Menschenrechte bei der EURO 2024
"Der Mehrwert für die Menschen könnte groß sein"

Der Deutsche Fußball Bund hat zusammen mit der UEFA eine gemeinsame Menschenrechtserklärung vorgestellt. Der Verband spricht von einem "Meilenstein", und auch vor dem Hintergrund anstehender Fußballturniere könnte diese Initiative einen großen Mehrwert bieten, meint Patricia Wiater, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Patricia Wiater im Gespräch mit Christian von Stülpnagel | 18.11.2023
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und für Heimat, spricht auf einer Veranstaltung zur Unterzeichnung einer Menschenrechtserklärung zur UEFA EURO 2024.
Politik und Fußballverbände haben eine Menschenrechtserklärung zur UEFA EURO 2024 unterzeichnet. Die Erklärung benennt die Verantwortlichkeit zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte beim Turnier. (picture alliance / dpa / Hannes P Albert)
Sieben Monate vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft hat der DFB zusammen mit der UEFA eine gemeinsame Menschenrechtserklärung vorgestellt. Mit der Initiative bekannten sich sowohl Mitglieder der Bundesregierung als auch Vertreter von DFB und UEFA zu fairen Arbeits- und Lebensbedingungen.
Eine Premiere im internationalen Fußballgeschäft, das vom DFB folglich als "Meilenstein" bepriesen wurde. Doch auch nach Ansicht von Patricia Wiater, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg, kann der Mehrwert dieser Initiative von großem Ausmaß sein:
"Wir sehen hier das Ziel, dass die Beteiligten sich verpflichten, Menschenrechtsverletzungen zu erkennen, zu verhindern, abzufedern, und abzuhelfen, einen effektiven Beschwerdemechanismus zu etablieren. Wenn wir daran denken, welche Risiken mit Sportgroßveranstaltungen verbunden sind, dann könnte da tatsächlich ein Meilenstein erreicht sein, wenn so etwas wie Diskriminierungen von Teilnehmerinnern und Teilnehmern verhindert werden könnte."

Innovation auf sportlicher Seite

Wiater sieht in der Erklärung große Potenziale, um Menschenrechtsverstöße entweder zu verhindern oder im Ernstfall schnell zu ahnden:
"Wenn Vorfälle von Rassismus idealerweise präventiv verhindert werden oder dann schnell sanktioniert und verfolgt werden – der Mehrwert praktisch für die Menschen könnte sehr groß sein."
Doch während durch die Unterzeichnung für die staatlichen Akteure faktisch keine neuen Pflichten entstehen, so bedeutet die Initiative besonders für die Seite der sportlichen Akteure eine Neuerung: "Die UEFA hat eine solche Erklärung bislang nicht unterzeichnet. Es ist das erste Commitment zur Einhaltung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte."

Abstraktes Marketingkonzept oder praktischer Maßnahmenkatalog?

Die juristische Verpflichtung, die der Erklärung zugrunde liegt, sei nach Ansicht von Wiater nicht nur als begriffliche Leitidee zu verstehen, sondern habe auch konkrete Maßnahmen zur Folge. So würden in einem ersten Punkt alle Stadien und "das gesamte Fußball-Ökosystem fü alle zugänglich gemacht werden". Ein klarer Schritt in Richtung Inklusion, so die Professorin für Öffentliches Recht: "Das wird man genau beobachten und auch bemessen können."
Doch auch auf Faktoren abseits des Stadions habe die Initiativen gezwungenermaßen Konsequenzen: "Es gibt ein Commitment, dass bei Merchandise- und Sportartikeln auf die Menschenrechtskonformität geachtet wird. Auch das wird man genau kontrollieren können."
Die größten Auswirkungen erwartet Wiater jedoch durch die Einführung einer neuen Anlaufstelle: "Vielleicht die maßgeblichste [...] ist die Einrichtung einer neuen Beschwerdestelle." Noch der Anlaufpunkt, der zur präventiven Verhinderung und strafrechtlichen Ahndung von Verstößen dienen soll, ist noch nicht eingerichtet: "Da gibt es laute Kritik." Nicht ohne Gerechtfertigung, findet Wiater: "Es hängt viel von der kommenden Zeit ab, wie effektiv dieser Mechanismus sein wird."

Einfluss auf aktuelle Konflikte: "Sport muss aktiv reagieren"

Mit Blick auf aktuelle Konflikte und Kriege müsse der Sport nach Ansicht der Professorin klare Kante zeigen: "Wie gehen wir damit um, wenn bei Fußballspielen Flaggen gezeigt werden, die ein Bekenntnis für das eine oder andere Land zum Ausdruck bringen? Oder wenn Fans antisemitische Symbole zum Ausdruck bringen oder Parolen rufen? Da muss der Sport aktiv reagieren."
Von Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, wurde die Initiative als "Standard für nachfolgende Sportgroßveranstaltungen" beworben. Das kann jedoch in erster Linie als Hoffnung interpretiert werden – denn die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 wird höchstwahrscheinlich in Saudi-Arabien stattfinden. Dazu wollten die unterzeichnenden Parteien zunächst nicht Stellung beziehen. Eine wachsende Problematik, findet auch Wiater:
"Das wird eine große Herausforderung sein, ganz zentral für die FIFA, die selbst ein aktives Menschenrechtsbekenntnis abgegeben hat. Ich sehe da Schwierigkeiten." Denn Teil der UN-Leitprinzipien sei es, auf Länder einzuwirken, "um Verbesserungen zu bewirken", so Wiater. Doch entscheidend sei auch das gastgebende Land: "Ich glaube, dass man dieses Menschenrechts-Commitment nur dann aufrechterhalten kann, wenn es ein Land ist, das sich öffnet für diese kritischen Nachfragen und konkrete Reformprozesse, ansonsten ist es tatsächlich wenig mehr als ein Lippenbekenntnis."