"Die Bundesregierung erwartet von den internationalen Sportorganisationen, dass sie bei der Auswahl der Ausrichter von Sportgroßveranstaltungen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nach Maßgabe der UN Guiding Principles on Business and Human Rights genügen."
Das antwortet das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der UN sollen Menschenrechtsverletzungen verhindern und nehmen Wirtschaftsunternehmen in die Verantwortung. Für Peter Heidt, Obmann der Freien Demokraten im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, ist das nicht genug. Der Sport, so Heidt, müsse durch die geplanten Richtlinien zu den Lieferkettengesetzen klar umfasst werden. Auch auf europäischer Ebene.
"Es ist ja völlig eindeutig, dass diese Sportgroßveranstaltungen auch eine enorme wirtschaftliche Dimension haben. Das kann man doch nicht von der Hand weisen. Da werden Millionen, teilweise Milliarden verdient und umgesetzt. Und das bedeutet, dass bei der Vergabe zwingend entsprechende Regelungen eingeführt werden mit einem Sanktionsmechanismus."
Es geht wohl nur über Druck
Den Sport vollumfänglich für die Menschenrechtsproblematik zu sensibilisieren, gehe wohl nur über Druck, so Heidt. Ein Beispiel ist das Vorgehen der Internationalen Eishockey-Föderation mit seiner geplanten WM in Belarus. Trotz massiver Kritik hielt der Verband an dem Turnier bei Diktator Alexander Lukaschenko fest. Erst als Sponsoren drohten sich zurückzuziehen, lenkte die IIHF ein und entzog Belarus die WM.
Auch andere Verbände planen ihre Großveranstaltungen in Ländern mit problematischen Menschenrechtssituationen. So ist der europäische Radsportverband UEC weiterhin gewillt seine Bahnrad-EM in der belarusischen Hauptstadt Minsk abzuhalten.
Der Radsport-Weltverband UCI will seine Bahnrad-Weltmeisterschaft in Turkmenistan veranstalten. Das Regime von Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow ist eines der brutalsten der Welt. Das Land ist auf dem vorletzten Platz der Rangliste der Pressefreiheit. Im nächsten Jahr findet dann die Fußball-WM in Katar statt und im kommenden Februar die Olympischen Winterspiele in Peking.
Das IOC vermeidet bisher jegliche Kritik an China
Für Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch in Deutschland, müsse sich die Bundesregierung viel stärker positionieren: "Man verweist auf die Menschenrechtsrichtlinien, die aber nicht in die Entscheidungen, die schon gefallen sind, reinspielen. Wo man sich dann fragen muss: warum soll das nicht auch rückwirkend gelten? Es sind tatsächlich jetzt stattfindende Menschenrechtsverbrechen, auf die jetzt reagiert werden muss. Warum sagt man ja, es ist ein Menschenrechtsvergehen, aber wir machen jetzt nichts dagegen."
Das IOC um seinen Präsidenten Thomas Bach vermeidet bisher jegliche Kritik am Ausrichter China. Man sei keine politische Organisation. Doch den Umgang mit Menschenrechten und der uigurischen Bevölkerung könne man nicht ignorieren, so FDP-Politiker Heidt.
"Ich bin nicht jemand, der jetzt hier und heute ein Boykott der Olympischen Spiele fordert. Aber wenn man als IOC nicht bald erkennt, dass man hier mit China anders umgehen muss wenn man also glaubt, man könnte jetzt sozusagen 'business as usual' machen, dann provoziert man nur, dass dann doch die Forderungen nach dem Boykott größer werden."
Sportveranstaltungen haben keine Besserung gebracht
In ihrer Antwort hält die Bundesregierung fest, dass öffentliche Aufmerksamkeit ein "wichtiges Instrument" sein könne, "um eine problematische Menschenrechtssituation in einem Land positiv zu beeinflussen". Der von einer Sportgroßveranstaltung ausgehende Werbeeffekt könne "die Regierung eines Austragungslandes unter Umständen auch stärken". Generell, sei der Bundesregierung nicht bekannt, "dass sich in den vergangenen zehn Jahren die Menschenrechtslage in einem Staat allein aufgrund der Ausrichtung einer Sportgroßveranstaltung dauerhaft verbessert hätte."
Dies müssen Folgen haben, fordert Wenzel Michalski von Human Rights Watch: "Wenn man schon die Autonomie hervorhebt. Sie sagt: wir können den da nicht reinreden, wo die Spiele stattfinden sollen. Dann muss man da aber zumindest auch protestieren. Und dann zu der Eröffnung dieser Spiele, die ja immer groß ausgeschlachtet werden, zu PR-Zwecken zu Propagandazwecken dann eben auch nicht hochrangig dort erscheinen."
Doch auch national besteht Nachholbedarf. Die Sportverbände sollten sich auch hierzulande umfassend zu Menschenrechten verpflichten, so Peter Heidt: "Die Bundesregierung muss nach meiner Auffassung mehr Druck in diesem Bereich ausüben, dass sich eben die deutschen Verbände mehr um das Thema Menschenrechte kümmern. Ich glaube, dass alle Verbände in Deutschland in ihren Statuten Passagen zu Menschenrechten brauchen. Das ist für mich überfällig."