Mercosur-Abkommen
Freihandelszone mit über 700 Millionen Konsumenten

Die EU und die südamerikanischen Mercosur-Staaten haben ihre Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Damit kommt die EU dem Abbau von Zollschranken mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay einen großen Schritt näher.

    Argentiniens Präsident Javier Milei, Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva und Paraguays Präsident Santiago Pena.
    Zufrieden mit dem Ergebnis von einem Vierteljahrhundert Verhandlungen: Argentiniens Präsident Javier Milei, Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva und Paraguays Präsident Santiago Pena. (picture alliance / AP / Matilde Campodonico)
    Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten wurde mehr als 25 Jahren verhandelt - nun haben sich die Vertragsparteien geeinigt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bestätigte in Uruguay die Vereinbarung.
    Die Bundesregierung begrüßte den Schritt, mit dem die EU ihre Abhängigkeit vom Handel mit China reduzieren will. Doch ob der Vertrag tatsächlich mit Leben gefüllt wird, ist ungewiss. Das Abkommen kann noch am Widerstand mehrerer EU-Staaten scheitern. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

    Inhalt

    Was ist das Mercosur-Abkommen?

    Der Vertrag zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay soll eine Freihandelszone mit mehr als 715 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern schaffen. Die Handelszone würde rund 20 Prozent der Weltwirtschaft und mehr als 31 Prozent der globalen Warenexporte abdecken.
    Gegründet wurde Mercosur 1991 nach dem Vorbild der EU. Seit diesem Jahr gehört auch Bolivien zur Gruppe, aber zunächst nicht zu den Vertragspartnern des Freihandelsabkommens mit der EU.
    Über das Abkommen wurde mehr als 25 Jahre verhandelt. 2019 erzielten die EU und die Mercosur-Länder eine politische Grundsatzeinigung. Nach der Unterzeichnung muss der Vertrag nun noch rechtsgültig verabschiedet werden.

    Was sieht der Vertrag vor?

    Vor allem den Abbau von Handelsschranken. Auf mehr als 90 Prozent aller zwischen der EU und den Mercosur-Staaten gehandelten Waren sollen keine Zölle mehr erhoben werden. Nach Berechnungen der EU-Kommission ergeben sich für europäische Exporteure dadurch jährliche Einsparungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro.
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hofft auf bessere Geschäfte. Durch das Abkommen bekämen deutsche Unternehmen demnach Zugang zu einem bisher weitgehend abgeschotteten Markt mit rund 265 Millionen Konsumenten. Vor allem Autohersteller und die Chemieindustrie werden wohl davon profitieren.

    Gibt es in der EU auch Gegner des Abkommens?

    Ja, vor allem Frankreich sieht den Vertrag kritisch. Präsident Emmanuel Macron begründet dies mit dem Schutz der eigenen Landwirte vor billigeren Produkten aus Südamerika. Die französischen Bauern haben in der Vergangenheit immer wieder gegen das Abkommen demonstriert.
    Auch Polens Regierungschef Donald Tusk und die italienische Regierung erklärten zuletzt, es sei in der jetzigen Form nicht akzeptabel. In Polen gibt es ebenfalls Sorgen vor Konkurrenz im Agrarsektor, Italien fordert Schutzmaßnahmen und Entschädigungen.
    Umweltschützer wiederum kritisieren niedrigere Standards beim Einsatz von Pestiziden in Südamerika und verweisen auf Gensoja, für das in Brasilien der Regenwald abgeholzt wird.
    "Wir machen uns sehr große Sorgen um die Auswirkungen des Abkommens auf die Umwelt und die Menschenrechte", sagt Lis Cunha von Greenpeace. Der Vertrag komme auf beiden Seiten nur den großen Konzernen zugute, kritisiert die Handelsexpertin.
    Der Göttinger Rechtswissenschaftler Tobias Stoll betont hingegen eher die Chancen des Abkommens: Es biete einerseits wirtschaftliche Vorteile für beide Seiten und andererseits auch die Möglichkeit, Kooperationen beim Klima- und Waldschutz voranzubringen.
    Weitere Befürworter des Freihandelsabkommens verweisen zudem darauf, dass die EU-Verbraucherstandards auch für den Handel mit Südamerika gelten sollen. Außerdem will die EU ihren Markt für Rindfleisch, Geflügel oder Zucker aus den Mercosur-Ländern nicht vollständig öffnen, sondern Quoten einführen.

    Ist das Abkommen nun beschlossene Sache?

    Nein. Von der Leyen hat es vorläufig unterzeichnet. Das konnte sie tun, weil der EU-Außenhandel in ihren Kompetenzbereich fällt. Das ist ein wichtiger, aber nur ein erster Schritt.
    Nun muss der Text von Juristen wasserdicht gemacht werden. Danach wird der Vertrag den EU-Ländern zur Abstimmung vorgelegt.

    Können einzelne EU-Länder das Abkommen noch verhindern?

    Ein einzelnes Land kann nichts ausrichten, mehrere aber schon. Die EU-Staaten müssen den Vertrag mit qualifizierter Mehrheit beschließen: Zustimmen müssten demnach mindestens 15 Länder, die 65 Prozent der Bevölkerung der EU repräsentieren. Anschließend muss dann noch das EU-Parlament den Text ratifizieren.
    Doch Frankreichs Präsident Macron versucht inzwischen hinter den Kulissen, eine Sperrminorität zu organisieren. Dafür wären insgesamt vier Mitgliedsländer nötig, in denen mindestens 35 Prozent der EU-Bevölkerung leben. Das könnte Paris mithilfe von Italien, Polen und einem weiteren kleinen Land gelingen.

    ahe