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"Mein letztes Semester"
Auf der Zielgerade zum Master-Abschluss

Für Prüfungen lernen und die Abschlussarbeit schreiben: Das letztes Semester ist oft besonders intensiv. Gleichzeitig steht die Frage im Raum: Was kommt danach? Eine Frage, die sich auch Sabrina stellt. Sieben Jahre hat sie in Bielefeld studiert. Jetzt steht sie kurz vor dem Abschluss.

Von Silke Tornede |
    Blick auf das Hauptgebäude der Universität Bielefeld
    Nach sieben Jahren ist Schluss: Nach dem Sommersemester 2018 beendet Sabrina ihr Studium an der Hochschule Bielefeld (dpa/Robert B. Fishman)
    "Ja, mein Laptop ist ein bisschen alt, (lacht) der braucht dann immer etwas länger. So, das ist momentan meine Masterarbeit, 82 Seiten ist das gute Stück lang."
    Sabrina Velibeyoglu sitzt an einem der kleinen Arbeitstische auf der Galerie in der Unihalle in Bielefeld. Die Zeit zwischen zwei Terminen nutzt sie zum Korrekturlesen – und sichert alle Änderungen gewissenhaft.
    "Ich bin ein bisschen paranoid, ich speicher jeden Tag meine aktuelle Version davon ab. Weil, man hört ja immer wieder davon, dass so eine Datei verschwindet. Und ich denke, nein, doch nicht die monatelange Arbeit."
    Sabrina Velibeyoglu studiert interdisziplinäre Medienwissenschaften in Bielefeld. Seit März sitzt sie an ihrer Abschlussarbeit. Der Titel: "Darstellung und Funktion von Gewalt in Videospielen". Das Thema interessiert sie auch privat. Sie spielt seit der Kindheit leidenschaftlich gerne Videospiele.
    "Wenn man sich schon eine Abschlussarbeit zu einem Thema aussuchen kann, dann sollte man auch was nehmen, woran man Spaß hat. Weil, dieses Thema wird man einfach über Wochen, über Monate haargenau auseinander nehmen müssen."
    Über die Länge der Arbeit will sie mit ihrem Professor sprechen und hat noch einen Termin ergattert.
    "Hallo." - "Hallo. Jetzt erzählen Sie mir erst einmal um was es geht heute jetzt bei der Sprechstunde." - "Also, ich bin jetzt schon ziemlich weit mit meiner Masterarbeit, komme jetzt aber so langsam in Nöten, was meinen Platz angeht." - "Okay, das heißt, sie haben schon ein bisschen viel geschrieben." - "Ja."
    Bis zu 100 Seiten seien okay, meint der Professor. Nach der Sprechstunde, auf dem Weg zurück zum Uni-Hauptgebäude, ist Sabrina Velibeyoglu sichtlich erleichtert.

    "Es ist gut, dass ich jetzt weiß, dass ich mehr schreiben kann. Weil schreiben an und für sich ist nicht das Problem, aber wenn ich das kürzen müsste! Nee, nee lieber mehr schreiben können und das ist dann alles gut."
    Anstrengender Endspurt
    Die nächsten Tage werden anstrengend genug, Einleitung und Fazit müssen noch fertig werden. Sabrina Velibeyoglu sitzt jetzt viel zuhause an ihrem Schreibtisch – aber das Ende des Studiums ist in Sicht.
    "Das fühlt sich für mich erst einmal total erleichternd und gut an, einfach zu wissen: Ich hab das Kapitel Uni Bielefeld einfach langsam mal geschafft. Auf der anderen Seite ist es natürlich halt die Frage: Oh, mein Gott, es ist vorbei, was mache ich jetzt danach? Aber ich glaube, diese Zukunftsängste hat einfach jeder."
    Sieben Jahre eine Art Zuhause
    Sieben Jahre lang war die Uni ihre Anlaufstelle. Den Campus habe sie durchaus schätzen gelernt.
    "Die Uni hat wirklich Vorteile. Ist nicht schön, aber sie ist wirklich gut zu erreichen. Man hat hier ja alles irgendwie in einem Gebäude."
    Kleine Läden, Infostände, Studenten trinken Kaffee, sitzen in Grüppchen zusammen – ganz normales Gewusel in der Uni-Halle. Aber bei 23.000 Studierenden sei auch die Anonymität groß, meint die 26-Jährige, die in Herford wohnt, in der Nähe von Bielefeld.
    "Was ich wirklich definitiv nicht mehr vermissen werde, ist das Pendeln. Darauf freue ich mich, einfach nicht mehr täglich hier hinkommen zu müssen. Ich hab hier genug Zeit verbracht."
    Die Angst, zu lange zu brauchen
    Für Bachelor und Master hat sie jeweils zwei Semester mehr gebraucht, als es die Regelstudienzeit vorsieht. Völlig im grünen Bereich winkt Studienberaterin Ursel Sickendiek ab. Aber sie weiß: Der Druck da ist.
    "Es gibt immer wieder Studierende, die in die Zentrale Studienberatung kommen und sagen: Hilfe, ich studiere jetzt zwei Semester länger und fühle mich ganz schlecht. Und wir können sie beruhigen, und sagen, dass sie durchaus noch im Rahmen der statistischen Durchschnittswerte sind, weil das gar nicht so besonders viel länger ist als der Plan. "
    Natürlich gebe es auch Fälle von schlechter Organisation und chronischer Aufschieberitis. Viele Studierende brauchen aber länger, weil sie nebenbei arbeiten, so wie Sabrina Velibeyoglu.
    "Also insgesamt habe ich 14 Semester hier studiert, aber habe halt immer nebenbei auch gearbeitet, Praktika gemacht, ehrenamtlich sehr viel gearbeitet, im Altenheim, im Kindergarten, in der Redaktion beim Radio, in der Redaktion beim Internetfernsehen. Also ich hab immer nebenbei irgendwas gemacht. "
    An der Uni besucht sie auch noch ein Seminar - aus reinem Interesse, für den Abschluss wäre es nicht nötig. Natürlich geht es um Videospiele. Und während die Gruppen ihre Ergebnisse vorstellen, wird ihr bewusst:
    "Das letzte Seminar! Wo ist meine Torte, verdammt. Ich freu mich. Aber es bedeutet natürlich halt auch Abschied. Aber ich kann wenigstens behaupten, mein Studium endete mit einer guten Gruppenarbeit."
    Ihre Kommilitonin grinst und gibt das Kompliment zurück.
    "Mein Studium beginnt mit einer schönen Gruppenarbeit."
    Die eine steht am Anfang, die andere am Ende ihres Studiums. Wenn alles gut geht, gibt Sabrina Velibeyoglu ihre fertige Masterarbeit Anfang August ab. Und dann?
    "Lange ausschlafen ist schon lange nicht mehr gewesen. Wecker klingelt jeden Tag. Ich freue mich, wenn meine Masterarbeit abgegeben ist, in Urlaub zu fahren, Freunde zu besuchen und auszuschlafen."
    Vom Studium direkt in den Job
    Verschnaufen, bevor das nächste Kapitel beginnt. Das Berufsleben. Bewerbungen schreibt sie schon. Zu lange Pause machen, dafür sei sie nicht der Typ.
    "Ich würde gerne am 30.9. die Uni verlassen und ab dem 1.10. irgendwo einen Job haben. Und wenn ich mir was aussuchen dürfte, wäre das in Richtung Medien, Spieleredakteurin, beim Radio irgendwie Redakteurin. Und dafür dann irgendwann mal Geld verdienen."