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Merkel in China
Zwischen Forderungen und Zugeständnissen

Auf der Agenda von Angela Merkels China-Reise stehen vor allem Wirtschaftsthemen: China will als Marktwirtschaft anerkannt werden - und braucht dafür Merkels Zuspruch. Außerdem wird über den Zugang von Chinas Banken zum deutschen Markt verhandelt. Doch im Gegenzug will auch Merkel etwas: Zugeständnisse in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte - und vor allem beim umstrittenen NGO-Gesetz.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Präsident Xi Jinping schütteln sich vor den Flaggen ihrer Länder stehend die Hände.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Präsident Xi Jinping in Peking. (dpa/picture alliance/Guido Bergmann/Bundesregierung.)
    China will den Marktzugang für chinesische Banken in Deutschland - den knüpfte Bundeskanzlerin Merkel bei den Verhandlungen an eine Liberalisierung des Sektors auch in China. Im Finanzbereich werde man sicher noch mehr auf Reziprozität achten als in der klassischen Industrie, sagte sie vor Wirtschaftsvertretern in Peking. Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang erklärte, in der EU gebe es informelle Barrieren für chinesische Banken. Diese seien gegenüber europäischen und amerikanischen Banken benachteiligt. Der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Hubert Lienhard, betonte, deutsche Firmen dürften in China nicht benachteiligt werden.
    Doch dringender ist für China die Anerkennung als Marktwirtschaft. Als das Land 2001 zur Welthandelsorganisation WTO beitrat, wurde eine 15-jährige Übergangsfrist festgelegt, die Ende 2016 ausläuft. Die Regierung pocht deshalb darauf, von der EU dann als Marktwirtschaft eingestuft zu werden. Doch die EU hat die Zusage wegen der Überproduktionen Chinas mit der hohen Dumping-Gefahr wieder infrage gestellt.
    Bei einer Anerkennung dürfte die Verhängung etwa von Schutzzöllen gegen das Land schwieriger werden. Einige EU-Regierungen lehnen aber aus gleichem Grund die Zubilligung des Status ab.
    Es wird befürchtet, dass China Sanktionen gegen Firmen in der EU verhängen könnte, wenn es nicht als Marktwirtschaft anerkannt wird.
    NGO-Gesetz: Frühwarnsystem vereinbart
    Im Gegenzug wollte die deutsche Regierung Zugeständnisse - vor allem beim umstrittenen NGO-Gesetz, wonach Nichtregierungsorganisationen als Angelegenheit der nationalen Sicherheit betrachtet werden. Das Gesetz soll Anfang 2017 in Kraft treten. NGOs unterstünden so dem Ministerium für Nationale Sicherheit und damit der Aufsicht der Polizeibehörden. Die NGOs sollen mit dem Gesetz außerdem zu mehr Transparenz über ihre Finanzierung und Kontakte zu chinesischen Gesprächspartnern gezwungen werden. Die Organisationen befürchten Eingriffe in ihre alltägliche Arbeit - und auch, dass sie aufgrund des neuen Gesetzes China verlassen müssen.
    Chinas Regierung sagte nun bei den Konsultationen zu, durch engen Kontakt mit Berlin mögliche Schikanen gegen deutsche Stiftungen zu vermeiden. Merkel sagte, mit Ministerpräsident Li Keqiang habe sie eine Art Frühwarnsystem verabredet, wenn das Gesetz im nächsten Jahr in Kraft trete. So sollten negative Auswirkungen etwa auf die Arbeit der Handelskammern oder auf politische Stiftungen verhindert werden. Auch China habe eingeräumt, dass von der Arbeit der Nichtregierungsorganisationen beide Seiten profitierten.
    Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), bleibt jedoch skeptisch: Sie sagte im SWR, die Zusage der chinesischen Seite verfehle den Kern des Problems. Die Zusage zeige zwar "etwas Bewegung" in der Pekinger Führung, sagte Kofler. Das NGO-Gesetz laufe aber darauf hinaus, Projekte der Nichtregierungsorganisationen unter Polizeiaufsicht zu stellen. Organisatoren von Foren und Veranstaltungen würden auf diesem Weg zu einer "Schere im Kopf" gezwungen, denn sie müssten befürchten, über eine politisch unliebsame Auswahl von Themen oder Gesprächspartnern mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.
    Merkel hatte am Sonntag im chinesischen Nanjing für die Arbeit der NGOs geworben: "Sie alle tragen zur Verständigung und zum Verständnis bei." Dabei mahnte sie zu mehr Rechtsstaatlichkeit: "Kern aller Rechtsstaatlichkeit ist, dass die Stärke des Rechts gilt und nicht das Recht des Stärkeren", sagte Merkel. Recht dürfe nicht als Werkzeug der Macht benutzt werden, sondern müsse unabhängig von der Politik für alle gleich gelten.
    Amnesty International hatte das Gesetz in der Vergangenheit kritisiert. Es stelle ein "wirkliche Bedrohung" der legitimen Arbeit unabhängiger Nichtregierungsorganisationen dar.
    Wirtschaftsabkommen im Wert von knapp drei Milliarden Euro
    Björn Conrad vom Mercator Institut für China-Studien betonte im DLF, dass Merkels Reise nicht einfach sei. Denn die Chinesen hätten hohe Erwartungen an die deutsch-chinesischen Konsultationen, während auf deutscher Seite die Frage gestellt werde, wie sinnvoll die Kooperation überhaupt sei.
    Merkel war mit sechs Ministern und einer Wirtschaftsdelegation nach Peking geflogen. Bei den Konsultationen wurden 24 Vereinbarungen geschlossen, darunter Wirtschaftsabkommen im Umfang von knapp drei Milliarden Euro.
    (cvo/kis)