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Mephisto in Wien
Theater in Zeiten rechter Ideologie

Klaus Manns Buch "Mephisto" erschien 1936 im Exil: eine Abrechnung mit den Mitläufern und Feiglingen der Nazizeit. Nun zeigt das Wiener Burgtheater eine Bühnenfassung. Sehr aktuell, politisch auf der Höhe der Zeit - aber leider dramaturgisch schwach.

Von Michael Laages |
    Nicholas Ofczarek (Hendrik Höfgen) als Mephisto am Wiener Burgtheater, September 2018
    Nicholas Ofczarek spielt am Wiener Burgthheater Klaus Manns Romanfigur Hendrik Höfgen als Mephisto (Reinhard Werner/Burgtheater )
    Taucht da gerade eine Art "Stück der Stunde" wieder auf? Einige Stimmen jedenfalls aus Klaus Manns "Mephisto"-Roman, der ja auch - und vor allem! - ein Dokument ist über den erstarkenden deutschen Nationalsozialismus, klingen verstörend gegenwärtig, nicht erst in diesen Tagen nach Chemnitz. Weniger vom Kern der Fabel her, also in der Geschichte vom genialischen Künstler, der sich unangreifbar fühlt durch eigene Meisterschaft und dennoch - oder gerade darum! - zum skrupellosen, ja liebedienerischen Erfüllungsgehilfen der Barbarei wird, sondern eher vom Rand her blitzen Haltbarkeit und Aktualität auf: in den Tiraden eines jungen Schauspielers, der sich früh schon Hitlers Horden angeschlossen hat.
    "Vielleicht sollte sich die Kunst mehr ums Volk kümmern und weniger um sich selbst.
    Dora Martin wird geliebt, wie kaum jemand sonst.
    Weil sie mit linker Propaganda vermarktet wird, wie kaum jemand sonst.
    Nein, weil sie eine Künstlerin von seltener Qualität ist.
    Unser Theater hätte Frauen von anderer Qualität verdient."
    Neuer Faschismus
    Und natürlich später auch in den mörderischen Manifestationen der Macht, in denen auch Hendrik Höfgen, der Schauspieler und schlussendlich Intendant des nazistisch gewendeten Staatstheaters, nur noch zuschanden gehen kann.
    "Steckt nicht in jedem rechten Deutschen ein ...
    Nein! Es steckt kein Mephistoles ...
    Ja, Mephisto ist auch ein deutscher Nationalheld, das darf man den Leuten nur nicht sagen."
    Martin Vischer (Hans Miklas) und das Kinderensemble in Mephisto am Wiener Burgtheater, September 2018
    Mephisto | nach dem Roman von Klaus Mann | Burgtheater (Reinhard Werner/Burgtheater )
    Bastian Kraft, durch Inszenierungen nicht nur am Thalia Theater in Hamburg ausgewiesen als eines der wichtigeren jungen Talente im Regie-Fach, setzt sehr bewusst auf all jene Passagen, in denen der ganz junge Faschismus "spricht", und später die Macht, die er erlangt; Texte gibt’s, die wie Statements von AfD oder "Pegida" klingen - und plötzlich funkelt finster ein Zeitgenossenwort wie "entsiffen" durch den Text. "Links-grün versifft" ist ja für rechte Propagandisten fast generell der ganze Kulturbetrieb. Und die Erzählerfigur in Krafts Fassung, sozusagen Klaus Mann persönlich, fragt sich und uns sehr direkt, wer von den vielen netten Kolleginnen und Kollegen aus der Theater-Kantine - und im Publikum natürlich! - womöglich stiekum schon Teil der Bewegung ist …
    Nah an der Buchvorlage
    Die Wiener Aufführung bleibt darüber hinaus sehr eng am Roman, verstärkt natürlich durch eben diesen Erzähler, dem Fabian Krüger zunächst viel erotische Faszination für den Anti-Helden Höfgen mitgibt - auch der authentische Klaus Mann gehörte zum intimeren Umgang des historischen Gustaf Gründgens, der sich ja im Höfgen-"Mephisto" gut kenntlich verbirgt. Später nimmt Krüger auch Manns Verzweiflung und Verlorenheit auf - drogensüchtig und desillusioniert, mit Schwester Erika nur noch konzentriert auf’s antifaschistische Engagement, auch mit dem Roman. Dessen Entstehungsgeschichte haben Regisseur Kraft und Dramaturg Hans Mrak der Aufführung beigegeben - was der Inszenierung eher nicht bekommen ist: in sehr holzschnitthaften, papierenen Dialogen. Das Finale ist sogar richtig ärgerlich: In einer fiktiven Begegnung - der Autor hat dem Theatermann Höfgen gerade das fertige Manuskript übergeben, der es prompt verbieten lassen will -, streiten die beiden darüber, wessen Version der Geschichte wohl überleben wird. Und überlassen die Entscheidung dann dem Beifall des Publikums - das ist nicht Politik, das ist bestenfalls eine populistische Pointe.
    Keine Visionen
    Nicolas Ofczarek wuchtet die Gründgens-Höfgen-Figur in allen erdenklichen Posen schauspielerischer Eitelkeit auf das zentrale Laufband in Peter Baurs ansonsten raumgreifend verspiegelter Bühne; und Annabelle Witt gibt speziell der Hauptfigur Masken und Kostüme von monströsem Effekt mit auf den Weg. Zum Ende hin wird Ofczarek tatsächlich zu einer Art Gliederpuppe, an langer Leine geführt, aus dem Schnürboden. Krafts Inszenierung ist sich der Wirkungen von Bildern zwar sehr bewusst, auch von Klängen: mit der allgegenwärtigen Schlagzeugerin Judith Schwarz. Zuweilen aber verhebt er sich auch gewaltig, etwa in nicht recht zwingenden Chansons. Andererseits trifft Kraft kluge Entscheidungen: Höfgens anrüchige Beziehung im Roman zu einer exotischen Nachtclub-Diva, die ihn sadomasochistisch erregt, schnurrt zu ganz normaler Homosexualität zusammen - die die Nazis natürlich gar nicht normal finden. Weil der Abend aber überwiegend extrem beharrlich am Romantext klebt, auch an seinen unüberhörbaren literarischen Schwächen, fängt dieser "Mephisto" zwar erstaunlich stark den aktuellen Klang ein im Angesicht heraufziehender Katastrophen, hilft aber weder mit Erklärungen noch gar bei der Suche nach Visionen des Widerstands.