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Menetekel Dexia Bank

Die belgisch-französische Dexia Bank ist das erste Opfer der europäischen Schuldenkrise. Sie soll zerschlagen werden. Doch längst wächst die Angst, dass auch andere Geldinstitute gefährdet sein könnten, zumal sich die Banken kaum noch untereinander Geld ausleihen.

Von Michael Braun |
    Es gibt einige untrügliche Zeichen dafür, dass die Staatsschuldenkrise zur Bankenkrise werden könnte. Etwa die Summe der Gelder, die die Banken bei der Europäischen Zentralbank hinterlegen. 213 Milliarden Euro waren es in der Nacht zu heute, die größte Summe seit gut einem Jahr. Das ist der beste Hinweis darauf, dass die Banken sich untereinander nicht mehr über den Weg trauen, sich gegenseitig nichts leihen, stattdessen unter Inkaufnahme von Zinsverlusten das Geld bei der EZB parken. Und wer Geld braucht, geht auch zur EZB, weil die Kollegen die Taschen dicht halten.

    „Der Interbankenmarkt ist nach wie vor gestört. Banken beschaffen sich die Liquidität hauptsächlich über die EZB",“

    sagt Uwe Angenendt, der Chefvolkswirt der BHF Bank. Fallende Aktienkurse, nach unten korrigierte Gewinnziele wie gestern bei der Deutschen Bank gehören ebenso zu den schlechten Branchennachrichten. Erst recht natürlich Bekenntnisse wie die der belgisch-französischen Dexia Bank, sie drohte illiquide zu werden. Jos Clijsters, der Präsident des Verwaltungsrates der Dexia, im belgischen Fernsehen:

    „"In den vergangenen zwei Monaten war der Finanzmarkt sehr schwierig. Das begann mit der Griechenland-Geschichte und setzte sich bei anderen Staatsanleihen fort. Deshalb hat sich der Finanzmarkt geschlossen. Das heißt: Die Kapitalbeschaffung für Dexia wurde immer schwieriger.“

    Die Dexia wird nun vermutlich aufgeteilt. Die Eigentümer – zu 45 Prozent der belgische und zu 25 Prozent der französische Staat – werden wohl mit einer Bad Bank beginnen. In die sollen dem Vernehmen nach 95 Milliarden Euro unverkäufliche Wertpapieren ausgelagert werden.

    Mit den Schwierigkeiten der Dexia ist die Staatsschuldenkrise nun endgültig im Bankensektor angekommen. Das vertrage sich durchaus mit zeitweise steigenden Kursen. Sebastian Sachs vom Bankhaus Metzler:

    „Es gibt eine große Unsicherheit hinsichtlich der Stabilität des Finanzsystems. Aber: Der Markt spekuliert auch drauf, aktuell zumindest noch, dass von Staatenseite alles getan wird, um die Banken zu retten. Das gibt dem Markt dann zumindest ganz kurzfristig wieder eine gewisse Sicherheit. Und wir müssen einfach abwarten, wie lange dieses Spiel, dieses Sich-von-Tag-zu-Tag-Hangeln noch trägt.“

    Auch der deutsche Finanzminister hat die Verstaatlichung von Banken indirekt wieder ins Gespräch gebracht. Man könne die Gesetzgebung von 2008 wieder in Kraft setzen, sagte er gestern in Luxemburg. Soll heißen: Vor allem den Rettungsfonds Soffin, der schon Bad Banks von WestLB und Hypo Real Estate auf die staatliche Kappe genommen hat, der könne wieder reaktiviert werden.

    Die Lage der Banken habe sich seit den Stresstests im Juli verschlechtert, sagte heute eine Sprecherin der EU-Kommission. Grund sei die Verschärfung der Euro-Schuldenkrise. Der Internationale Währungsfonds ließ über seinen Europa-Direktor Antonio Borges gegenüber Reuters wissen, der europäische Bankensektor brauche schnelle Geldspritzen. Den Bedarf schätzte er auf bis zu 200 Milliarden Euro. Über eine Rekapitalisierung von Banken sprach auch die Bundeskanzlerin in Brüssel mit der EU-Kommission.

    Zugleich denken die Finanzminister darüber nach, Banken zu belasten. Man will sie stärker als bisher an offenkundig verlorenen Staatsschulden beteiligen. Einerseits Banken retten und andererseits sie an der Rettung beteiligen – am Markt klingt das nicht schlüssig. Zumal die ganz große Unsicherheit nach dem EU-Gipfel von Ende Juli in den Markt kam, als die Gläubigerbeteiligung an der griechischen Staatsschuld mit 21 Prozent beschlossen wurde. Uwe Angenendt:

    „Das Problem ist natürlich die Gläubigerhaftung, die mit dem EU-Gipfel am 21. Juli beschlossen wurde. Man hat gesehen, dass diese Anleihen im Ernstfall nicht zu 100 Prozent bedient werden. Und die Investoren gehen jetzt davon aus, dass das auch in anderen Ländern möglich sein könnte, wie zum Beispiel in Spanien und auch in Italien. Und entsprechend stark ist hier der Wertberichtigungsdruck.“

    Schon wirkt sich das auf die Bonität der rettenden Staaten aus. Eine zehn Millionen Euro schwere Forderung an den deutschen Staat gegen Ausfall zu versichern, kostete gestern 121.000 Euro, so viel wie nie.

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