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Ernährungssicherheit und Bio-Energie

Energie aus nachwachsenden Rohstoffen ist in Verruf gekommen. Denn der vermehrte Anbau von Pflanzen zur Energiegewinnung ist nach Ansicht vieler Fachleute der Grund dafür, dass die Nahrungsmittelpreise steigen. Diese Diskussion über den Wettbewerb zwischen Tank und Teller wird auch auf der der Messe für erneuerbare Energien, der RENEXPO in Augsburg, eine Rolle spielen. Bereits im Vorfeld dieser Messe fand dazu eine Podiumsdiskussion statt.

Von Susanne Lettenbauer | 02.10.2008
    Rupert Schäfer gibt Entwarnung:

    "Bei dem in Europa dominierenden Biokraftstoff, das ist Biodiesel oder Rapsöl, kann man ganz klar sagen: Ein Drittel dient der Energiegewinnung, der Rest dient der Füllung des Tellers. "

    Der Referent für Agrarforschung und nachwachsende Rohstoffe am bayerischen Landwirtschaftsministerium kann die ganze Aufregung um steigende Lebensmittelpreise nicht verstehen. Erst wurden Stilllegungsprämien - die im übrigen nächstes Jahr wegfallen - von der EU an die Bauern gezahlt, damit weniger Futtermittel produziert werden, dann wurden die Zuckerkontingente drastisch um sieben Millionen Tonnen von Brüssel gekürzt, um die Märkte der neuen EU-Länder in Osteuropa zu stützen. Dass die Preise für Lebensmittel da steigen würden, war abzusehen. Schäfer wirft der EU deshalb vor, viel Porzellan zerschlagen zu haben, das man heute gut für die Produktion nachwachsender Rohstoffe nutzen könnte:

    "Diese sieben Millionen Tonnen Zucker, die in Europa derzeit nicht produziert werden, schaffen das Potential für fünf Millionen Kubikmeter Ethanol, das sind etwa vier Millionen Tonnen oder drei Prozent des gesamten europäischen Spritverbrauches in Höhe von 100 Millionen Tonnen, ohne dass da eine Konkurrenz zu Tank und Teller entsteht. "

    Auch der Leiter des Kompetenzzentrums Umwelt KUMAS aus Augsburg, Egon Beckord, sieht Versäumnisse in der europäischen Landwirtschaftspolitik. Statt auf Gentechnik oder extensive Flächennutzung zu setzen, sollten die vorhandenen Reststoffe effizient genutzt werden, zum Beispiel Stroh. Die Technik wäre vorhanden, wie die RENEXPO-Messe kommende Woche zeigen soll:

    "Ja, ich glaube, da gibt es noch eine ganze Menge so genannte Abfälle in der Landwirtschaft, die heute noch nicht energetisch genutzt werden. Die vielleicht verarbeitet werden, und das Methan, das beim Zerfall entsteht, geht heute noch in die Atmosphäre. Ist ja sogar klimaschädlich. Besser ist es dann, das Reststroh zu nehmen, um es zu verbrennen, um es energetisch sinnvoll zu nutzen. Wieder unter dem Ansatz: zur Verstromung und gleichzeitig zur Wärmenutzung. Das ist klimatechnisch und umwelttechnisch sicher besser, als es auf den Feldern liegen zu lassen. "

    Auch die energetische Nutzung von Getreide, dem Lebensmittel schlechthin, läuft die Diskussion eher in eine moralisch-ethische Richtung. Der Vertreter des Ministeriums Rupert Schäfer, aus parteipolitischen Gründen für den Landwirtschaftsminister eingesprungen, mahnt eine rationale Herangehensweise an die Diskussion an und hat die Zahlen gleich parat:

    "Da muss man wissen - 58 Prozent der europäischen Getreideernte werden verfüttert, nur 22 Prozent werden gegessen, nur 1,6 Prozent werden tatsächlich verspritet und von diesen 1,6 Prozent werden knapp die Hälfte noch verfüttert. Da braucht man sich keine Gedanken machen. Es ist sogar weltweit so, dass der Anteil für nachwachsende Rohstoffe bei zwei Prozent liegt und die spiegeln sich in Europa wider."

    Aufgabe der Industrie sei es, hochleistungsfähige Stromerzeugungsanlagen zu produzieren, um auch alle Reststoffe verwerten zu können. Zu diesem Thema organisiert Beckord im Rahmen der RENEXPO einen ganzen Tag rund um biogene Reststoffe:

    "Bei den Kraftstoffen der ersten Generation, also wenn Sie Rapskörner nehmen und abpressen und als Kraftstoff verwenden, oder wenn sie Getreide nehmen und erzeugen Ethanol, dann bleibt immer noch ein Reststoff. Bei den Rapskörnern ist es der Rapspresskuchen oder Extraktionsschrott. Das sind fast zwei Drittel des Erntegutes. Das bleibt Futtermittel. Das heißt, aus den zwei Drittel werden immer noch Milch, Fleisch und Eier produziert. Bei den Ethanollinien sind es knapp 40 Prozent, also die Hälfte. "

    Noch ist die energetische Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen sehr teuer. So konnte eine Bioethanolanlage im österreichischen Pischelsdorf erst gar nicht ans Netz gehen, weil Getreide zu teuer war.

    Die Zahl der Aussteller auf der RENEXPO mit technischen Anlagen zur Stromerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen geht gen Null, so die Vertreterin der RENEXPO Sandra Bayer-Teixeira.

    Im Gegensatz zur Verstromung von Pflanzen kostet die Herstellung von Nahrungsmittel nur 25 Prozent bis 37 Prozent im Gegensatz zu 50 Prozent bei der Energiegewinnung. Entwarnung also bei der gestrigen Podiumsdiskussion. Noch einmal KUMAS-Chef Beckord:

    "Warum baut der Bauer Getreide an? Um zunächst das Korn zu ernten als Lebensmittel. Er baut das Getreide an, um Lebensmittel zu produzieren. Die Reststoffe kann man energetisch nutzen. Da sieht man, dass es keinen Widerspruch zwischen Teller und Tank gibt."