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Menschenrechte im Sport
Bundesregierung: UN-Prinzipien bei Sportevent-Vergabe einhalten

Bei der Vergabe von Großveranstaltungen durch die Sportverbände sollten aus Sicht der Bundesregierung auch Menschenrechte berücksichtigt werden. Dass durch eine Vergabe eines Sportgroßevents die Menschenrechtssituation grundsätzlich verbessert werden könnte, hält die Bundesregierung eher für nicht möglich.

Von Robert Kempe | 27.03.2021
Deutsche Fußball-Nationalelf mit Buchstaben auf Trikots, die zusammen "Human Rights" ergeben
Die Aktion der Nationalelf richtete sich gegen Menschenrechtsverletzungen in Katar. (dpa / Tobias Schwarz)
"Die Bundesregierung erwartet von den internationalen Sportorganisationen, dass sie bei der Auswahl der Ausrichter von Sportgroßveranstaltungen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nach Maßgabe der UN Guiding Principles on Business and Human Rights genügen."
Das antwortet das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der UN sollen Menschenrechtsverletzungen verhindern und nehmen Wirtschaftsunternehmen in die Verantwortung. Für Peter Heidt, Obmann der Freien Demokraten im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, ist das nicht genug. Der Sport, so Heidt, müsse durch die geplanten Richtlinien zu den Lieferkettengesetzen klar umfasst werden. Auch auf europäischer Ebene.
"Es ist ja völlig eindeutig, dass diese Sportgroßveranstaltungen auch eine enorme wirtschaftliche Dimension haben. Das kann man doch nicht von der Hand weisen. Da werden Millionen, teilweise Milliarden verdient und umgesetzt. Und das bedeutet, dass bei der Vergabe zwingend entsprechende Regelungen eingeführt werden mit einem Sanktionsmechanismus."
Beachvolleyball German Beach Trophy am 20.01.2021 in Duesseldorf Mitsubishi Electric Halle Karla Borger *** Beachvolleyball German Beach Trophy on 20 01 2021 in Duesseldorf Mitsubishi Electric Halle Karla Borger
Beachvolleyball-Turnier in Katar - "Etwas, was man hinterfragen muss"
Weil sie nicht im üblichen Sportbikini spielen dürfen, boykottiert das deutsche Beachvolleyball-Duo Karla Borger und Julia Sude ein Turnier in Katar. Ihre Kritik richtet sich vor allem an den Weltverband.

Es geht wohl nur über Druck

Den Sport vollumfänglich für die Menschenrechtsproblematik zu sensibilisieren, gehe wohl nur über Druck, so Heidt. Ein Beispiel ist das Vorgehen der Internationalen Eishockey-Föderation mit seiner geplanten WM in Belarus. Trotz massiver Kritik hielt der Verband an dem Turnier bei Diktator Alexander Lukaschenko fest. Erst als Sponsoren drohten sich zurückzuziehen, lenkte die IIHF ein und entzog Belarus die WM.
Auch andere Verbände planen ihre Großveranstaltungen in Ländern mit problematischen Menschenrechtssituationen. So ist der europäische Radsportverband UEC weiterhin gewillt seine Bahnrad-EM in der belarusischen Hauptstadt Minsk abzuhalten.
Der Radsport-Weltverband UCI will seine Bahnrad-Weltmeisterschaft in Turkmenistan veranstalten. Das Regime von Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow ist eines der brutalsten der Welt. Das Land ist auf dem vorletzten Platz der Rangliste der Pressefreiheit. Im nächsten Jahr findet dann die Fußball-WM in Katar statt und im kommenden Februar die Olympischen Winterspiele in Peking.
Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland
Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland (imago/jürgen heinrich)

Das IOC vermeidet bisher jegliche Kritik an China

Für Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch in Deutschland, müsse sich die Bundesregierung viel stärker positionieren: "Man verweist auf die Menschenrechtsrichtlinien, die aber nicht in die Entscheidungen, die schon gefallen sind, reinspielen. Wo man sich dann fragen muss: warum soll das nicht auch rückwirkend gelten? Es sind tatsächlich jetzt stattfindende Menschenrechtsverbrechen, auf die jetzt reagiert werden muss. Warum sagt man ja, es ist ein Menschenrechtsvergehen, aber wir machen jetzt nichts dagegen."
Jubel in Peking nach Bekanntgabe des Zuschlags für die Olympischen Winterspiele 2022.
Kritik an Olympia 2022 in Peking nimmt Fahrt auf
Die Situation der Uiguren in China hat sich nach den Olympia 2008 in Peking verschlechtert – entgegen der Einschätzung der Befürworter. Dennoch will das IOC 2022 wieder Spiele in Peking austragen, diesmal im Winter.
Das IOC um seinen Präsidenten Thomas Bach vermeidet bisher jegliche Kritik am Ausrichter China. Man sei keine politische Organisation. Doch den Umgang mit Menschenrechten und der uigurischen Bevölkerung könne man nicht ignorieren, so FDP-Politiker Heidt.
"Ich bin nicht jemand, der jetzt hier und heute ein Boykott der Olympischen Spiele fordert. Aber wenn man als IOC nicht bald erkennt, dass man hier mit China anders umgehen muss wenn man also glaubt, man könnte jetzt sozusagen 'business as usual' machen, dann provoziert man nur, dass dann doch die Forderungen nach dem Boykott größer werden."

Sportveranstaltungen haben keine Besserung gebracht

In ihrer Antwort hält die Bundesregierung fest, dass öffentliche Aufmerksamkeit ein "wichtiges Instrument" sein könne, "um eine problematische Menschenrechtssituation in einem Land positiv zu beeinflussen". Der von einer Sportgroßveranstaltung ausgehende Werbeeffekt könne "die Regierung eines Austragungslandes unter Umständen auch stärken". Generell, sei der Bundesregierung nicht bekannt, "dass sich in den vergangenen zehn Jahren die Menschenrechtslage in einem Staat allein aufgrund der Ausrichtung einer Sportgroßveranstaltung dauerhaft verbessert hätte."
Das Maskottchen steht im Schnee vor dem Stadion.
Chinas Führung möchte keine kritischen Fragen
In einem Jahr sollen in Peking die Olympischen Winterspiele 2022 beginnen. Kritische Fragen, etwa zur Covid-Problematik und zu Chinas Einreisesperren, werden vom chinesischen Olympischen Komitee nicht beantwortet.
Dies müssen Folgen haben, fordert Wenzel Michalski von Human Rights Watch: "Wenn man schon die Autonomie hervorhebt. Sie sagt: wir können den da nicht reinreden, wo die Spiele stattfinden sollen. Dann muss man da aber zumindest auch protestieren. Und dann zu der Eröffnung dieser Spiele, die ja immer groß ausgeschlachtet werden, zu PR-Zwecken zu Propagandazwecken dann eben auch nicht hochrangig dort erscheinen."
Doch auch national besteht Nachholbedarf. Die Sportverbände sollten sich auch hierzulande umfassend zu Menschenrechten verpflichten, so Peter Heidt: "Die Bundesregierung muss nach meiner Auffassung mehr Druck in diesem Bereich ausüben, dass sich eben die deutschen Verbände mehr um das Thema Menschenrechte kümmern. Ich glaube, dass alle Verbände in Deutschland in ihren Statuten Passagen zu Menschenrechten brauchen. Das ist für mich überfällig."