Medien-Kolumne
Die Brücke nach Polen muss breiter werden

Warschau hat sich als Brückenkopf für das Berichten aus der Ukraine, dem Baltikum und Russland entwickelt, meint Peter Frey. Dennoch spielten polnische Themen in deutschen Medien kaum eine Rolle. Das werde der Bedeutung des Landes nicht mehr gerecht.

Eine Kolumne von Peter Frey | 04.04.2024
Eine Frau trägt eine Brille, die an polnische Flaggen erinnert, während sie am 11. November 2023 in Warschau, Polen, am 105. Jahrestag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens teilnimmt.
Polen hat viel zu bieten, meint unser Kolumnist Peter Frey. Er wünscht sich eine Wende in der Berichterstattung. (IMAGO / Aleksander Kalka )
Polen ist zurück. Ob auf europäischen Gipfeln oder in Berlin - Polens Ministerpräsident Donald Tusk tritt selbstbewusst auf, an der Seite des französischen Präsidenten und mit dem deutschen Bundeskanzler. Das Land bringt sein politisches Gewicht voll ein - gestärkt von der überwältigenden Wahlbeteiligung, gerade der Jungen.

Polnische Themen spielen kaum eine Rolle

Doch die Wende in der Berichterstattung lässt auf sich warten. Aus Sicht deutscher Medien ist Polen offenbar immer noch randständig. Polnische Themen spielen kaum eine Rolle, auch wenn Warschau sich zum Brückenkopf für die Berichterstattung aus der Ukraine, dem Baltikum und neuerdings auch aus Russland entwickelt hat, das für Korrespondenten immer gefährlicher wird.
Die Büros und Studios der großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen sowie der Rundfunkanstalten in Warschau sind im Vergleich zu den westeuropäischen Metropolen zu knapp besetzt. Im Nach-Brexit-Großbritannien gibt es mehr deutsche Journalistinnen und Journalisten als im wichtigsten östlichen Mitgliedsland, von thematisch spezialisierten Berichterstatterinnen und Berichterstatter für Kultur und Wirtschaft ganz zu schweigen.
Das wird der Bedeutung Polens nicht mehr gerecht. Das Land hat viel zu bieten. Jenseits der Politik ist es eine echte Wirtschaftslokomotive geworden, seine Kulturszene muss entdeckt werden. Nach dem Regierungswechsel stellen sich im deutsch-polnischen Verhältnis viele Fragen: Wie kann die Rüstungszusammenarbeit jenseits politischer Deklarationen praktisch aussehen? Wie die Verkehrsanbindung zwischen beiden Ländern schnell verbessert werden? Wie die leidige Diskussion um Reparationen beenden – etwa durch finanzielle Unterstützung für die letzten etwa 700 noch lebenden polnischen Kämpfer des Warschauer Aufstands?

Für viele ist Rom viel näher als Warschau

Es ist nicht nur eine Frage der Ausstattung der Warschauer Büros. Ausschlaggebend ist am Ende, ob sich Redaktionen, Blattmacher und Moderatoren überhaupt für Polen als Partner interessieren. Selbst in Berlin, nur 90 Kilometer von der polnischen Westgrenze entfernt, trifft man immer noch Kolleginnen und Kollegen, die noch nie im Nachbarland waren.
Kulturelle Fremdheit, fehlende Sprachkenntnisse, vielleicht auch ein immer noch schwelendes Unbehagen wegen der schwierigen gemeinsamen Geschichte bremsen die Annäherung. Für viele ist Rom viel näher als Warschau. Dabei verblüfft das Polen von heute mit offenen Geschichtsdebatten, vorbildlicher Infrastruktur oder pfiffigem Design. Über die verbindenden Aspekte der Nachbarschaft, etwa die Zusammenarbeit an der gemeinsamen Oder-und-Neiße-Grenze, wird national viel zu wenig berichtet.

Es geht auch anders

Es gibt Ausnahmen: das ARD-Büro in Warschau produziert seit Herbst vergangenen Jahres einen Podcast mit dem Titel „In Polen“. Die Korrespondenten Kristin Joachim und Martin Adam analysieren alle zwei Wochen die Politik, berichten aber auch aus ihrem Alltag, manchmal mit Gästen. Dass sie mittlerweile bei Folge 16 angelangt sind, spricht für Akzeptanz.
Noch intensiver ist das zweisprachige Magazin „Dialog“, das vom Bundesverband der deutsch-polnischen Gesellschaften herausgegeben wird. Unter der Chefredaktion von Basil Kerski vertieft es auch kontroverse Themen, etwa den Umgang mit Russland. Kreativ illustrierte Ausgaben bedienen das deutsche Fernweh. Da kann man Städte entdecken, wie die einstige Textilmetropole Lodz, oder in der neuesten Ausgabe Krakau, das zwischen k.u.k-Tradition und Moderne beim Lesen die europäische Phantasie beflügelt.
Sie ist also schon da, die Brücke zwischen Deutschland und Polen. Sie muss aber breiter werden.
Peter Frey war 12 Jahre lang Chefredakteur des ZDF.
Peter Frey war 12 Jahre lang Chefredakteur des ZDF.
Peter Frey begann seine Karriere beim ZDF 1985, er berichtete aus Washington, gründete das ZDF-Morgenmagazin und übernahm später die Leitung des ZDF-Hauptstadtstudios. Von 2010 bis 2022 verantwortete er die Informationsangebote des Senders als ZDF-Chefredakteur.