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Memorial for Peace and Justice
Erinnerung an Lynchmorde in den USA

Mehr als 4000 Afroamerikaner wurden zwischen 1880 und 1950 in den USA gelyncht. Finanziert durch Spendengelder wurde diese Woche das National Memorial for Peace and Justice in Alabama eröffnet. Es soll an eines der grausamsten Kapitel der Unterdrückung von Schwarzen erinnern - und Aussöhnung möglich machen.

Von Thomas Reintjes |
    Blick auf das "National Memorial for Peace and Justice" in Montgomery, Alabama, mit Stahlkörpern und Bäumen davor
    Das "National Memorial for Peace and Justice" in Montgomery Alabama erinnert an die Opfer der Lynchjustiz in den USA (imago images / ZUMA Press / Jim West)
    Duane Rankin schreibt für die Lokalzeitung "Montgomery Advertiser". In einem Video beschreibt er seine ersten Eindrücke von dem Memorial in seiner Stadt, der Hauptstadt von Alabama. Es sei hart gewesen, sagt er. Vor allem die Skulpturen, die Sklaven in Ketten zeigen oder den Lynchmord an einer schwangeren Frau. Aber auch die 800 Säulen mit den Namen der Opfer hätten ihn berührt. Er hat Namen von seinen Vorfahren darauf gefunden.
    Es sei hart, aber würde die Menschen berühren. Besucher seien sogar aus dem weit entfernten Utah zur Eröffnung gekommen. Die Gedenkstätte würde Gespräche in Gang bringen - und darum ginge es schließlich.
    Unter den weit angereisten Besuchern am Eröffnungstag war auch Shirah Dedman. Sie lebt in Oakland in Kalifornien. Ihr Urgroßvater Thomas Miles wurde im Jahr 1912 gelyncht.
    "Ihm wurde vorgeworfen, eine weiße Frau belästigt zu haben. Von einem Gericht wurde er für unschuldig befunden. Und als der Sheriff ihn durch die Hintertür aus dem Gefängnis entließ, wartete dort ein Mob, der ihn nicht nur gelyncht sondern auch noch auf seine Leiche geschossen hat."
    Ihre Urgroßmutter floh mit dem Sohn der beiden von Louisiana nach Kalifornien. Das Kind war sechs Jahre alt, als sein Vater gelyncht wurde. Ein zutiefst traumatisches Erlebnis.

    "Das ist wohl ein Grund, warum der Vater meiner Mutter nie mit ihr darüber gesprochen hat. Warum ihre Großmutter nie mit ihr darüber gesprochen hat. Es war ja ihr Ehemann, der ermordet wurde."
    Tiefes Trauma in vielen Familien
    Trauma und falsche Scham haben die Familie belastet. Erst als Shirah Dedman vor einigen Jahren anfing, Details über den Lynchmord herauszufinden, kam in der Familie ein Gespräch in Gang. Vor allem für ihre Mutter und deren Schwester begann damit ein Heilungsprozess.
    "Mein Großvater war kein guter Vater. Ich glaube, herauszufinden, wie sein Vater gestorben war und dass er da schon sechs Jahre alt war und wahrscheinlich den Leichnam seines Vaters gesehen hat, das hat unseren Eindruck von ihm verändert. Meine Mutter und meine Tante können ihrem Vater jetzt vergeben. Er ist schon lange tot, aber sie spüren Vergebung und ich glaube, das hat ihnen Frieden gegeben."
    Verstehen, was geschehen ist, ein Gespräch darüber anstoßen und letztlich Vergebung und Frieden finden - genau das, was in Shirah Dedmans Familie im Kleinen geschehen ist, soll jetzt durch das Memorial im Großen geschehen. Die Gedenkstätte soll helfen, die ganze amerikanische Gesellschaft zu versöhnen. Jeder der 800 hängenden Stahlkörper, unter denen die Besucher hindurchlaufen, steht für eine Gemeinde, in der Lynchmorde stattgefunden haben. In jeder dieser Gemeinden soll der Versöhnungsprozess beginnen. Das ist die Hoffnung von Bryan Stevenson, dem Gründer der Equal Justice Initiative, die das Memorial gebaut hat.
    Auch die ortsansässige Zeitung stellt sich ihrer Vergangenheit
    "Wir wollen, dass die Leute etwas tun. Deshalb liegen Kopien dieser 800 Monumente in dem Park um das Memorial herum. Unsere Vision ist, dass sich diese Gemeinden engagieren und ihr Monument beanspruchen und es in ihrer Gemeinde aufstellen. Also das Memorial hat hier in Montgomery seinen Ursprung, aber die Vision ist, dass es überall im Land lebendig wird als eine sichtbare Erinnerung an Frieden und Gerechtigkeit, überall dort, wo das Erbe rassistischen Terrors immer noch ist."
    Am Tag der Eröffnung des Memorials schien es, als würde sich diese Hoffnung erfüllen. Denn zumindest die Lokalzeitung, der "Montgomery Advertiser", machte einen Anfang darin, sich mit der eigenen, unbequemen Geschichte auseinanderzusetzen. Die Titelseite war gefüllt mit Namen von Opfern der Lynchjustiz. Menschen, für die die Zeitung in ihrer Vergangenheit kein Mitgefühl hatte. Diese Woche schrieb die Zeitung: "Wir waren im Unrecht. Wir übernehmen die Verantwortung für unsere Verbreitung von falschen Narrativen über die Behandlung von Afroamerikanern in diesen unrühmlichen Zeiten." Viele Zeitungen hatten damals Lynchmorde angekündigt oder darüber berichtet und keinen Zweifel an der Schuld der Opfer gelassen.