Stoffberge liegen auf der zum Publikum hin abfallenden Bühne. In drei breiten Streifen in den Farben Schwarz, Rot, Gold. Die Nationalfahne ist also der Symbolschauplatz auf dem eine siebenköpfige Gruppe von abgerissenen Soldaten umherstapft. Chorisch sprechen sie einen kurzen Text aus Borcherts großem Kriegsheimkehrerdrama von 1947. Beckmanns Einzelschicksal ist hier gleich zu Beginn aufgebrochen in eine kollektive Erfahrung. Denn da wo "Draußen vor der Tür" von der Einsamkeit eines Mannes erzählt, der ins Zivilleben nicht zurückgelassen wird und zugleich mit der Bewältigung seiner Kriegserfahrung allein bleibt, will Regisseur Volker Lösch auch von einer Massenschuld sprechen, die schon in den beiden Wehrmachtsausstellungen von 1995 und 2001 kontrovers diskutiert wurde. Die deutsche Wehrmacht, so belegten es auch der Historiker Sönke Neitzel und der Sozialpsychologe Harald Welzer in ihrem Buch "Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben", war aktiver Teil bei der Judenvernichtung.
"Da hat es bei uns welche gegeben, die bei dem Weibererschießen schwach geworden sind, obwohl wir dazu lauter alte Frontsoldaten ausgesucht hatten. Aber es war eben Befehl. Und dann diese zynischen Bemerkungen. Wenn ich noch gesehen hätte, dass diese Maschinenpistolenschützen, die wegen Überanstrengung alle Stunden abgelöst wurden es widerwillig gemacht hätten ... Nein! Dreckige Bemerkungen!"
Ausschnitte aus dem Buch, dem alliierte Abhörprotokolle von Gesprächen deutscher Kriegsgefangener zugrunde liegen, verwebt Lösch mit Texten aus Borcherts Stück. Dann hocken die fünf jungen Männer und zwei Frauen in der Stofflandschaft, putzen manisch ihre Stiefel und verkünden im Wechsel Details der in den Protokollen dokumentierten Schandtaten. Aus Borcherts Stationendrama und dem ihm eingelegten Dokumentartheater entsteht eine expressionistische Revue mit grellen Bilderfindungen. So ist der Kabarettdirektor ein Kauz, der mit einer gewaltigen Theatermaske aus gefüttertem goldenen Stoff ringt und sein Köpfchen mal aus dem einen, mal dem anderen Auge oder dem Mund hinausstreckt. Dem Obrist ist ein transparenter Schmerbauch umgehängt, durch den man die vielen gebratenen Hühnchen erkennt, die er sich einverleibt hat. Ihm möchte Beckmann die Verantwortung für den Verlust von elf Kameraden zurückgeben, die aufgrund von dessen Befehl umkamen. Aber auch er will nichts von den Seelenqualen wissen, die Beckmann bedrücken.
"Und dann kommen sie. Dann ziehen sie ein, die Gladiatoren, die alten Kameraden. Dann stehen sie auf aus den Massengräbern, und ihr blutiges Gestöhn stinkt bis an den weißen Mond."
Nach eineinhalb mäßig interessanten Stunden verschwindet das Schaubühnenensemble aus dem Stoffmeer und Andreas Timmermann-Levanas, ein leibhaftiger Veteran aus dem Bosnien- und Afghanistankrieg, springt auf die Bühne. Und erzählt, kurze zehn Minuten lang von den Beckmanns unserer Tage:
"Wenn der Veteran abends sein Baby hört, hört er nicht mehr sein Kind, was nach der Mutter brüllt, weil es gestillt werden will. Er hört seine Kameraden schreien, genau dieselben Schreie hat er damals aushalten müssen, als sie vor seinen Augen gestorben sind. Und er will kämpfen, liegt aber im Schlafzimmer, zieht sich im Geist die Uniform wieder an und das Adrenalin geht hoch. Die Frau und das Kind verlassen ihn; er ist kein Vater mehr, als Dank hat er noch die Unterhaltsklage am Hals und das Scheidungsverfahren."
Der Auftritt des Oberstleutnant a.D., der seine Erfahrungen übrigens in dem Buch "Die reden, wir sterben" 2010 veröffentlich hat, sind möglicherweise spontan in Löschs neue Arbeit eingegangen. Das Programmheft schweigt sich aus über diese Zugabe, die gleichwohl so eindringlich ist, dass sie anderthalb Stunden Theater rückwirkend annulliert und die Frage aufdrängt, warum, in drei Teufels Namen, das neue zeitgenössische Draußensein und die seelische Not der Bundeswehrveteranen nicht Gegenstand dieses Theaterabends waren. Und mit ihnen die Auseinandersetzung mit diesen komischen neuen Kriegen, die keiner so richtig will, in die die Politik in einer Mischung aus Bündnisopportunismus und wirtschaftlichem Kalkül nur halbherzig hineingeht. Das sind Kriege, die die Mehrheitsgesellschaft zu Hause verdrängt, die mit dem organisierten Morden der Wehrmacht nichts zu tun haben und bei denen gewohnte Denk- und Schuldschemata nicht weiterhelfen.
"Da hat es bei uns welche gegeben, die bei dem Weibererschießen schwach geworden sind, obwohl wir dazu lauter alte Frontsoldaten ausgesucht hatten. Aber es war eben Befehl. Und dann diese zynischen Bemerkungen. Wenn ich noch gesehen hätte, dass diese Maschinenpistolenschützen, die wegen Überanstrengung alle Stunden abgelöst wurden es widerwillig gemacht hätten ... Nein! Dreckige Bemerkungen!"
Ausschnitte aus dem Buch, dem alliierte Abhörprotokolle von Gesprächen deutscher Kriegsgefangener zugrunde liegen, verwebt Lösch mit Texten aus Borcherts Stück. Dann hocken die fünf jungen Männer und zwei Frauen in der Stofflandschaft, putzen manisch ihre Stiefel und verkünden im Wechsel Details der in den Protokollen dokumentierten Schandtaten. Aus Borcherts Stationendrama und dem ihm eingelegten Dokumentartheater entsteht eine expressionistische Revue mit grellen Bilderfindungen. So ist der Kabarettdirektor ein Kauz, der mit einer gewaltigen Theatermaske aus gefüttertem goldenen Stoff ringt und sein Köpfchen mal aus dem einen, mal dem anderen Auge oder dem Mund hinausstreckt. Dem Obrist ist ein transparenter Schmerbauch umgehängt, durch den man die vielen gebratenen Hühnchen erkennt, die er sich einverleibt hat. Ihm möchte Beckmann die Verantwortung für den Verlust von elf Kameraden zurückgeben, die aufgrund von dessen Befehl umkamen. Aber auch er will nichts von den Seelenqualen wissen, die Beckmann bedrücken.
"Und dann kommen sie. Dann ziehen sie ein, die Gladiatoren, die alten Kameraden. Dann stehen sie auf aus den Massengräbern, und ihr blutiges Gestöhn stinkt bis an den weißen Mond."
Nach eineinhalb mäßig interessanten Stunden verschwindet das Schaubühnenensemble aus dem Stoffmeer und Andreas Timmermann-Levanas, ein leibhaftiger Veteran aus dem Bosnien- und Afghanistankrieg, springt auf die Bühne. Und erzählt, kurze zehn Minuten lang von den Beckmanns unserer Tage:
"Wenn der Veteran abends sein Baby hört, hört er nicht mehr sein Kind, was nach der Mutter brüllt, weil es gestillt werden will. Er hört seine Kameraden schreien, genau dieselben Schreie hat er damals aushalten müssen, als sie vor seinen Augen gestorben sind. Und er will kämpfen, liegt aber im Schlafzimmer, zieht sich im Geist die Uniform wieder an und das Adrenalin geht hoch. Die Frau und das Kind verlassen ihn; er ist kein Vater mehr, als Dank hat er noch die Unterhaltsklage am Hals und das Scheidungsverfahren."
Der Auftritt des Oberstleutnant a.D., der seine Erfahrungen übrigens in dem Buch "Die reden, wir sterben" 2010 veröffentlich hat, sind möglicherweise spontan in Löschs neue Arbeit eingegangen. Das Programmheft schweigt sich aus über diese Zugabe, die gleichwohl so eindringlich ist, dass sie anderthalb Stunden Theater rückwirkend annulliert und die Frage aufdrängt, warum, in drei Teufels Namen, das neue zeitgenössische Draußensein und die seelische Not der Bundeswehrveteranen nicht Gegenstand dieses Theaterabends waren. Und mit ihnen die Auseinandersetzung mit diesen komischen neuen Kriegen, die keiner so richtig will, in die die Politik in einer Mischung aus Bündnisopportunismus und wirtschaftlichem Kalkül nur halbherzig hineingeht. Das sind Kriege, die die Mehrheitsgesellschaft zu Hause verdrängt, die mit dem organisierten Morden der Wehrmacht nichts zu tun haben und bei denen gewohnte Denk- und Schuldschemata nicht weiterhelfen.