Wer Auto sagt, suggeriert der Veranstaltungskalender des Baden-württembergischen Automobilsommers 2011, denkt an Mobilität und Freiheit, an Luxus und Naturwunder, an Dynamik und Erotik. Wer jetzt ins Stuttgarter Theater geht, muss sich nicht wundern, wenn dieses frohgemute Bild Risse bekommt, obwohl, nein, weil alle diese Elemente auch vorkommen - aber mit der Lebenswirklichkeit von Menschen kollidieren, die im Bannkreis des Autos leben.
Stuttgart - Barcelona: In Automarken übersetzt bedeutet das Daimler und Seat. Diese beiden Erlebenswelten werden nun in dem Doppelprojekt des Stuttgarter Schauspiels nicht einfach addiert, sondern so verschränkt, dass die Perspektiven auf die europäische Befindlichkeit vertauscht sind: Die deutsche Regisseurin Annette Pullen inszeniert in Barcelona das Stück "Car Wash" des katalanischen Autors Marc Rosich, umgekehrt inszeniert der katalanische Regisseur Josep Galindo in Stuttgart "Das Gestell" von Soeren Voima.
Darin erlebt die Hauptfigur im Schnelldurchlauf alle Stadien vom Sponti bis zur Anpassung ans Establishment als Mitglied eines Konstruktionsteams bei eben jener Firma, die er ehedem als Symbol des Klassenfeinds betrachtet hatte. Neben ihm geht seine Ossi-Frau, im selbst gefilzten Kleid die Ikone eines tief verwurzelten Widerstands gegen aufgezwungene Systeme jeder Art, psychisch zugrunde.
Getreu dem Motto, dass es "kein richtiges Leben im falschen" geben kann, nimmt die grimmige Moritat Fahrt auf: Allein schon der Gedanke an ein Zweitauto ist Verrat an der längst zu Grabe getragenen Revolution. Die Richter sind Nazis, die Schwiegereltern Spießer in Halbhöhenlage, der technikbegeisterte Junior gerät unter die Räder eines Lasters. Dass er ein Gestell am Bein mit sich herumschleppen muss, gibt seiner Mutter den Rest. Die Familie zerfällt. Jeder für sich und allein gegen alle.
Und nebenher entdeckt man noch, dass die Chinesen Afrika aufkaufen und die Welt an den Spätfolgen dessen, was wir in dieser Stunde entscheiden, auf hunderttausende von Jahren zur Apokalypse verdammt ist. Actioneinlagen und Videoeinblendungen, auf denen große Worte abwärts fließen, der rotzige Ton, in dem der aalglatte Ökobauer von nebenan bänkelsängerhaft die Story in fetzigen Episoden präsentiert und überheblich-bissig kommentiert, machen dieses anspielungsreiche, eher sehr deutsche und gedankenschwere Stück zu einem Feuerwerk des Witzes.
Die gleiche Trümmerlandschaft aus ausrangierten Elektrogeräten, Waschmaschinen, Kühlschränken, Spielautomaten, nur anders zusammengesetzt: "Car Wash". Und eine vergleichbare Ausgangslage: "Wenn Seat hustet, bekommt ganz Spanien die Grippe". Das Personal: nicht mehr akademisch Leidende aus dem mittleren Management, sondern Leute an der Basis. Dort, wo der Mythos Auto seine irrwitzigsten Triumphe feiert und seine bittersten Niederlagen erlebt: an der Tanke irgendwo in der Pampa, am Rande einer geplatzten Investmentblase, sprich halbfertigen Trabantenstadt.
Dort, wo die großspurig angelegten Straßen im Nichts enden, dienen sie nur noch einem Rennen jugendlicher Autofreaks auf tiefer gelegten Schlitten mit Spoilern und bis zum Platzen getunten Motoren. Eine hippe Konsum-Generation, dargestellt durch ein Pärchen: sie in rotem Retro-Kleidchen, Turmfrisur und Klapperpumpsen; ein kichernder Automaten-Junkie zwischen Friseuse, Kosmetik-Salon und Disco. Er Macho, Großmaul und geborener Loser zugleich.
Dazu eine auf der Strecke gebliebene Rest-Familie. Wunderbar der Vater, eine lebende Ruine aus Wehmut, Rissen und sanfter Erinnerung, den die junge Generation rabiat aus seiner Dienstmontur stülpt, um selber das Ruder in die Hand zu nehmen und das Projekt eines zum Ruin verurteilten Auto-Wasch-Salons voranzutreiben; obligatorische Machbarkeitsstudie und strategischer Geschäftsplan inklusive. Doch die Carwash-Bürsten werden nur kurz rotieren und dann wieder in sich zusammenfallen. Keine Kunden. Kein Leben. Crash - Blaulicht - Stille.
Der forcierte Zweckoptimismus und die turnerischen Effizienzverrenkungen gehen ins Leere. Ein zum Schreien komisches Melodram des Scheiterns, das an grotesker Sehnsüchtigkeit Godot oder Tschechows auf 'Moskau' harrenden Figuren in nichts nachsteht. Eine virtuose, im Wortsinn leichtfüßig präsentierte Mischung aus Ernsthaftigkeit und Zerfall. Deren größter Unterschied zu dem deutschen Stück gibt freilich am meisten zu denken: diese aktivistischen outcasts der Industriewelt bewahren bei aller Komik selbst auf dem Schrottplatz ihrer Ambitionen eine Würde und eine Restsympathie, die sie, trotz allem, untereinander verbindet.
Stuttgart - Barcelona: In Automarken übersetzt bedeutet das Daimler und Seat. Diese beiden Erlebenswelten werden nun in dem Doppelprojekt des Stuttgarter Schauspiels nicht einfach addiert, sondern so verschränkt, dass die Perspektiven auf die europäische Befindlichkeit vertauscht sind: Die deutsche Regisseurin Annette Pullen inszeniert in Barcelona das Stück "Car Wash" des katalanischen Autors Marc Rosich, umgekehrt inszeniert der katalanische Regisseur Josep Galindo in Stuttgart "Das Gestell" von Soeren Voima.
Darin erlebt die Hauptfigur im Schnelldurchlauf alle Stadien vom Sponti bis zur Anpassung ans Establishment als Mitglied eines Konstruktionsteams bei eben jener Firma, die er ehedem als Symbol des Klassenfeinds betrachtet hatte. Neben ihm geht seine Ossi-Frau, im selbst gefilzten Kleid die Ikone eines tief verwurzelten Widerstands gegen aufgezwungene Systeme jeder Art, psychisch zugrunde.
Getreu dem Motto, dass es "kein richtiges Leben im falschen" geben kann, nimmt die grimmige Moritat Fahrt auf: Allein schon der Gedanke an ein Zweitauto ist Verrat an der längst zu Grabe getragenen Revolution. Die Richter sind Nazis, die Schwiegereltern Spießer in Halbhöhenlage, der technikbegeisterte Junior gerät unter die Räder eines Lasters. Dass er ein Gestell am Bein mit sich herumschleppen muss, gibt seiner Mutter den Rest. Die Familie zerfällt. Jeder für sich und allein gegen alle.
Und nebenher entdeckt man noch, dass die Chinesen Afrika aufkaufen und die Welt an den Spätfolgen dessen, was wir in dieser Stunde entscheiden, auf hunderttausende von Jahren zur Apokalypse verdammt ist. Actioneinlagen und Videoeinblendungen, auf denen große Worte abwärts fließen, der rotzige Ton, in dem der aalglatte Ökobauer von nebenan bänkelsängerhaft die Story in fetzigen Episoden präsentiert und überheblich-bissig kommentiert, machen dieses anspielungsreiche, eher sehr deutsche und gedankenschwere Stück zu einem Feuerwerk des Witzes.
Die gleiche Trümmerlandschaft aus ausrangierten Elektrogeräten, Waschmaschinen, Kühlschränken, Spielautomaten, nur anders zusammengesetzt: "Car Wash". Und eine vergleichbare Ausgangslage: "Wenn Seat hustet, bekommt ganz Spanien die Grippe". Das Personal: nicht mehr akademisch Leidende aus dem mittleren Management, sondern Leute an der Basis. Dort, wo der Mythos Auto seine irrwitzigsten Triumphe feiert und seine bittersten Niederlagen erlebt: an der Tanke irgendwo in der Pampa, am Rande einer geplatzten Investmentblase, sprich halbfertigen Trabantenstadt.
Dort, wo die großspurig angelegten Straßen im Nichts enden, dienen sie nur noch einem Rennen jugendlicher Autofreaks auf tiefer gelegten Schlitten mit Spoilern und bis zum Platzen getunten Motoren. Eine hippe Konsum-Generation, dargestellt durch ein Pärchen: sie in rotem Retro-Kleidchen, Turmfrisur und Klapperpumpsen; ein kichernder Automaten-Junkie zwischen Friseuse, Kosmetik-Salon und Disco. Er Macho, Großmaul und geborener Loser zugleich.
Dazu eine auf der Strecke gebliebene Rest-Familie. Wunderbar der Vater, eine lebende Ruine aus Wehmut, Rissen und sanfter Erinnerung, den die junge Generation rabiat aus seiner Dienstmontur stülpt, um selber das Ruder in die Hand zu nehmen und das Projekt eines zum Ruin verurteilten Auto-Wasch-Salons voranzutreiben; obligatorische Machbarkeitsstudie und strategischer Geschäftsplan inklusive. Doch die Carwash-Bürsten werden nur kurz rotieren und dann wieder in sich zusammenfallen. Keine Kunden. Kein Leben. Crash - Blaulicht - Stille.
Der forcierte Zweckoptimismus und die turnerischen Effizienzverrenkungen gehen ins Leere. Ein zum Schreien komisches Melodram des Scheiterns, das an grotesker Sehnsüchtigkeit Godot oder Tschechows auf 'Moskau' harrenden Figuren in nichts nachsteht. Eine virtuose, im Wortsinn leichtfüßig präsentierte Mischung aus Ernsthaftigkeit und Zerfall. Deren größter Unterschied zu dem deutschen Stück gibt freilich am meisten zu denken: diese aktivistischen outcasts der Industriewelt bewahren bei aller Komik selbst auf dem Schrottplatz ihrer Ambitionen eine Würde und eine Restsympathie, die sie, trotz allem, untereinander verbindet.