadmovie-Story, die da oberflächlich erzählt wird.
"Ich habe Hunter mitgebracht. Willst Du ihn nicht wiedersehen? - Ja! Er hat mir so sehr gefehlt, dass ich nicht einmal mehr wagte, ihn mir vorzustellen. - Warum hast Du ihn nicht bei dir behalten, Jane? - Ich konnte nicht, Travis. Ich wollte ihn nicht dazu benutzen, die Leere in meinem Leben auszufüllen."
Ich kann dieses Gefühl der Sehnsucht so gut nachvollziehen. Ich kann dieses Gefühl des Sich-Danach-Sehnens-etwas-wieder-zu-haben, was man einmal hatte und aus Dummheit vielleicht aus der Hand gegeben hat, so gut nachvollziehen, weil ich's natürlich selbst erlebt habe. Und das ist etwas, was mich ganz stark anfasst und das ist für mich auch, was Filme zu Klassikern werden lässt, dass sie nicht einfach nur konstruiert sind, wie das heute oft der Fall ist, sondern dass sie einen auch irgendwo hintreiben.