Eine amerikanische Filmfirma hat einen Löwen im Logo: Den wilden, starken, nicht zu zähmenden Löwen. Das Tier verspricht Spannung, Überraschung, Exotik.
"Dass der Mensch sich am Tier misst, ist etwas, was über die Jahrtausende hinweg immer wieder passiert. Wir sehen das bereits an den Steinzeitzeichnungen."
Antilopen, Stiere, Echsen und riesige Elefanten, gemalt an Felswände. Dreißigtausend Jahre alt, sagt Philipp Osten, Leiter des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf.
"Tiere haben eine symbolische Bedeutung, kultische Bedeutung. Auf die unterschiedlichste Art und Weise haben Menschen sich durch Tiere definiert. Sich abgegrenzt, sich ähnlich gefühlt, sich identifiziert. Das geben Kulturzeugnisse wieder."
Schon bei antiken Philosophen galt der Mensch als angeblich vielschichtigstes Lebewesen, als Krone der Schöpfung. Aus dieser Sonderstellung resultieren bis heute spezielle Rechte für den Menschen. Aber spätestens seit dem 17. Jahrhundert gerät diese Theorie ins Wanken. Da stellt unter anderen der französische Philosoph René Descartes fest, die Organe bei Tier und Mensch funktionieren gleich.
"Und dann hat er gesagt, am meisten unterscheiden sie sich dadurch, dass der Mensch etwas hat, was er Mens nennt. Man könnte das übersetzen mit Verstand. Aber man könnte es auch übersetzen mit Seele. Und damit geht er hin und schafft erstmals eine wissenschaftliche Begründung der Sonderstellung des Menschen."
Dann kam Darwin
Erschüttert wurden solche Theorien spätestens mit der Lehre Darwins: Der Mensch stammt vom Affen ab. Eine Kränkung für viele, sagt Philipp Osten. Und das bis heute. Denn wenn Mensch und Tier die gleiche Entwicklungslinie haben, darf dann der Mensch eine Sonderstellung bekommen?
"Einige Philosophen, die sagen. Mensch und Tier zu unterscheiden, ist eine rein willkürliche Setzung. Peter Singer beispielsweise vertritt die These, man könne keine generelle Trennung zwischen Mensch und Tier vornehmen. Das sei Gattizismus, analog zu Rassismus. Singer hat einen ganz positiven Ansatz. Er möchte Menschenrechte für höhere Primaten gewinnen."
Eigentlich hat der Mensch immer schon intuitiv gewusst, dass er im Grunde auch ein Tier ist, ergänzt Matthias Glaubrecht, Direktor des Centrums für Naturkunde an der Universität Hamburg. Und deshalb haben sich die Menschen immer brennend für die Tiere, ihr Verhalten und ihre Empfindungen interessiert. Nicht erst, seit europäische Eroberer zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Menschenaffen entdeckten. Wie der portugiesische Seefahrer Duarte Pacheco Pereira.
Das Tier als Massenware
Hier gibt es auch wilde Menschen, die die Alten Satyrn genannt haben. Sie sind mit Haaren bedeckt, die beinahe so rau wie die Borsten eines Schweins sind. Mit der Entdeckung von Schimpansen und Orang-Utans verschwammen die angeblich so klaren Grenzen zwischen Mensch und Tier, sagt der Evolutionsbiologe. Was trotzdem blieb, ist unser widersprüchliches Verhalten ihnen gegenüber.
"Auf der einen Seite sind sie uns sehr, sehr nahe verwandt. Und gleichzeitig behandeln wir sie zum Beispiel in Gefangenhaltung aber auch für pharmazeutische Versuche, die eben zeigt, dass wir so wie Juristen das tun: Tiere durchaus nur als Dinge und als Sache betrachten und nicht wirklich als Mitbewohner und als Mitwesen."
Die Vorstellung, dass Menschen Tiere selbstverständlich als Massenware nutzen, schlachten und verzehren dürfen, führt inzwischen dazu, dass der Mensch auch seine eigenen Lebensgrundlagen zerstört. "Wir müssen realisieren, dass wir die vielleicht wichtigsten Lebensräume auf der Erde - das sind tropische Regenwälder - dass wir sie im Augenblick tatsächlich roden für den Anbau von Soja, das ganz wichtig ist in der Ernährung für europäische Fleischesser. Das heißt, wir vernichten die Regenwälder, weil wir zu viel Fleisch essen."
Tiere sind den Menschen in vielen Dingen überlegen
Wir werden umdenken müssen. Der Mensch kann die Welt nicht gegen die Natur beherrschen. Koexistenz von Mensch, Tier und Natur ist unerlässlich für Leben auf dem Planeten Erde. Und, so Matthias Glaubrecht, auch evolutionsbiologisch gesehen, sei der Mensch keineswegs die Krone der Schöpfung, sondern eine Eintagsfliege: "Wir haben enorme Zeiträume nach mehreren Hundert Millionen Jahren des Lebens auf der Erde, nachweislich über Versteinerungen und Fossilien, wo der Mensch überhaupt keine Rolle spielt."
Tiere haben länger überlebt, sich besser angepasst. Sie sind den Menschen in vielen Dingen haushoch überlegen, sagt Sabine Schulze, Direktorin des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe. Immer hat der Mensch Tiere beobachtet, um von ihnen zu lernen. Von der Katze, die mehrere Meter in die Tiefe springen kann: "Sie fällt immer wieder auf die Pfoten. Wie gelingt ihr das, dass sie immer wieder auf die Pfoten fällt. Oder wir beschäftigen uns hier mit der Fledermaus, die nachts fliegen kann, ohne irgendwo anzustoßen. Auch das hat schon die Dürer Zeit beschäftigt. Da haben wir ein wunderbares kleines Aquarell."
Immer schon suchte der Mensch nach seiner Verbindung zum Tier, dem Tier in sich. Davon zeugen mythologische Mischwesen, halb Mensch, halb Tier. "Frauengestalten mit Federn, die Sphinxen und Sirenen, die immer auch etwas Bedrohliches hatten."
Francesco de Goyas Radierung "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" zeigt die tierischen, die unkontrollierbare Seite des Menschen. Die Visionen, denen er im Traum ausgeliefert ist. Fern aller Rationalität. Etwas Animalisches, sagt Sabine Schulze: "Deswegen auch immer wieder das Tier und das Transzendentale. Die Ägypter, die sagen, das Tier begleitet mich ins Jenseits. Immer wieder das nicht Beherrschbare aber auch Große des Tiers."