Archiv

Merkel, Macron und die 26 anderen
Aussichten auf eine Reform der Europäische Union

Die Europäische Union ringt um ihren Zusammenhalt. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat daher Reform-Vorschläge gemacht: Die Eurozone soll ein eigenes Parlament, einen eigenen Finanzminister und ein eigenes Budget bekommen. Deutschland zeigt sich gesprächsbereit, andere Länder sind skeptischer.

Von Alois Berger |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt den französischen Präsidenten Emmanuel Macron am 15.05.2017 in Berlin.
    Antrittsbesuch des französischen Präsidenten in Berlin bei Kanzlerin Merkel: Macron hat mit seinem Schwung in ganz Europa neue Hoffnungen geweckt - er erwartet nun Unterstützung von Deutschland. ( Michael Kappeler/dpa)
    Vergangene Woche vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. Strahlender Sonnenschein, ein prächtiger Empfang für den neuen französischen Präsidenten, mit dem jetzt alles anders werden soll. Noch im April wurde hier lautstark gegen die Europapolitik der Kanzlerin demonstriert. Jetzt fordern die Sprechchöre mehr Europa - mehr Schwung, mehr Mut, mehr Zusammenarbeit. Emmanuel Macron ist der neue Hoffnungsträger für Europa. Die Erwartungen in Berlin an den neuen französischen Präsidenten sind hoch, in Politikerkreisen wie auch auf der Straße:

    "Ich erwarte von Macron, dass er die Idee von Europa ernst nimmt, dass er sie mit gemeinsamer Anstrengung aller europäischen Länder voranbringt, auch in Frankreich das Gefühl wieder stärkt, wir gehören alle zusammen." Draußen wird noch Beethovens Neunte gesungen, da beugen sich im Kanzleramt die Referenten längst über Macrons Reform-Vorschläge für die Europäische Union. Frankreichs Präsident will vor allem die Euro-Zone stärken und vertiefen, er will sie widerstandsfähiger machen, aber auch solidarischer. Die Eurozone soll künftig ein eigenes Parlament bekommen, einen eigenen Finanzminister und ein eigenes Budget. Das kann vieles heißen. Vor allem die Idee eines Euro-Finanzministers lässt sich sehr unterschiedlich deuten. Kommt der europäische Finanzminister - und eine Transfer-Union? Traditionell gehört es zur französischen Europapolitik, eine stärkere politische Kontrolle der gemeinsamen Währung zu fordern, ganz im Gegensatz zur Mehrheitsmeinung in Deutschland: Für die meisten deutschen Politiker hat die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank quasi religiösen Charakter. An Frankreichs Denkschulen herrscht die Ansicht vor, man dürfe nicht nur die Inflationsraten im Auge haben, mit einer geschickten Zinspolitik lasse sich auch Wachstum und Beschäftigung fördern. Vor allem deutsche Finanzpolitiker lehnen das bisher rundheraus ab. In EU-Texten wurde der französische Begriff des "gouvernement économique" deshalb auch schon absichtlich falsch übersetzt: Während in der französischen Version eine veritable "Wirtschaftsregierung" angekündigt wurde, blieb es im deutschen Text beim Ziel der "wirtschaftlichen Kooperation". Beide Seiten waren zufrieden, aber voran ging es so nicht. Das soll jetzt anders werden. Eurokrise und Europamüdigkeit, Populismus und Brexit - die Europäische Union wackelt, und Emmanuel Macron ist vielleicht die letzte Chance der EU, wieder auf die Beine zu kommen.

    "Jetzt geht es darum, dass der deutsch-französische Motor angeschmissen wird, und jetzt dass die Probleme in Europa angegangen werden. Jetzt haben wir eine politische Lage, die das ermöglicht. Und es ist jetzt die Aufgabe von Macron und Merkel, da voranzugehen. Wenn nicht jetzt, wann?" Diesmal wollen die deutsche und die französische Regierung keine unterschiedliche Übersetzung, sondern eine echte Lösung. Der europäische Finanzminister, der ein eigenes Budget bekommt, findet zunehmend Anhänger auf beiden Seiten des Rheins. Damit könnte er von Brüssel aus soziale Probleme in den Mitgliedsländern anpacken: die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Spanien etwa, die Härten der Sparpolitik in Griechenland, und die Zustände in den überfüllten Asyl-Auffanglagern in Italien. Dieser Teil dürfte in Frankreich gefallen: Ein Finanzminister, der mit seinem Geld Investitionen ankurbeln kann – und im Gegenzug etwas verlangen kann von den Empfängerländern: Reformen zum Beispiel, Arbeitsmarktreformen, Rentenreformen, Gesundheitsreformen. Im Bundesfinanzministerium würde man dem Eurofinanzminister am liebsten ein Vetorecht geben für die Aufstellung der nationalen Haushaltspläne - damit unsinnige oder überzogene Ausgaben erst gar nicht beschlossen werden. Nach Berliner Lesart gehören Geld und Einfluss stets zusammen: Es gehe dabei um den Umbau, nicht den Abbau des Sozialstaates. Das Ziel sei, ihn zukunftsfest zu machen - so die deutsche Sicht. Denn nach den Vorstellungen in Berlin sollte dieser Euro-Finanzminister Durchgriffsrechte bekommen bei den nationalen Haushalten. Ein europäischer Finanzminister, aus französischer Sicht investitionsfreudig, aus deutscher mit scharfem haushalterischem Blick – das wäre der Kompromiss. Es ist auffällig, wie sehr beide Regierungen derzeit ihr Entgegenkommen in den Vordergrund rücken. Die europäischen Krisen der letzten Jahre haben Berlin und Paris offensichtlich weichgekocht. Selbst christdemokratische Politiker können sich inzwischen vorstellen, Geld in die Hand zu nehmen und die Transfer-Union auszubauen. Die durfte die Europäische Union nach deutscher Lesart nie sein, sie ist es aber im Grunde längst. Richtig, finden die Europa-Demonstranten draußen vor dem Kanzleramt. Europaabgeordneter Hans van Baalen: Erst Reformen in Frankreich! "Vielleicht einen Marshallplan oder finanzielle Unterstützung, dass die südeuropäischen Wirtschaften auch wieder florieren, und das kommt uns dann am Ende ja auch wieder zugute." Doch es hängt nicht nur von Frankreich, Deutschland und den Wahlen in beiden Ländern ab, ob aus den Reformvisionen etwas wird. Entscheidend wird sein, wie die anderen 26 EU-Staaten auf die deutsch-französische Initiative reagieren. Emmanuel Macron hat mit seinem Schwung in ganz Europa neue Hoffnungen geweckt. Doch manche Regierungen bleiben skeptisch: weil sie Deutschland nicht so recht trauen, oder, weil sie den neuen Präsidenten nicht einschätzen können. Der niederländische Europaabgeordnete Hans van Baalen ist ein Liberaler, der sich Emmanuel Macron politisch sehr nahe fühlt. Aber wenn es um die europäische Währung geht, dann ist der Niederländer unerbittlich:

    "Für Macron - und ich bin sehr froh, dass er gewählt worden ist - muss gelten: Zuerst Reformen in Frankreich. Das ist das Wichtigste. Ein modernes flexibles Frankreich, weltoffen, Welthandel, Binnenmarkt, und natürlich sollte Frankreich auch mitmachen beim Stabilitätspakt. Das heißt, die Konditionen dort gelten auch für Frankreich, das ist wichtig. Dann kann man auch sprechen, wenn Frankreich sich ändert, modernisiert, welche europäischen Reformen notwendig sind." In Finnland, in Österreich, in Estland, in Schweden und Dänemark sehen das viele ähnlich. Schweden und Dänemark sind zwar nicht im Euro, ihre Währungen aber sind eng an die europäische Währung gekoppelt. Dort pocht man mindestens so energisch auf Währungsdisziplin wie der deutsche Finanzminister. Der Niederländer Hans van Baalen spricht für diese Grundstimmung in den nördlichen EU-Ländern:

    "Die Bedingungen eines stabilen Euro sollten auch von Frankreich akzeptiert werden. Und es soll nicht so sein, dass man einen Soft-Stability-Pakt macht. Das kann nicht sein." Doch genau darauf hoffen viele Menschen im Süden Europas, in Italien, in Spanien, in Griechenland: Sie wünschen sich, dass mit Emmanuel Macron ein Stabilitätspakt kommt, der ihnen mehr Luft zum Atmen lässt. Zwar hat der neue französische Präsident im Wahlkampf immer wieder angedeutet, dass er marktwirtschaftlicher denkt als seine Vorgänger, dass er den französischen Arbeitsmarkt reformieren und dass er den Euro-Stabilitätspakt ernst nehmen will. Aber Macron hat eben auch gesagt, dass Europa wieder mehr Investitionen brauche, und dass dabei Deutschland eine entscheidende Rolle zukomme. Den deutschen Exportüberschuss hat der Franzose mehrfach kritisiert: der erdrücke die Nachbarn, und deshalb müsse Deutschland daran etwas ändern, so Macron. Und so fürchten die Regierungen in Den Haag, in Helsinki, in Kopenhagen, Stockholm und Tallin, worauf zu gleicher Zeit viele Menschen in Madrid, Rom und Athen hoffen: Dass Frankreich unter Emmanuel Macron wieder seine traditionelle Rolle übernimmt als sozialpolitisches Gegengewicht zu Deutschland. Auch die Co-Vorsitzende der Europäischen Grünen Monica Frassoni fordert, Macron müsse den deutschen Einfluss zurückdrängen. Die deutsche Sparpolitik mache Europa kaputt, ein deutsch-französisches Reformpaket werde die EU nicht weiterbringen, warnt die Italienerin Frassoni:

    "Wir brauchen eine andere Politik in Deutschland. Wenn Deutschland so weitermacht mit der Sparpolitik von Finanzminister Schäuble, und wenn Deutschland weiterhin die Verantwortung für seinen riesigen Exportüberschuss ablehnt, dann ist es egal, was in Frankreich passiert, dann bleiben wir auf dem falschen Weg. Das heißt, früher oder später werden wir eine echte Debatte mit den Deutschen führen müssen, damit sie ihre Politik ändern." Verständnis für deutsches Beharren auf Haushaltsdisziplin Besonders verhasst ist die deutsche Sparpolitik in Griechenland. Aber selbst dort räumen Politiker ein, dass das deutsche Beharren auf mehr Haushaltsdisziplin nicht völlig sinnlos ist. Wir müssen sparen, findet etwa die Europaabgeordnete Eva Kaili von der sozialistischen PASOK, aber nicht ganz so hart:

    "Niemand liebt die Austeritätspolitik. Länder, die darunter leiden, würden eine fortschrittlichere Agenda natürlich vorziehen. Aber ich denke schon, dass öffentliche Ausgaben unter Kontrolle gehalten werden müssen. Wir brauchen gemeinsame Regeln, aber ich glaube nicht, dass es etwas bringt, Länder zu bestrafen, wenn sie Regeln verletzen, die es zu Beginn der Währungsunion noch gar nicht gab. Wir brauchen da eine gute Balance." Bislang konnten Regierungen in Athen, Rom und Madrid immer darauf bauen, dass Frankreich sie dabei unterstützt, wenn sie das vereinbarte Defizitziel von drei Prozent überschreiten. Seit Macrons Wahlsieg und seiner Charme-Offensive hoffen viele, dass er die deutsche Regierung darüber hinaus zu mehr Großzügigkeit, zu finanzieller Unterstützung überreden wird. Darauf setzt auch die griechische Europaabgeordnete Kaili:

    "Ich denke, wir werden weiterhin auf die Hilfe Frankreichs bauen können, die Sparpolitik zu lockern. Auf der anderen Seite muss auch klar gemacht werden, dass Reformen Vorrang haben und nicht die Spar-Maßnahmen. Leider kürzen wir nach so vielen Jahren der Krise immer weiter Pensionen und Löhne, anstatt Reformen einzuleiten, die Wachstum schaffen könnten." Aus Sicht der Mittelmeer-Länder macht eine Reform der Europäischen Union nur Sinn, wenn damit neue Finanztransfers verbunden sind. Die Länder brauchen Investitionen, um ihre chronische Wachstumsschwäche zu überwinden. Und sie brauchen Mittel, um diese Investitionen anzulocken. Zudem trägt der deutsche Außenhandelsüberschuss dazu bei, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland niedrig, in den wirtschaftlich schwächeren EU-Ländern dagegen umso höher ist. Die Regierungen in Athen, Rom und seit kurzem auch in Madrid fordern deshalb beispielsweise eine europäische Arbeitslosenversicherung. Eine Versicherung, in die vor allem die wirtschaftlich starken Länder einzahlen und von der die schwächeren profitieren würden. Josef Janning vom European Council on Foreign Relations in Berlin:

    "Es gibt im Süden, soweit ich das sehe, eine Bereitschaft, Reformen mitzumachen, weil es ein starkes Bedürfnis für mehr soziale Ausgleichsmasse gibt. Der Süden ist der Meinung, dass die Union und der Norden es dem Süden schuldig sind, mehr zu tun, um die Strukturkrise des Südens zu überwinden, denn schließlich hat der Süden alles getan, um dem Norden seine wirtschaftliche Entfaltung, die Stärken seiner Exportwirtschaft zu ermöglichen." Geld gegen Strukturreformen, so könnte die Formel lauten. Für den Politikwissenschaftler Janning belegen die letzten Jahre, dass wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland ungleich mehr von der Währungsunion profitiert haben als schwächere Länder. Das müsse eine EU-Reform berücksichtigen, findet Janning. Ohne neue Transferleistungen vom Norden in den Süden werde es nicht gehen. Im Idealfall hätte ein Eurofinanzminister ein Reformbudget, um klammen Ländern finanzielle Anreize geben zu können, damit sie ihre Haushalte in Ordnung bringen.

    "Sollte man nicht sehr viel klarer Reformen und finanzielle Anreize miteinander verknüpfen statt einer relativ breiten Streuung dieser Budgets etwa über die Strukturfonds der Europäischen Union?" Klamme Länder im Süden, nationalistische Tendenzen im Osten Doch der Nord-Süd-Konflikt wird nur ein Teil der Reform-Diskussion in der Europäischen Union sein. Mindestens ebenso weit klaffen die Vorstellungen zwischen West – und Osteuropa auseinander. Wenn Frankreichs neuer Präsident für einen stärkeren Zusammenhalt der Eurozone plädiert, dann mag das vernünftig sein. Schließlich sind die Euro-Länder wegen der gemeinsamen Währung stark voneinander abhängig. Doch in Warschau, Prag und Budapest lassen solche Vorschläge die Alarmglocken schrillen. In allen drei Ländern gibt es starke nationalistische Tendenzen und wenig Neigung, auf absehbare Zeit dem Euro beizutreten. Die polnische Europaabgeordnete Danuta Hübner fürchtet um den Einfluss ihres Landes:

    "Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU wird die Gruppe der Länder, die in der EU, aber nicht im Euro sind, schlagartig um vieles schwächer. Das sind dann noch acht Länder wie Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die ökonomisch sehr schwach sind. Einige haben auch noch sehr euroskeptische Führungen. Die Gruppe der Nicht-Euro-Länder verliert an Bedeutung." Eine engere Zusammenarbeit der Eurozone würde die meisten Mittel- und Osteuropäer noch weiter an den Rand drängen. Die Angst dort ist groß, den Anschluss zu verlieren. Vor allem die polnische Regierung ist dabei, die Rolle Großbritanniens zu übernehmen und generell alle Reformen zu blockieren, die zu mehr Europa führen könnten. Eine gefährliche Strategie, meint Danuta Hübner, die für die polnische oppositionelle Bürgerplattform im Europaparlament sitzt. Denn in Berlin und Paris denkt man längst darüber nach, die Vertiefung der Eurozone notfalls direkt zwischen den Euro-Ländern auszuhandeln. Dafür wären zwar neue Institutionen nötig, ein eigenes Parlament und eine eigene Verwaltung für die Euro-Zone etwa, aber die Eurozone wäre dann nicht auf die Zustimmung von Ländern wie Polen angewiesen, die beim Euro gar nicht dabei sind. Ein Alleingang der Euroländer wäre aus polnischer Sicht verheerend, sagt die Abgeordnete Danuta Hübner:

    "Wir sollten alles tun, damit wirklich alles, was die Eurozone betrifft, in den Europäischen Verträgen verankert wird und nicht in Verträgen zwischen den Staaten der Eurozone. Sonst wird es für Länder wie Polen viel gefährlicher. Wenn wir innerhalb der Europäischen Verträge bleiben, dann haben wir auch alle möglichen Absicherungen, für die dann auch die Europäische Kommission verantwortlich bleibt. Zum Beispiel, dass der Binnenmarkt in derselben Weise für alle zugänglich ist. Denn der Binnenmarkt ist das, was uns alle verbindet." Macron möchte "Entsenderichtlinie" verschärfen Wie schnell der Binnenmarkt ausgehöhlt werden könnte, das lässt sich derzeit am Streit um die sogenannte Entsenderichtlinie beobachten. Diese EU-Richtlinie regelt die Arbeitsbedingungen zum Beispiel für polnische Arbeiter, die von ihren Firmen für einige Monate nach Deutschland oder Frankreich geschickt werden, um dort Aufträge zu erledigen. Ein heikles Thema, das im französischen Wahlkampf eine wichtige Rolle gespielt hat. Viele sehen in den Arbeitern aus ärmeren EU-Ländern, die nur den Mindestlohn bekommen, eine unfaire Konkurrenz. Emmanuel Macron möchte die 20 Jahre alte EU-Richtlinie deutlich verschärfen. Danach sollen europäische Arbeitnehmer, egal, wo sie in der EU arbeiten, nach den dort geltenden Tarifverträgen bezahlt werden. Die meisten mittel- und osteuropäischen Regierungen wehren sich dagegen. Die niedrigeren Löhne seien wichtig, damit sie wirtschaftlich aufholen können, argumentieren sie. Nicht zu Unrecht vermutet man im Osten auch protektionistische Motive hinter Frankreichs Forderung nach Tarifbindung für alle EU-Arbeitnehmer. Denn niemand wird in Frankreich eine polnische, rumänische oder ungarische Firma beauftragen, wenn sie genauso viel kostet wie eine französische. Emmanuel Macron will seinen Bürgern mit einer verschärften europäischen Entsenderichtlinie zeigen, dass Europa die richtige Antwort auf die Globalisierung ist. Denn wie in Großbritannien, wo die Ablehnung der polnischen Arbeiter wesentlich zum Brexit beitrug, glauben auch in Frankreich viele, dass sich ihr Land gegen die Globalisierung durch Abschottung zur Wehr setzen muss. Genau das möchte Macron verhindern. Er will Frankreich modernisieren, fit machen für die Globalisierung, die er für unvermeidlich hält. Emmanuel Macron braucht Europa, meint Yann-Sven Rittelmeyer vom European Policy Center in Brüssel, und deshalb werde er für Berlin ein zuverlässiger Partner sein.

    "Er will, dass ihm Europa dabei hilft, dieses tief gespaltene Frankreich zu versöhnen, damit es für die anstehenden Aufgaben gewappnet ist. Europa muss deshalb zeigen, dass es der Globalisierung gewachsen ist. Dafür braucht er eine reformierte Wirtschafts- und Währungsunion, das geht nur in enger Allianz mit Deutschland und mit einem neuen Vertrauen zwischen den beiden Ländern. Emmanuel Macron muss also Deutschland beweisen, dass er es ernst meint mit der Einhaltung des Stabilitätspaktes. Dann kann er in Zusammenarbeit mit Deutschland die Reform der Eurozone anpacken." Die Zeit drängt. Im Außenministerium in Berlin geht man davon aus, dass die Geduld der Franzosen mit ihrem neuen Präsidenten höchstens ein bis eineinhalb Jahre reicht. Eineinhalb Jahre für die wichtigsten Reformschritte. Eineinhalb Jahre, in denen der Beginn einer wirtschaftlichen Erholung in Frankreich spürbar werden muss. Dauert es länger, dann werde die Luft dünn für Macron und für weitere Europäische Reformen. Die Demonstranten vor dem Kanzleramt in Berlin scheinen das zu ahnen. "Jetzt geht es los."
    Zuschauer mit Europa-Flaggen stehen am 15. Mai 2017 in Berlin vor dem Bundeskanzleramt beim Antrittsbesuch des französischen Präsidenten Macron.
    Zuschauer mit Europa-Flaggen vor dem Bundeskanzleramt beim Antrittsbesuch des französischen Präsidenten Macron (picture alliance / Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/ZB)
    Der niederländische EU-Abgeordnete Hans van Baalen.
    Der niederländische EU-Abgeordnete Hans van Baalen: "Es soll nicht so sein, dass man einen Soft-Stability-Pakt macht." (AFP / Bart Maat)
    Macron will Frankreich modernisieren, fit machen für die Globalisierung, die er für unvermeidlich hält, meint Yann-Sven Rittelmeyer vom European Policy Center in Brüssel.
    Macron will Frankreich modernisieren, fit machen für die Globalisierung, die er für unvermeidlich hält, meint Yann-Sven Rittelmeyer vom European Policy Center in Brüssel. (imago stock&people)