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Mensch und Menschenaffe
Die Spucke macht den Unterschied

Menschenaffen sind vom Genom her eng verwandt mit dem Menschen, bei Schimpansen gibt es eine Übereinstimmung von 98 Prozent. Aber der Speichel unterscheidet sich überraschend deutlich. Einer der Gründe könnte die Sprechfähigkeit des Menschen sein: Flüssigere Spucke schützt vor trockenem Mund.

Von Lucian Haas |
Zwei Schimpansen (Pan troglodytes) sitzen zusammen mit einem Jungtier auf einem Felsblock
Schimpansenfamilie: Unsere nächsten Verwandten können mit ihrer Spucke Fellpflege betreiben - diese Fähigkeit hat der Mensch verloren ... (www.imago-images.de / blickwinkel/W. Layer)
In seinem Forschungsgebiet gilt Stefan Ruhl als einer der weltweit wenigen Experten.
"Es kommt wahrscheinlich daher, weil Spucke eigentlich so im Allgemeinen als irgendetwas Unangenehmes oder als etwas Ekeliges betrachtet wird."
Für den Professor für orale Biologie an der University of Buffalo ist menschlicher Speichel allerdings ein Füllhorn der Erkenntnisse: "Wir können aus einem kleinen Tropfen Spucke wirklich sehr, sehr viele Dinge lernen. Wenn man ganz genau guckt, mit modernen Methoden, sind es mehrere Tausend Proteine, die man feststellen kann, die im Speichel sind."
Deutliche Unterschiede des Speichels von Affen und Menschen
Und diese Proteine haben vielerlei Funktionen: Sie tragen zur Verdauung von Nahrung bei, wehren Krankheitserreger ab und schmieren die Mundhöhle beim Sprechen. Wie aber, so schoss es Stefan Ruhl bei einem Zoobesuch in San Diego in den Kopf, wie verhält es sich mit dem Speichel unserer nahen Verwandten, den Primaten? Aus wissenschaftlicher Neugier heraus untersuchte er Speichelproben von Schimpansen, Gorillas und Makaken.
"Man muss dazu wissen, dass Schimpansen zum Beispiel von ihrem Genom her dem Menschen ungefähr zu 98 oder 99 Prozent identisch sind. Das heißt, wenn wir von denen Speichel abgenommen haben, haben wir ursprünglich angenommen, dass der genauso aussieht in unseren analytischen Methoden wie der von Menschen. Das war unsere Ausgangshypothese."
Aber die musste Stefan Ruhl mit seinen Mitarbeitern schon bald über den Haufen werfen: "Als wir diese beiden Muster miteinander verglichen haben, links den menschlichen Speichel, rechts den Speichel von Gorillas, da war es am Anfang so, dass ich zu meiner Doktorandin gesagt hab: Du hast einen Fehler gemacht. Du musst das Experiment nochmal wiederholen. Irgendwas stimmt da nicht."
Die Wiederholung brachte aber nur erneut das gleiche Ergebnis zutage und damit die Erkenntnis: Die Speichelstruktur der Menschenaffen und die darin enthaltenen Proteine unterscheiden sich sehr deutlich von denen des Menschen. Das beginnt schon damit, dass der Speichel der Affen viel dickflüssiger ist, fast gelartig und viskos, "während hingegen unser menschlicher Speichel meistens sehr wässrig ist".
Andere Ernährung und Sprechfähigkeit als Grund
Stefan Ruhl erklärt das zum einen mit der menschlichen Ernährung. Wir essen mehr stärkehaltige Produkte und kauen die Nahrung viel weniger. Dafür muss sie dann besser rutschen. Möglich sind auch andere evolutionäre Hintergründe, etwa eine Anpassung an das trockenere Klima afrikanischer Savannen, in denen sich die Ur-Menschen einst entwickelten. Flüssiger Speichel als Schutz vor einem trockenen Mund ist zudem für die Sprache wichtig. Und die fehlt den Menschenaffen.
"Zum Sprechen brauchen wir auch eine feuchte Mundhöhle. Das merkt man zum Beispiel: Wenn man aufgeregt ist, kriegt man auf einmal einen trockenen Mund. Und dann merkt man, dass man nicht mehr richtig sprechen kann."
Allerdings haben auch Schimpansen und Gorillas Moleküle in der Spucke, die den Menschen fehlen. Am auffälligsten ist eines namens Latherin. Dieses Protein ist vor allem als schäumender Bestandteil von Pferdeschweiß bekannt. Den Primaten hilft es vermutlich bei der Fellpflege, wenn sie sich lecken. Der Mensch hat aber sein Fell verloren, und damit wohl auch das Latherin im Speichel: "Das Gen ist zwar noch vorhandenen im menschlichen Genom, aber es ist inaktiviert."
Nur wenige Körpermerkmale unterscheiden sich so deutlich
Für Stefan Ruhl kamen viele der Erkenntnisse aus den Speichelvergleichen überraschend. Seiner Einschätzung nach gibt es nur wenige andere Körpermerkmale, bei denen sich der Mensch so deutlich von Menschenaffen unterscheidet.
"Ganz spontan fällt mir da das Gehirn ein, was beim Menschen wirklich einzigartig ist gegenüber den Schimpansen. Aber es gibt nicht so viele andere Sachen. Wenn Sie eine Leber vergleichen oder eine Niere oder einfach nur das Blut. Da sind die Unterschiede nicht so riesig wie die, die wir jetzt im Speichel entdeckt haben."