Es ist ein Besuch im Laufschritt. Angela Merkel eilt durch New York – sie hetzt vom UN-Plenarsaal in einen Nachbarkonferenzraum. Von der deutschen Vertretung zum Ballsaal eines nahen Hotels. Im Stakkato empfängt sie Staats- und Regierungschefs, besucht eine Frauenkonferenz, ein Gesundheitstreffen, ein Klima-Mittagessen. "Time now for action", so hat das Neuseelands frühere Premierministerin Helen Clark genannt, die jetzt bei der UN die Entwicklungsgruppe leitet. Bei Angela Merkel hört sich das so an: "Zeichen sind gut, Taten sind besser – lassen Sie uns in diesem Sinne Tatkraft entfalten."
"Wir schaffen das"
Wir schaffen das, sagt die Kanzlerin auch immer und immer wieder in New York. Damit meint sie meistens die gemeinsamen Klima- und Nachhaltigkeitsanstrengungen. 17 UN-Ziele mit vielen Unterpunkten. Eine Agenda gegen Hunger und Armut, für Gesundheit, Bildung, Klimaschutz. Aber Merkel meint auch: ja, wir zeigen Gesicht in der Flüchtlingskrise. Die Kanzlerin wird von vielen in New York darauf angesprochen, wie sie das macht in Deutschland. Wie offen sie ist, angesichts des Leids der Flüchtlinge. Das bringt ihr international Hochachtung ein, ganz anders als bei immer mehr Parteifreunden in Deutschland.
Viele Treffen Merkels in New York drehen sich um das Thema Flüchtlinge, zum Beispiel mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu: "Wir haben noch einmal bekräftigt, eine deutsch-türkische Arbeitsgruppe einzusetzen, die sich mit Migrationsfragen beschäftigt, dass wir zu einer besseren Kontrolle der Flüchtlingsbewegungen kommen. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die große Sorge der Türkei zum Ausdruck gekommen, dass neue Flüchtlingsbewegungen aus Syrien entstehen könnten."
Merkel überlässt das Feld ihrem Außenminister
US-Präsident Obama und Russlands Staatschef Putin treffen sich heute und reden auch über Syrien – die Kanzlerin soll Obama dazu gedrängt haben. Sie selbst überlässt das Feld ihrem Außenminister. Merkel reist stattdessen mit klaren Handlungsanweisungen für den kommenden Welt-Klimagipfel im Dezember in Paris im Gepäck zurück. Daran muss sie sich messen lassen, sagt Martin Kaiser von Greenpeace: "Die Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik wird sich die Kanzlerin nur dadurch erarbeiten, dass sie zum einen eine Klimaabgabe in Deutschland so organisiert, dass ohne neue Subventionen Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Und dass sie sich jetzt aber auch international dafür einsetzt, dass die Beschlüsse von G7 ein internationaler Beschluss mit allen Staaten zusammen sein wird."
Merkel tankt auf in den USA, trotz der Hetze. Selbst im UN-Gebäude zücken Diplomaten ihre Handys, wollen ein Selfie mit der Kanzlerin. In Deutschland ist Angela Merkel in den Meinungsumfragen abgerutscht. In New York schwimmt sie auf einer Welle der Hochachtung und des Respekts. Ruhe kehrt nur einmal ein: als sie Ground Zero besucht, das Mahnmal für die Opfer des Terrors vom 11. September. Am einzigen Baum, der im Schutt überlebt hat, hält Merkel inne, ist bewegt: "Dieser Baum ist natürlich wie ein Wunder - dass er überlebt hat und dass er auch so weiter gewachsen ist." Dann geht es weiter, wieder im schnellen Schritt. Dass sie die sinkende Beliebtheit in Deutschland irgendwie kratzt, diesen Eindruck macht die Kanzlerin nicht.