Der Besuch Angela Merkels in Heidenau endet, wie er begonnen hat: mit Protest gegen ihr Erscheinen, mit lautstarker Ablehnung. Als sie nach ihrem gut einstündigen Treffen mit Flüchtlingen, Helfern und Sicherheitskräften vor der Presse eine kurze Stellungnahme abgibt, fahren im Hintergrund Autos vorbei und hupen. Mehrere hundert Menschen spenden dafür Beifall. In sozialen Netzwerken hatten rechte Gruppen zu der Aktion aufgerufen. Mit Pfiffen und Buhrufen war sie zuvor auch begrüßt worden. "Volksverräter, Volksverräter" oder "Wir sind das Pack" riefen rechte Demonstranten, die vor der Flüchtlingsunterkunft auf die Kanzlerin warteten. "Der Empfang war alles andere als herzlich", so Landeskorrespondentin Nadine Lindner im Deutschlandfunk.
Doch Merkel geht darauf in ihrer Ansprache nicht weiter ein. Stattdessen betont sie, es gebe "keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen infrage stellen". Die Würde jedes Einzelnen zu achten, gehöre zum Selbstverständnis Deutschlands. "Wir sind entschlossen und stehen zusammen."
Merkel kündigt Gesetzesveränderungen an
Vor der Unterkunft in der sächsischen Stadt hatte es am Wochenende massive Ausschreitungen Rechtsextremer gegeben. Merkel wiederholt bei ihrem Besuch, dies sei "abstoßend und beschämend". Deutschland helfe, wo Hilfe geboten sei. Bei der Bewältigung der steigenden Zahl von Flüchtlingen müssten Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten. Die Herausforderung könne gemeistert werden, wenn der Wille bestehe und neue Wege beschritten werden. Merkel kündigt an, dass dafür bei dem im September geplanten Treffen zwischen Bund und Ländern auch Gesetzesveränderungen beschlossen werden sollen.
Die Regierungschefin würdigt in Heidenau auch die Arbeit der haupt- und ehrenamtlichen Helfer. Sie sei stolz auf die Struktur der Hilfsorganisationen. An die Helfer und verantwortlichen Kommunalpolitiker gerichtet sagt sie: "Das ist beeindruckend, was Ihr hier auf die Beine stellt."
Gauck: Es gibt ein helles Deutschland
Auch Bundespräsident Joachim Gauck hatte zuvor das Engagement ehrenamtlicher Helfer hervorgehoben. "Mir ist wichtig, dass Deutschland sich aufrichtet an der Präsenz dieser Hunderttausenden von hilfsbereiten Menschen", sagte er bei seinem Besuch der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Rathaus in Berlin-Wilmersdorf. "Das ist die überdeutliche Antwort auf Hetzer und Brandstifter." Das Engagement freiwilliger Helfer zeige, dass es ein helles Deutschland gebe gegenüber dem "Dunkeldeutschland", das man angesichts fremdenfeindlicher Übergriffe empfinde.
Für Wolfgang Thierse hängen die Attacken auf Flüchtlingsheime in Sachsen mit der Geschichte des Landes zusammen. In der DDR hätten die Menschen den selbstverständlichen Umgang mit Fremden nicht erlernt, "eingesperrt wie wir waren", sagte der ehemalige Bundestagspräsident im DLF. Nun gebe es dort eine "Sehnsucht nach den einfachen klaren Antworten".
(bor/nin)