Es war nicht wirklich Liza Minelli selbst, die zu den Klängen von Maurice Ravels "Bolero" dann im Diva-Schritt auf der Bühne erschien, aber ein ihr sehr Ähnliches Double – einer von neun transsexuellen Männern und Frauen, die in Alain Platels neuem Stück "Gardenia" ihre überwiegend alten Körper ausstellen.
In ihre Biografien, ihre Gefühle, ihre Gedanken, ihre Seelen blickt das Stück nicht. Mehr als anderthalb Stunden geschieht zu wechselnden klassischen Kompositionen oder Schlagermusik nicht viel mehr als ein paar Perückenwechsel. Schuhe aus, Socken aus, Krawatte ab, Anzug, Hemd, aus, Blümchenkleid an. Alte Leute in komischen Verkleidungen. Sie geben zu viel Rouge auf ihre faltigen Wangen, sie beschweren ihre Lider mit soviel Lidschatten und so dicken falschen Wimpern, dass ihr Blick schon deshalb so traurig wirkt, weil es so anstrengend ist, die Augen weit zu öffnen. Natürlich strahlen diese seltsamen Entertainer manchmal auch. Aber ein Hauch von Nostalgie liegt wie zu schweres Parfüm über dem Abend, denn, wie der Conferencier mit Bass-Stimme eingangs erklärt, ihr Cabaret "Gardenia" ist tot, es wird geschlossen. Wir erleben also den letzten Abend in einem Transvestitenschaugeschäft.
Alles geht hier unendlich langsam vor sich. Alain Platel, der belgische Tanztheaterregisseur, stiehlt den Zuschauern in "Gardenia" nicht nur die Zeit, er betrügt sie auch um all die interessanten Geschichten, die seine faszinierenden Darsteller bestimmt erzählen könnten, wären sie nun wahr oder erfunden. Stattdessen darf man ihnen nur dabei zuschauen, wie sie das tun, was sie wohl am allerliebsten tun: Sich als zu dick geschminkte, überauffällig herausgeputzte Frauen zu verkleiden.
Aber auch dafür – oder weil sie dabei so umwerfend liebenswürdig wirken – gibt es Applaus – echten und eingespielten.
Nicht frei von spöttischen Anspielungen auf Alain Platels letztes Stück "Out of Context", in dem die Tänzer als bloß instinktgeleitete Wesen mit heruntergefahrenem Verstand seltsame Geräusche produzierten und ihre Glieder verdrehten, vielleicht sogar als sarkastische Kritik an einem Tanztheater, das nur noch dislozierte Körper zur Schau stellt, haben die Tänzer Pieter Ampe und Guilherme Garrido ihr Duett ohne Musik "Still Standing You" entworfen. "Still Standing You" muss hier wohl bedeuten, dass einer den anderen immer noch aushält. Und das ist ganz wörtlich zu verstehen. Anfangs liegt Ampe auf dem Rücken, die Beine in Domestos-gefärbten Jeans und Turnschuhen im Neunzig-Grad-Winkel in die Luft gestreckt, und Garrido sitzt oben auf seinen Fußsohlen. Doch als Nächstes steht er bereits auf den ausgestreckten Armen von Ampe. Begleitet von tiefen Bass-Grunzern, einem wiederholten gequälten und zugleich drohenden Stöhnen, verwickeln sich die beiden in einen zentimetergenau durchchoreographierten Kampftanz.
Das sieht irrsinnig athletisch aus, richtig gefährlich und mitunter wahnsinnig komisch. Nach wenigen Minuten sind die beiden Ringer schweißnass, während das Publikum lacht und lacht. Dann fliegen die Kleider der beiden ins Publikum und die Kämpfer rücken einander bis in die intimsten Bereiche auf den Leib. Bald wirken sie wie Gestalten der antiken Mythologie, kämpfende Zentauren oder doppelköpfige Monstren, bald meint man, das Dschungelmonster aus der amerikanischen Fernsehserie "Lost" endlich nicht nur zu hören, sondern auch zu hören. Solche Assoziationen an die Bildwelten und Heldenerzählungen der zeitgenössischen Populärkultur sind beabsichtigt. Absolut faszinierend deutlich wird, welche Sensibilität für den anderen entwickeln muss, wer so planvoll brutal mit ihm umgehen will. Moderne Helden.
Atemberaubend provokativ und also auch nicht sehr subtil, aber sehr wirkungsvoll zeigte Héla Fattoumi in ihrem Solo "Manta", was das Tragen einer Burka auf der Bühne für eine arabischstämmige französische Tänzerin bedeutet. Ihre visuell eindringlichen Bilder des Kampfes in einem und gegen ein Kleidungsstück waren ein aufregender Beitrag – ganz klar gegen die Burka.
In ihre Biografien, ihre Gefühle, ihre Gedanken, ihre Seelen blickt das Stück nicht. Mehr als anderthalb Stunden geschieht zu wechselnden klassischen Kompositionen oder Schlagermusik nicht viel mehr als ein paar Perückenwechsel. Schuhe aus, Socken aus, Krawatte ab, Anzug, Hemd, aus, Blümchenkleid an. Alte Leute in komischen Verkleidungen. Sie geben zu viel Rouge auf ihre faltigen Wangen, sie beschweren ihre Lider mit soviel Lidschatten und so dicken falschen Wimpern, dass ihr Blick schon deshalb so traurig wirkt, weil es so anstrengend ist, die Augen weit zu öffnen. Natürlich strahlen diese seltsamen Entertainer manchmal auch. Aber ein Hauch von Nostalgie liegt wie zu schweres Parfüm über dem Abend, denn, wie der Conferencier mit Bass-Stimme eingangs erklärt, ihr Cabaret "Gardenia" ist tot, es wird geschlossen. Wir erleben also den letzten Abend in einem Transvestitenschaugeschäft.
Alles geht hier unendlich langsam vor sich. Alain Platel, der belgische Tanztheaterregisseur, stiehlt den Zuschauern in "Gardenia" nicht nur die Zeit, er betrügt sie auch um all die interessanten Geschichten, die seine faszinierenden Darsteller bestimmt erzählen könnten, wären sie nun wahr oder erfunden. Stattdessen darf man ihnen nur dabei zuschauen, wie sie das tun, was sie wohl am allerliebsten tun: Sich als zu dick geschminkte, überauffällig herausgeputzte Frauen zu verkleiden.
Aber auch dafür – oder weil sie dabei so umwerfend liebenswürdig wirken – gibt es Applaus – echten und eingespielten.
Nicht frei von spöttischen Anspielungen auf Alain Platels letztes Stück "Out of Context", in dem die Tänzer als bloß instinktgeleitete Wesen mit heruntergefahrenem Verstand seltsame Geräusche produzierten und ihre Glieder verdrehten, vielleicht sogar als sarkastische Kritik an einem Tanztheater, das nur noch dislozierte Körper zur Schau stellt, haben die Tänzer Pieter Ampe und Guilherme Garrido ihr Duett ohne Musik "Still Standing You" entworfen. "Still Standing You" muss hier wohl bedeuten, dass einer den anderen immer noch aushält. Und das ist ganz wörtlich zu verstehen. Anfangs liegt Ampe auf dem Rücken, die Beine in Domestos-gefärbten Jeans und Turnschuhen im Neunzig-Grad-Winkel in die Luft gestreckt, und Garrido sitzt oben auf seinen Fußsohlen. Doch als Nächstes steht er bereits auf den ausgestreckten Armen von Ampe. Begleitet von tiefen Bass-Grunzern, einem wiederholten gequälten und zugleich drohenden Stöhnen, verwickeln sich die beiden in einen zentimetergenau durchchoreographierten Kampftanz.
Das sieht irrsinnig athletisch aus, richtig gefährlich und mitunter wahnsinnig komisch. Nach wenigen Minuten sind die beiden Ringer schweißnass, während das Publikum lacht und lacht. Dann fliegen die Kleider der beiden ins Publikum und die Kämpfer rücken einander bis in die intimsten Bereiche auf den Leib. Bald wirken sie wie Gestalten der antiken Mythologie, kämpfende Zentauren oder doppelköpfige Monstren, bald meint man, das Dschungelmonster aus der amerikanischen Fernsehserie "Lost" endlich nicht nur zu hören, sondern auch zu hören. Solche Assoziationen an die Bildwelten und Heldenerzählungen der zeitgenössischen Populärkultur sind beabsichtigt. Absolut faszinierend deutlich wird, welche Sensibilität für den anderen entwickeln muss, wer so planvoll brutal mit ihm umgehen will. Moderne Helden.
Atemberaubend provokativ und also auch nicht sehr subtil, aber sehr wirkungsvoll zeigte Héla Fattoumi in ihrem Solo "Manta", was das Tragen einer Burka auf der Bühne für eine arabischstämmige französische Tänzerin bedeutet. Ihre visuell eindringlichen Bilder des Kampfes in einem und gegen ein Kleidungsstück waren ein aufregender Beitrag – ganz klar gegen die Burka.