Sie habe in den vielen Monaten seit der Wahl 2013 stets geantwortet, sie werde sich zum geeigneten Zeitpunkt äußern, erklärte Merkel auf einer Pressekonferenz im Anschluss an die Sitzung des Präsidiums und des Bundesvorstandes ihrer Partei in Berlin. "Der geeignete Zeitpunkt ist heute da."
Sie habe dem Vorstand gesagt, dass sie bereit sei, noch einmal für den Vorstand zu kandidieren - und damit verbinde sie auch die Bereitschaft, für das Amt der Bundeskanzlerin zur Verfügung zu stehen. Sie habe lange gezögert, so Merkel - schließlich gehe es nicht nur um einen Wahlkampf, sondern um die nächsten vier Jahre.
Aber: Es seien schwierige, unsichere Zeiten - und damit auch Zeiten, "in denen die Menschen, so ist mir von sehr vielen gesagt worden, wenig Verständnis hätten, wenn ich jetzt nicht noch einmal meine ganze Erfahrung und das, was mir an Gaben und Talenten gegeben ist, in die Waagschale werfen würde, um meinen Dienst für Deutschland zu tun", so Merkel.
Erwartungen "grotesk und geradezu absurd"
Die teils hohen Erwartungen an eine mögliche weitere Amtszeit empfindet die Kanzlerin allerdings als übertrieben: "All das was damit, insbesondere nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika verbunden wird, wie es auf mich ankommt, das ehrt mich zwar, aber ich empfinde es auch sehr stark als grotesk und geradezu absurd. Kein Mensch, kein Mensch alleine, auch nicht mit größter Erfahrung, kann die Dinge in Deutschland, Europa, in der Welt mehr oder weniger zum Guten wenden, und schon gar nicht eine Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland."
Erleichterung und Kritik
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff begrüßte die erneute Kanzlerkandidatur Merkels. "Wir waren alle erleichtert", gab er die Stimmung nach Merkels Erklärung im CDU-Präsidium wieder. Merkel zeige damit, dass sie die Verantwortung in einer schwierigen Situation international, in Europa und in Deutschland weiter wahrnehmen wolle. SPD-Generalsekretärin Katharina Barley meinte dagegen, Merkels Ankündigung sei ein Ansporn für einen politischen Wechsel. "Nach zwölf Jahren im Amt ist die Luft wirklich raus", sagte sie in Berlin. AfD-Vizechef Alexander Gauland nannte Merkels erneute Kanzlerkandidatur eine weitere Bankrotterklärung der Union.
Im Laufe des Tages hatten schon viele von Merkels Parteifreunden aus der Sitzung des CDU-Präsidiums geplaudert. Viele Medien berichteten unter Berufung auf jeweils eigene Quellen darüber, dass Merkel in der Sitzung ihre Kandidatur sowohl für den CDU-Parteivorsitz als auch als Kanzlerkandidatin angekündigt hatte. CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte Merkels Kandidatur am Nachmittag indirekt per Twitter angekündigt.
CSU-Chef Horst Seehofer sagte am Nachmittag, noch vor Merkels Ankündigung am Abend: "Es ist gut, dass jetzt Klarheit herrscht." An der "gemeinsamen Kanzlerkandidatin" könne man nicht ernsthaft zweifeln. Er stellte Merkel die Unterstützung seiner Partei in Aussicht. Nun werde man klären, mit welchen Themen man gemeinsam in den Wahlkampf gehe und wo es bei Differenzen bleibe.
Kandidatur war erwartet worden
Merkel hatte schon vor dem heutigen Tag erklärt, dass ihrer Ansicht nach der Parteivorsitz und das Kanzleramt in Personalunion zu führen sind. In der Union wie in allen anderen Parteien habe jeder erwartet, dass Merkel ihre Kandidatur für eine vierte Amtszeit heute bekannt geben wird, berichtet Theo Geers.
Die CDU wählt am 6. Dezember beim Bundesparteitag in Essen ihre Spitze neu. Merkel ist seit dem Jahr 2000 CDU-Vorsitzende und seit 2005 Kanzlerin. Bei einer erneuten Wiederwahl im Bundestag hätte sie die Chance, die am längsten amtierende Kanzlerin zu werden. Bisher haben nur Helmut Kohl und Konrad Adenauer (beide CDU) länger regiert.
(stfr/jasi)