Mein Name ist Wolfram Koch, ich bin Schauspieler und mein Klassiker ist "Jour de fête" von Jacques Tati. "Schützenfest" von Jacques Tati.
Es geht darum: In einer Kleinstadt gibt es einen Jahrmarkt, einmal im Jahr: "Jour de fête", sehr nostalgisch, man sieht die ganzen Künstler kommen, die ganzen Jahrmarktsbetreiber und es gibt einen Briefträger in dieser Kleinstadt, der Briefe austeilt. Auf diesem Jahrmarkt wird ein Film gezeigt, wie in den USA Briefe und Post ausgeteilt wird. Mit Flugzeugen und fantastische Bilder mit Stunts.
"Die meisten Länder benutzen veraltete Methoden der Postzustellung - nicht so die USA. Hier werden dem modernen Briefträger sogar Helikopter zur Verfügung gestellt."
Und dieser Briefträger hat den Ehrgeiz, genau das Gleiche zu machen in dieser Geschwindigkeit. Er sagt immer: "rapidité, rapidité" - Schnelligkeit.
"Oh, les Americains alors. rapitidé, rapitidé"
Erinnerungen an Paris
Und am Ende geht der Jahrmarkt wieder weg und das Leben läuft seinen ruhigen Gang weiter in einer kleinen Stadt in Frankreich.
Jacques Tati: "Ich wollte alles besonders schnell erledigen, aber die Sieger sind die Amerikaner."
Alte Frau: "Oh, lass die Amerikaner mein Junge, die Amerikaner können machen, was sie wollen. Das bedeutet noch lange nicht, dass sie besser sind als wir. Und was die guten Neuigkeiten angeht, die du bringst, die kommen immer noch rechtzeitig genug an."
Ich bin in Frankreich geboren und aufgewachsen, also meine ersten sechs Jahre habe ich in Paris verbracht. Und die Erinnerung an Frankreich, an die Freunde, die französischen Freunde, die über uns wohnten und unter uns, an die Weihnachtsfeiern, an die gemeinsamen Essen, an - sag ich jetzt mal - die französische Lebensart, die ist bei mir sehr tief drin. Und je älter ich werde, je stärker kommen die ersten sechs Jahre durch bei mir.
Jede Urlaubszeit wurde in Frankreich mit diesen Freunden verbracht. Das Lustige war, dass ich diesen Film von Jacques Tati erst in Deutschland kennengelernt habe. Wir hatten keinen Fernseher, mein Vater wollte kein Fernsehen haben, wir sind viel ins Kino gegangen und es gab in der Schule Kinovorführungen. Und da setzte man sich hin, war natürlich wahnsinnig aufgeregt und es lief der Schwarzweiß-Film Jacques Tati "Schützenfest". Und ich sah zum ersten Mal diese merkwürdige Gestalt Jacques Tati, der kaum redete, der immer vor sich hin nuschelte und mit seinem klapprigen Fahrrad Briefe austeilen musste.
Scheitern als kreativer Vorgang
Seine Komik macht was zutiefst Menschliches: Eine Einsamkeit, will aber mit den Leuten kommunizieren, die mögen ihn auch, halten ihn aber für den großen, eigentlich Volldeppen. Das Scheitern die ganze Zeit. Also Beckett hat gesagt: Scheitern, noch mal scheitern, besser scheitern. Das unterschreib ich sofort. Das ist für mich zumindest ein kreativer Vorgang. Man kann ja in dieser Welt, wenn man die Welt irgendwie kapiert hat, kann man sagen, man kann ja nur scheitern. Also kann man sagen: gut, dann scheitern wir, aber mit so viel Überzeugung, so viel Energie, und scheitern wieder und vielleicht scheitert man irgendwann besser.
Eigentlich hat Tati in seinen Filmen immer noch das, sagen wir, das alte Frankreich verkörpert. Eher das Frankreich, weniger Paris. Das heißt: Er wohnt in einem Haus bei "Mon Oncle", in einem uralten Haus unter dem Dach. Da gibt es die Concierge, da gibt es im Grunde noch eine Art heile Welt. Und es gibt das moderne Frankreich, was reinrauscht. Wo die Häuser abgerissen werden, wo es kalt miteinander umgeht, es wird einfach modern, man hat keine Kommunikation mehr. Und so weiter.
Und dagegen kämpft dieser merkwürdig altmodische Typ, der im Grunde so ein alter Gent ist, aber im Grunde ein großes Kind geblieben ist. Da laviert er durch diese Filme durch. Und das bringt einen wahnsinnig zum Lachen, auch zum Schmunzeln. Und bei mir hat das natürlich, wahrscheinlich auch einen Punkt von Nostalgie zu tun, weil ich komischerweise mir ein bisschen so dieses alte Paris vorstelle, wo ich damals gelebt habe.