Gauck begrüßte den Gast aus Peking und dessen Frau Peng Liyuan mit militärischem Zeremoniell im Schloss Bellevue. Bei einem gemeinsamen Mittagessen lobte Gauck die Ankündigung Chinas, den Rechtsstaat ausbauen zu wollen und das Justizsystem weiterzuentwickeln. Gleichzeitig wies er seinen chinesischen Amtskollegen aber auch darauf hin, dass sich China an weltweite Regeln halten müsse, wie zum Beispiel die in der Charta der Vereinten Nationen.
Gauck erwähnte dabei explizit das Thema Menschenrechte und ermunterte Xi zu weiteren Anstrengungen: "Ich bin sicher: Sie werden umso mehr Erfolg haben, wenn Sie den Weg, den Sie nun einschlagen wollen, konsequent gehen – einen Weg zu mehr Wettbewerb und zu einem Rechtssystem, in dem keiner über dem Gesetz stehen soll", sagte der Bundespräsident laut Redemanuskript.
Vor Schloss Bellevue hatten sich mehrere Dutzend Menschen, um gegen Xi zu demonstrieren, darunter Uiguren und Tibeter. Aber auch pro-chinesische Gruppen hatten sich vor der Ankunft des Staatspräsidenten vor dem Schloss eingefunden.
"An diesen Staatsbesuch knüpfe ich die Erwartung, eine wegweisende Blaupause für das zukünftige chinesisch-deutsche Verhältnis zusammen mit führenden Politikern zu zeichnen", sagte Xi bei seiner Ankunft am Berliner Flughafen Tegel. Der Staats- und Parteichef wolle in "eine neue Phase feiner Abstimmung und tiefgehender Koppelung" mit Deutschland eintreten. Es ist der erste Staatsbesuch eines chinesischen Präsidenten in Deutschland seit acht Jahren.
Am Nachmittag trifft Xi mit Kanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt zusammen. Chinas Präsident hält zudem eine außenpolitische Rede. Xi war auf seiner Europareise bereits drei Tage in Frankreich, wo er um mehr Offenheit für Investitionen warb.
Xi würdigt gemeinsame Tugenden
Bei den Gesprächen wird es weniger um neue wirtschaftliche Impulse gehen, sondern mehr um internationale Krisen wie den Konflikt mit Russland um die Krim. Auch die Situation der Menschenrechte in China dürfte zur Sprache kommen. "Lasst uns unsere Differenzen in einem Dialog auf Augenhöhe und mittels freundschaftlicher Konsultationen ansprechen", schrieb Xi in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
"Obwohl die historischen Traditionen und die Entwicklungswege Chinas und Deutschlands nicht völlig kongruent sind, so verfügen beide Nationen doch über viele gemeinsame Tugenden, wie zum Beispiel Fleiß und Ausdauer, Bescheidenheit und Gewissenhaftigkeit, Gründlichkeit und Tatkraft sowie Mut zur Neuerung", schrieb Xi. "Dies sind hervorragende Voraussetzungen für das gegenseitige Verständnis, für Nähe und gegenseitigen Respekt sowie für die gegenseitige Ergänzung zwischen den beiden Völkern."
China lote seine Außenpolitik momentan aus und sei auf der Suche nach neuen Partnern, sagte der Chinakenner Sebastian Heilmann, Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien, im Deutschlandfunk. "Wir sehen hier den Beginn einer chinesischen Schaukelpolitik", sagte Heilmann, "wo die größten Vorteile jeweils zu finden sind in den Beziehungen zum Westen und in den Beziehungen zu Russland". Dabei könne Berlin als Drehscheibe fungieren, da es in China im Ruf stehe, "ein ehrlicher Makler" ohne geostrategische Interessen in Asien zu sein.
Leise Kritik an Peking
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit sei auf einem guten Weg, erklärte Xi. "Wenn chinesische Wachstumsraten und deutsche Qualität sich die Hand reichen, dann wird das für die Wirtschaften Chinas und Europas, ja der ganzen Welt enorme Wachstumsmöglichkeiten schaffen." Konkret wird ein engere Kooperation zwischen Deutscher Börse und Bank of China bei Xis Staatsbesuch besiegelt. So soll Frankfurt zur wichtigen Drehscheibe für den Handel mit dem chinesischen Yuan in der Euro-Zone werden. Aber auch der deutsche Handel klagt, von vielen Staatsaufträgen ausgeschlossen zu werden. Die Volksrepublik hält außerdem den Kurs ihrer Währung Yuan niedrig und verschafft sich damit Preisvorteile im internationalen Wettbewerb.
Menschenrechtler forderten, dass Merkel auch das Schicksal des chinesischen Künstlers Ai Weiwei ansprechen soll, der zu einer großen Ausstellung seiner Werke in der kommenden Woche in Berlin bisher nicht ausreisen darf. Ein Freundeskreis des Künstlers appellierte in einer ganzseitigen Zeitungsanzeige an Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, sich für die Reisefreiheit von Ai Weiwei einzusetzen.