Silvia Engels: Die Stiftung Eurotransplant ist verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganen in sieben europäischen Ländern, darunter Deutschland, Niederlande und Österreich. Die Zuteilung soll nach rein medizinischen und ethischen Gesichtspunkten erfolgen. Und zugeschaltet ist uns der Münchner Chirurg und Präsident von Eurotransplant, Bruno Meiser. Guten Morgen, Herr Meiser!
Bruno Meiser: Guten Morgen!
Engels: Haben Sie denn schon wütende, auf ein Organ wartende Patienten am Telefon oder per Brief gehabt, die nun dem ganzen System nicht mehr trauen?
Meiser: Nein, das haben wir nicht. Unsere Patienten sind ja sehr eng an das Transplantationszentrum angebunden, werden häufig untersucht und kontrolliert über ihren jeweiligen Gesundheitszustand. Natürlich sind die Patienten besorgt, dass insgesamt die Spendebereitschaft in Deutschland vielleicht durch diese Vorgänge beeinträchtigt wird und zurückgehen könnte, aber die Patienten wissen natürlich auch, dass ihr jeweiliges Transplantationszentrum sehr gut arbeitet und dass dieses natürlich auch hoffentlich absolute Ausnahmefälle sind, die jetzt die Arbeit der Ärzte nicht beeinträchtigt.
Engels: Haben Sie denn umgekehrt – oder Ihre Kollegen – schon mal erlebt, dass Patienten, die verzweifelt sind, auch mal mit Bestechungsversuchen an Sie herantreten?
Meiser: Ich persönlich habe das noch nie erlebt. Sie müssen ja wissen, dass das System der Organzuteilung eines der transparentesten ist, was es überhaupt in der Medizin gibt. Es ist jederzeit absolut nachvollziehbar, warum ein Organ, was ja ein höchst kostbares Gut ist, einem entsprechenden Patienten zugeteilt wird. Sämtliche Befunde, die dazu eingereicht werden, sogar die Telefonate werden aufgezeichnet beziehungsweise aufgehoben. Es kann jederzeit nachgewiesen werden, dass der Patient dieses Herz, diese Leber, diese Lunge oder diese Niere zu diesem Zeitpunkt zu bekommen hatte, und insofern bekomme ich diese Anfragen gar nicht, weil das bei uns nicht möglich wäre.
Engels: Nun ist dieser Göttinger Fall, wo Sie sagen, das ist ein Einzelfall, aber so angelegt worden, dass die Befunde in der Tat aufgezeichnet wurden und es auch überhaupt gar keine Zweifel über die Herkunft und den Verbleib der Organe gab. Aber die Befunde waren halt manipuliert, dass schneller die Patienten an Organe herankamen. Braucht man da nicht doch ein Vieraugensystem, wonach diese Patientenwerte, diese Befunde noch einmal überprüft werden?
Meiser: Ich bin völlig Ihrer Meinung, dass wir ein besseres System der Überprüfbarkeit einführen müssen. Eurotransplant selber ist die Organisation, die die Allokation macht, die ist damit beauftragt und muss sich natürlich auf die Dinge verlassen, die sozusagen bei Eurotransplant hinterlegt werden. Aber selbstverständlich muss in den Kliniken, in den Transplantationszentren eine bessere Überprüfbarkeit erfolgen. Also bei uns ist das zum Beispiel so, dass ein ganzes Team von Medizinern jeweils auf die Indikation für eine Transplantation stellt, es gibt da entsprechende Konferenzen. Wenn wir bei der Leber bleiben – um die geht es ja in Göttingen, sind das Hepatologen, sind das Chirurgen, sind das Anästhesisten, Intensivmediziner, und bei einer so großen Zahl von Experten wäre es natürlich unmöglich, entsprechend Dinge zu manipulieren zum Vorteil Einzelner. Dass das so in Göttingen war, ist sicherlich ein Fehler im System in Göttingen. Der muss behoben werden, und in Zukunft muss man auch stichprobenartig entsprechende Zentren kontrollieren.
Engels: Braucht man – wenn Sie sagen, das ist nicht der einheitliche Standard offenbar der Kliniken gewesen – hier gesetzliche Vorgaben, damit die Kliniken gezwungen werden, hier mehr zu kontrollieren?
Meiser: Ich glaube nicht, dass der Gesetzgeber da sozusagen in Zugzwang ist, sondern es sind die Fachgesellschaften. Es sind die Ärztekammern, die entsprechende Richtlinien entwickeln sollten, teilweise auch schon entwickelt haben. Es stellt sich immer auch die Frage, ob sich dann die Zentren daran halten. Es gibt zum Beispiel für die Indikation einer Lebertransplantation genaue Richtlinien, die jederzeit nachgelesen werden können von der Bundesärztekammer. Wenn sich natürlich ein Zentrum nicht an diese Richtlinien hält, noch einmal, muss das kontrolliert werden und muss dann entsprechend auch offengelegt werden. Die nächste Frage ist natürlich auch die Möglichkeit der Sanktionierung – auch hier muss man in Zukunft konsequenter sein und muss natürlich Zentren, bei denen solche Auffälligkeiten festgestellt werden, muss man dann entsprechend zunächst einmal ermahnen und anschließend natürlich konsequenterweise letztendlich gegebenenfalls sogar die Erlaubnis der Organtransplantation entziehen.
Engels: Für Misstrauen sorgt nun auch eine Recherche des Magazins "Der Spiegel" über Organhändlerringe. Hatten Sie schon mal mit Fällen zu tun, wo wartende Patienten aus Deutschland auf einmal von der Warteliste verschwanden, weil sie offenbar im Ausland ein Organ aus dubioser Quelle bekommen haben?
Meiser: Also ein solcher Fall ist mir persönlich noch nicht untergekommen. Ich weiß, dass es das gibt, dass Patienten versuchen, in ihrer Verzweiflung gegebenenfalls in Drittländern an Organe zu kommen. Das ist vor allem natürlich allein schon von der Zahl, aber auch von der Möglichkeit des Handels her am ehesten bei der Niere der Fall. Ich kann davon nur sehr warnen: Zum einen ist es natürlich illegal und vollkommen unethisch, zum anderen sind die Ergebnisse dieser Transplantation – und das ist inzwischen auch belegt und publiziert – sehr, sehr schlecht, weil die Bedingungen, unter denen in solchen Ländern transplantiert wird, natürlich weit entfernt sind von unseren Standards. Und es gibt eine Deklaration von Istanbul, wo also sozusagen die Weltgemeinschaft der Mediziner das konsequent ablehnt und diesen Organtourismus entsprechend beurteilt.
Engels: Der Münchner Chirurg und Präsident von Eurotransplant, Bruno Meiser. Vielen Dank für das Gespräch heute früh!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bruno Meiser: Guten Morgen!
Engels: Haben Sie denn schon wütende, auf ein Organ wartende Patienten am Telefon oder per Brief gehabt, die nun dem ganzen System nicht mehr trauen?
Meiser: Nein, das haben wir nicht. Unsere Patienten sind ja sehr eng an das Transplantationszentrum angebunden, werden häufig untersucht und kontrolliert über ihren jeweiligen Gesundheitszustand. Natürlich sind die Patienten besorgt, dass insgesamt die Spendebereitschaft in Deutschland vielleicht durch diese Vorgänge beeinträchtigt wird und zurückgehen könnte, aber die Patienten wissen natürlich auch, dass ihr jeweiliges Transplantationszentrum sehr gut arbeitet und dass dieses natürlich auch hoffentlich absolute Ausnahmefälle sind, die jetzt die Arbeit der Ärzte nicht beeinträchtigt.
Engels: Haben Sie denn umgekehrt – oder Ihre Kollegen – schon mal erlebt, dass Patienten, die verzweifelt sind, auch mal mit Bestechungsversuchen an Sie herantreten?
Meiser: Ich persönlich habe das noch nie erlebt. Sie müssen ja wissen, dass das System der Organzuteilung eines der transparentesten ist, was es überhaupt in der Medizin gibt. Es ist jederzeit absolut nachvollziehbar, warum ein Organ, was ja ein höchst kostbares Gut ist, einem entsprechenden Patienten zugeteilt wird. Sämtliche Befunde, die dazu eingereicht werden, sogar die Telefonate werden aufgezeichnet beziehungsweise aufgehoben. Es kann jederzeit nachgewiesen werden, dass der Patient dieses Herz, diese Leber, diese Lunge oder diese Niere zu diesem Zeitpunkt zu bekommen hatte, und insofern bekomme ich diese Anfragen gar nicht, weil das bei uns nicht möglich wäre.
Engels: Nun ist dieser Göttinger Fall, wo Sie sagen, das ist ein Einzelfall, aber so angelegt worden, dass die Befunde in der Tat aufgezeichnet wurden und es auch überhaupt gar keine Zweifel über die Herkunft und den Verbleib der Organe gab. Aber die Befunde waren halt manipuliert, dass schneller die Patienten an Organe herankamen. Braucht man da nicht doch ein Vieraugensystem, wonach diese Patientenwerte, diese Befunde noch einmal überprüft werden?
Meiser: Ich bin völlig Ihrer Meinung, dass wir ein besseres System der Überprüfbarkeit einführen müssen. Eurotransplant selber ist die Organisation, die die Allokation macht, die ist damit beauftragt und muss sich natürlich auf die Dinge verlassen, die sozusagen bei Eurotransplant hinterlegt werden. Aber selbstverständlich muss in den Kliniken, in den Transplantationszentren eine bessere Überprüfbarkeit erfolgen. Also bei uns ist das zum Beispiel so, dass ein ganzes Team von Medizinern jeweils auf die Indikation für eine Transplantation stellt, es gibt da entsprechende Konferenzen. Wenn wir bei der Leber bleiben – um die geht es ja in Göttingen, sind das Hepatologen, sind das Chirurgen, sind das Anästhesisten, Intensivmediziner, und bei einer so großen Zahl von Experten wäre es natürlich unmöglich, entsprechend Dinge zu manipulieren zum Vorteil Einzelner. Dass das so in Göttingen war, ist sicherlich ein Fehler im System in Göttingen. Der muss behoben werden, und in Zukunft muss man auch stichprobenartig entsprechende Zentren kontrollieren.
Engels: Braucht man – wenn Sie sagen, das ist nicht der einheitliche Standard offenbar der Kliniken gewesen – hier gesetzliche Vorgaben, damit die Kliniken gezwungen werden, hier mehr zu kontrollieren?
Meiser: Ich glaube nicht, dass der Gesetzgeber da sozusagen in Zugzwang ist, sondern es sind die Fachgesellschaften. Es sind die Ärztekammern, die entsprechende Richtlinien entwickeln sollten, teilweise auch schon entwickelt haben. Es stellt sich immer auch die Frage, ob sich dann die Zentren daran halten. Es gibt zum Beispiel für die Indikation einer Lebertransplantation genaue Richtlinien, die jederzeit nachgelesen werden können von der Bundesärztekammer. Wenn sich natürlich ein Zentrum nicht an diese Richtlinien hält, noch einmal, muss das kontrolliert werden und muss dann entsprechend auch offengelegt werden. Die nächste Frage ist natürlich auch die Möglichkeit der Sanktionierung – auch hier muss man in Zukunft konsequenter sein und muss natürlich Zentren, bei denen solche Auffälligkeiten festgestellt werden, muss man dann entsprechend zunächst einmal ermahnen und anschließend natürlich konsequenterweise letztendlich gegebenenfalls sogar die Erlaubnis der Organtransplantation entziehen.
Engels: Für Misstrauen sorgt nun auch eine Recherche des Magazins "Der Spiegel" über Organhändlerringe. Hatten Sie schon mal mit Fällen zu tun, wo wartende Patienten aus Deutschland auf einmal von der Warteliste verschwanden, weil sie offenbar im Ausland ein Organ aus dubioser Quelle bekommen haben?
Meiser: Also ein solcher Fall ist mir persönlich noch nicht untergekommen. Ich weiß, dass es das gibt, dass Patienten versuchen, in ihrer Verzweiflung gegebenenfalls in Drittländern an Organe zu kommen. Das ist vor allem natürlich allein schon von der Zahl, aber auch von der Möglichkeit des Handels her am ehesten bei der Niere der Fall. Ich kann davon nur sehr warnen: Zum einen ist es natürlich illegal und vollkommen unethisch, zum anderen sind die Ergebnisse dieser Transplantation – und das ist inzwischen auch belegt und publiziert – sehr, sehr schlecht, weil die Bedingungen, unter denen in solchen Ländern transplantiert wird, natürlich weit entfernt sind von unseren Standards. Und es gibt eine Deklaration von Istanbul, wo also sozusagen die Weltgemeinschaft der Mediziner das konsequent ablehnt und diesen Organtourismus entsprechend beurteilt.
Engels: Der Münchner Chirurg und Präsident von Eurotransplant, Bruno Meiser. Vielen Dank für das Gespräch heute früh!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.