Schon im ersten, dunklen, tunnelartigen Gang der Ausstellung wird klar, auf was wir uns hier einlassen: Neben einer Kopie von Caravaggios Kreuzigung Petri, die Figur mit brutaler Energie diagonal ins Bild gespannt, sehen wir die erste Zeichnung, die der junge Gerard van Honthorst als Student 1616 in Rom fertigte, ebenfalls eine Kopie jenes Caravaggio-Werks.
Während der originale Caravaggio die gleißend ausgeleuchtete Petrus-Figur mit ziemlich schmutzigen Füßen schräg kopfüber in den schwarzen Bildraum drapierte, ersetzt van Honthorst ein Tuch am rechten unteren Bildrand durch das splitternde Holz des Kreuzes, er übertrumpft quasi den Meister.
Biblische Drastik und Düsternis
Das Gewalttätige in Caravaggios Bildern scheint die größte Faszination auf seine Nachfolger ausgeübt zu haben. Der gesamte erste Teil der Ausstellung besteht aus grauenvollen biblischen Szenen, in denen David das abgeschlagene Haupt des Goliath präsentiert oder Judith das des Holofernes.
Die Unterschiede zwischen den Caravaggio-Nachfolgern werden schon hier deutlich, etwa im Interesse der Franzosen Simon Vouet und Valentin de Boulogne an den theatralisch inszenierten Kleiderstoffen.
Den Niederländern Hendrick ter Brugghen, Gerard van Honthorst und Dirck van Baburen war zunächst mehr an Drastik und Düsternis gelegen. Als sie sich zwischen etwa 1612 und 1620 in Rom aufhielten, waren sie Teil einer internationalen europäischen Künstlergemeinde, die oft wohngemeinschaftsmäßig in billigen Absteigen lebte und sich gegenseitig in der Weiterentwicklung von Caravaggios Realismus anfeuerte. Eine Karte zu Beginn der Ausstellung zeigt, wo überall in Rom Caravaggios Werke zu sehen waren.
"Die Grablegung war damals ausgestellt in der Chiesa Nuova, und dort wird sie auch Dirk von Baburen gesehen haben, der eine ganz eigene Interpretation des Themas Grablegung im Stil Caravaggios findet", sagt Kurator Bernd Ebert.
Caravaggios "Grablegung Christi", ein Riesenformat, ist nun das zentrale Bild dieser Ausstellung, nach vielen Verhandlungen losgeeist aus den vatikanischen Museen. Das wie auf einer Bühne inszenierte Leiden, die körperliche Präsenz des toten Christus, die Schwere des nach unten ziehenden, hell ausgeleuchteten Körpers sind einzigartig; die links daneben hängende Variante von Dirck van Baburen bringt den Leib Christi in eine grotesk verrenkte, seitlich wegsackende Position und dynamisiert die Gruppe der Trauernden, während der aus Toulouse kommende Caravaggist Nicolas Tournier den Christuskörper in den Händen der Grabträger quasi schweben lässt - französische Eleganz noch im traurigsten Moment.
Caravaggisten aller Länder in einer Ausstellung
Eine solche Ausstellung zu Ostern zu eröffnen, ist ein Coup - zumal die gesamte Wegstrecke bis zu diesen zentralen Werken mit unfassbarer Qualität bestückt ist. Der Utrechter Gerard van Honthorst taucht die "Verspottung Christi" in mystisches Kerzenlicht, sein Kollege Hendrick ter Brugghen betont die verzerrten Gesichtszüge der Spötter.
Bei Malern wie Orazio Gentileschi oder Bartolomeo Manfredi sieht man die gleiche Szene mit einer sehr maskulin aufgefassten, muskulösen Körperlichkeit. Die Dornenkrone wird dem athletischen "König der Juden" mit brutaler Härte auf den Kopf gedrückt. "Man sieht die inszenierte Gewalt. Aber für die Caravaggisten war das ein bedeutendes Thema. Emotionen, Affekte, Handlungen darzustellen, aber zugleich auch Triumph, Körperlichkeit…"
Das bühnenhafte Hell-Dunkel ist bei den Heiligendarstellungen von Jusepe de Ribera und van Honthorst noch einmal beispielhaft zu studieren; Giovanni Serodine inszeniert "Christus unter den Schriftgelehrten" als Konzert sprechender Hände, während bei Baburen die Bücher im Mittelpunkt stehen.
Es sind düstere Ostern, die uns die Alte Pinakothek da bietet, mit Bildern, die lange nachhallen. Die von Caravaggio beeinflusste niederländische Genremalerei mit ihren fröhlichen Trinkern, Musikanten und sonstigen Sündern kommt erst ganz zuletzt zu Wort - sie ist ein stimmungsaufheiternder Abschluss einer Ausstellung, die uns vor allem mit menschlichem Leiden und auch mit Hässlichkeit konfrontiert. Die biblischen Szenen sind nur Vorwand und Folie dafür.