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"Mein Lieblingssound ist das Miauen einer Katze"

Manchmal überfordere er die Leute mit der Koppelung von Humor und Ernsthaftigkeit, sagt DJ Koze. Er könne sehr gut zwischen diesen beiden Polen wechseln, ergänzt der Musiker und Labelbetreiber.

Mit Tim Thaler |
    Tim Thaler: DJ Koze, Sie sind jetzt auf dem Melt Festival, Sie haben mit Amygdala ein neues Album im Frühjahr vorgelegt. Wo die Rammelwolle fliegt, also das Letzte davor ist acht Jahre alt. Sind Sie faul?

    DJ Koze: Nö, das hat damit nichts zu tun. Ich bin, glaube ich, das absolute Gegenteil von faul. Workaholic und hab ja auch mehrere Baustellen immer gleichzeitig. Label, Produzent, DJ. Das ist ja, ich hab so gut wie nie ne Langeweile oder ne freie Minute.

    Thaler: Nach welchen Kriterien wählen Sie die Künstler für Ihr Label aus?

    DJ Koze: Ja, das ich das Gefühl hab, vielleicht dass ich auch immer noch was lernen könnte, irgendwo. Irgendwo hin zu kommen, wo ich noch nicht war oder wieder zurückzukehren an einen Ort, den ich schön fand, wo es gut war. Genau so halt.

    Thaler: Ein Pseudonym von Ihnen heißt Adolf Noise, ein anderes Monaco Schranze, eine Platte Wunden Es, Beine Offen eine andere Deine Reime Sind Schweine. Wo liegt für Sie der Unterschied zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltung?

    DJ Koze: Ich mach da gar nicht so große Unterschiede. Manchmal überfordere ich die Leute, das merke ich aber für mich in meiner Denke, in meiner Welt gibt es gar nicht so große Unterscheidungen. Ich finde Unterhaltung muss auch immer irgendwie, na ja, ist immer auch an Humor im besten Falle gekoppelt in irgendeiner Form. Und ich versteh immer gar nicht diese große Trennung zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Ich kann die ganze Zeit switchen zwischen beiden Polen und muss nicht immer eine große Einführung haben aber ich kann mir auch vorstellen, dass es manche Leute überfordert.

    Gleichzeitig ist ja so was, was Du gerade erwähnst, ist ja auch nur die Titelgebung für irgendetwas wie Kippenberger es ja auch gemacht hat. Der hat tolle Bilder gemalt und hat dann aber einfach einen komplett anderen Satelliten dem entgegengestellt, indem er einen ganz anderen Titel einem Bild gegeben hat. Auf einmal gibt es so Assoziationsräume, die man selber füllen kann und das ist eigentlich immer so die Idee: Dass ich meine Lieder jetzt nicht Moments Of Love oder Deep Texture nenne, sondern irgendwie Track ID anyone oder was weiß ich. Irgendeine kleine Geschichte noch damit verwebe, die dann im besten Fall Leute neugierig macht und die dann irgendwann selber noch so ne kleine Story raus finden die sie dann mit der Musik verweben können, müssen nicht!

    Und das ist dann so meine humoristische Idee von also wie ich Musik noch eine humoristische Pointe einpflege. Oder ich versuche im Sounddesign manchmal ein bisschen unkonventionell zu sein. Was dann aber auch mit Humor verwechselt wird.

    Wenn ich eine Maultrommel einem Rhodes entgegenstelle, ist das nicht, dass ich mich lustig mache, sondern dass ich versuche irgendeine Behauptung aufzustellen, dass diese beiden Sachen auch zusammen irgendwie wie ein Instrument klingen können. Für viele Leute ist das noch so, dass die sich gar nicht mehr wundern; 'Ach so, stimmt!' aber eigentlich gibt es keine Maultrommeln im Deep-House. Da bin ich immer schon ein bisschen durch den Zaun durchgeprescht. Eine Maultrommel ist einfach nicht deep! Das ist lustig oder irritierend und wie klingt das mit einem Rhodes? Mit einem sehr ernsthaft Rippert-gespielten Rhodes zusammen und manchmal kippt es und es ist einfach Schwachsinn und manchmal denke ich 'Komisch, das umspielt sich!', es könnte, da seh ich dann irgendwas drin.

    Ja, und dann arbeitet man weiter und im besten Falle ergeben beide Einzelteile irgendwie etwas Größeres, als wenn sie alleine stehen würden, weil ein Rhodes ist manchmal auch einfach ein Klischee-Sound für eine Chill-Out-Musik und eine Maultrommel ist manchmal 'Ha ha ha, ne Maultrommel!' aber zusammen könnte es, wenn jetzt vor allen Dingen auch nicht der Hauptfokus auf diesen beiden Instrumenten liegt, sondern wenn sich dann auch noch richtig so ein Song raus schält, könnte es dann irgendwie, manchmal so Trojanisches Pferd mäßig dem Hörer so mit unterschmuggeln. Ich muss selber noch in so einer gewissen Form davon überzeugt und entertained und überrascht werden.

    Ich kann nicht einfach nur ne Musik, die funktional ist, zurechtschrauben und; mit dem Wissen, dass es viele Leute einfacher erreichen könnte. Irgendwie ist das nicht meine Aufgabe. In diesem Leben.

    Thaler: Sie arbeiten sehr oft mit Umgebungsgeräuschen und mit Alltagsklängen. Was ist Ihr momentanes Lieblingsgeräusch?

    DJ Koze: Eigentlich ist mein Lieblingssound immer das Miauen einer Katze. Also, nicht, dass ich damit Musik mache, aber das ist mein Lieblings-Sound, den ich höre, wenn eine Katze miaut. Es fällt mir immer wieder auf. Da ist ein Stich in mein Herz. Ich bin dann sozusagen entwaffnet und kann; ich kann mich dann dem nicht widersetzen.

    Thaler: Sie sagten mal, dass Sie unterschiedliche Pseudonyme mögen und auch brauchen.
    Inwieweit unterscheiden die sich untereinander und wer von denen ist das schwarze Schaf der Familie?

    DJ Koze: Eigentlich gibt es ja nur DJ Koze und Adolf Noise, so jetzt so konkret und Adolf Noise ist halt meine psychedelische Spielwiese; völlig frei. Das ist so ein Freiland zum Irrsinn raus lassen und völlig frei von jeglicher Funktionalität. Und auch komplett rücksichtslos auf Nachvollziehbarkeit. Und das ist immer so ne Rückwand. Ich kann mir auch gut vorstellen dass man, dass ich jetzt an dieser Baustelle wieder arbeite, nachdem, wenn diese Platte jetzt durch ist. Beim DJ Koze Output habe ich immer das Gefühl, das sind so Lieder mit Beats, egal welches Tempi aber es sind Beats, die mehr so Hand und Fuß haben; Songs, ganz klar einordbar. Während Adolf Noise kann auch einfach ein 25-minuten Field-Recordig-Hörspiel sein oder irgendwie Irrsinn.

    Thaler: Wann entscheidet sich, wer Musik macht? Wird erst die Musik gemacht und dann der passende Name druntergesetzt oder gehen Sie ins Studio und sagen sich 'So, heute bin ich Adolf Noise, heute mach ich das und das'?

    DJ Koze: Ne, ich leg einfach immer los und dann gucke ich was mir so passiert und ganz oft passiert gar nichts, und wenn was passiert, was ich gut finde, dann lass ich es erst einmal liegen und dann guck ich es mir irgendwann an und überlege mir vielleicht nimmt man die Beats raus und man macht was ganz anderes oder man macht ein Adolf Noise Stück. Meistens geht’s immer in die Hose wenn ich etwas versuche zielgerichtet.
    Wenn ich einen Remix machen soll, dann fange ich an und dann merke ich, ich bin ganz woanders gelandet. Deswegen kann ich auch nie definitiv Remixen zusagen. Ich sage immer 'ich kann es versuchen' und ich kann auch keine Deadline akzeptieren. Ich bin keine Maschine, die in drei Wochen das Lied verbessert zurückschicken kann oder in einem neuen Gewand; kann ich nicht!

    Thaler: Wie viele Künstler haben Sie im Laufe Ihrer Karriere schon enttäuscht, die einen Remix von Ihnen haben wollten, Sie diesen Wunsch aber niemals erfüllten?

    DJ Koze: Ich glaube, viele!
    Ich habe immer das Gefühl, man muss nicht immer etwas abgeben. Es gibt schon genug Musik auf der Welt. Es geht nicht darum dass man noch, also noch einen Haken, noch ein Stück an Anzahl, plus eins. Es muss immer ein Beitrag sein der einen Nutzen; Utilitarismus hat für die Gemeinschaft. Das ist natürlich sehr subjektiv, bloß wenn ich den ISO-Stempel nicht auf meine Produktion habe, dann will ich es auch gar nicht veröffentlichen.
    Deswegen sage ich auch ganz vieles ab, weil natürlich nicht immer alles gut ist, was ich mache. Das ist ja immer sowieso noch subjektiv. Andere können das, selbst mein Output, mit dem ich mich dann irgendwann zufriedengebe, können die ja immer noch sagen 'Es ist mittelmäßig', aber wenn ich zufrieden bin, und das ist nicht so schnell erreicht und sehr selten, dann erst muss es vielleicht auch die Welt hören.

    Thaler: Wie ist es dann, wenn der Künstler wiederum mit Ihrer Remix Arbeit nicht zufrieden ist. Sind Sie dann frustriert?

    DJ Koze: Ich glaube schon! Ich würde sagen, der tickt doch nicht ganz richtig! Der hat den Schuss nicht gehört! Der Idiot!

    Thaler: Ein Zitat von Ihnen lautet: Es ist eine gewisse musikalische Stagnation zu erkennen, wie bei vielen Musikrichtungen. Ich mache das ja auch das schon recht lange und je länger man das macht, desto mehr nervt es einen, wenn es nicht weitergeht, wenn Langeweile, konventionelle Formen gefragt sind. Ich liebe die Musik und deswegen stimmt mich das so ein wenig traurig, auch wenn ich merke, warum Leute Musik machen und mit was für Effekten um mit einfachsten Mitteln die Crowd zu rocken. Würden Sie diesem Statement immer noch beipflichten?

    DJ Koze: Ich habe das Gefühl, ich werde so ein wenig Altersmilde. Mir ist das alles; ich bin nicht mehr so dogmatisch und mir ist das alles mittlerweile egal. Ich mache mein Ding und freue mich über jeglichen Zuspruch und wenn Leute auf meinen Film einschwenken und das ist total toll! Aber irgendwie; ich habe keine Lust auf das Haten immer mehr! Ich bin so altersmilde, ich mache mein Ding und was die anderen machen, ist mir mittlerweile auch son bisschen mehr egal. Es ist, glaube ich, sinnvoll sich im Alter auch auf das Positive zu konzentrieren.

    Thaler: Sie wohnen und arbeiten in Hamburg. Nun ist Hamburg nicht gerade bekannt als die Welthauptstadt für elektronische Musik; im Gegensatz zu Berlin. Hängt Hamburg Berlin hinterher?

    DJ Koze: Ja, in vielen Dingen bestimmt und in manchen nicht. Ich finde es ja ganz schön hinterherzuhängen. Ich mag es ja ganz gerne, wenn man sich aus allem so ein bisschen raus klinkt. Und auch, dass man nicht weiß wer Grumpy Cat ist oder der neueste Hype oder das neueste Label. Mich macht das fertig alles. Ich freue mich immer über Simplizität, heißt das so? Ja, genau!

    Thaler: DJ Koze; ich bedanke mich für Ihre Zeit und dieses Interview.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.